G. MacPhee u.a. (Hrsg.): Empire and After

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Title
Empire and After. Englishness in Postcolonial Perspective


Editor(s)
MacPhee, Graham; Poddar, Prem
Published
Oxford 2007: Berghahn Books
Extent
211 S.
Price
£ 30.00
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Frauke Hofmeister, Institut für Anglistik, Universität Leipzig

Angesichts der großen Zahl an Publikationen, die sich in den vergangenen zwanzig Jahren zunächst mit Britishness und dann zunehmend mit Englishness auseinandergesetzt haben, 1 stellt sich bei jeder neuen Veröffentlichung zu dem Thema die Frage nach dem Neu- und Mehrwert. Dem von Graham MacPhee (West Chester University, Pennsylvania, USA) und Prem Poddar (University of Aarhus) gemeinsam herausgegebenen Band kann man durchaus attestieren, dass die Beiträge einige Ansätze aufzeigen, die der Frage nach britischer und/oder englischer Identität mit neuen Antwortoptionen nachgehen und ihr Aktualität verleihen.

Ausgehend von der „notorious English-British confusion“ 2 argumentieren MacPhee und Poddar, dass eine Diskussion des Verhältnisses der beiden (?) Konzepte zueinander ein guter Ausgangspunkt für Überlegungen zu nationalen Identitäten in der postkolonialen und globalisierten Welt ist. Das Augenmerk ist vor allem auf die Verbindung zwischen dem Globalen und dem Lokalen, zwischen Äußerem und Inneren, gerichtet. 3 Anstatt englische nationale Identität aber lediglich als (innere) Reaktion auf (äußere) Bedrohungen wie schottische und walisische Nationalismen, europäische Integration oder Immigration zu untersuchen, plädieren die Herausgeber für eine Betrachtungsweise, die die anhaltende Präsenz und Verflechtung der (vorgeblich äußeren) Geschichte des Kolonialismus und Imperialismus mit der (inneren) Definition der nationalen Identität betont. Der Titel des Sammelbandes erinnert somit nicht rein zufällig an Paul Gilroys After Empire: Melancholia or Convivial Culture? (London 2004).

In ihrer Selbstverortung richten sich MacPhee und Poddar explizit gegen die von Krishan Kumar versuchte konzeptionelle Isolierung von Englishness und Britishness und knüpfen an die Arbeiten von Ian Baucom und Simon Gikandi an, deren Interesse weniger auf eine ordnende Trennung der Begriffe und dazugehörigen Konzepte denn auf deren Verwobenheit gerichtet ist. 4 Grundsätzlich geht es MacPhee und Poddar darum, wie Nation und Reich im Konzept Englishness und dessen Verhältnis zu britischer nationaler Identität verschmelzen („the conflation of nation and empire signaled by Englishness and its coding of British national identity“ (S. 18)). Unklar bleibt (womöglich beabsichtigterweise), ob es sich hier um die ‚britische’ oder die ‚englische’ Nation handeln soll, sofern dies überhaupt unterschieden werden kann. Die neun Beiträge gehen mit dieser Problematik jedenfalls recht unterschiedlich um. Während manche sich (teilweise auch im Kumarschen Sinne) durchaus an einer klärenden Unterscheidung versuchen (z.B. Hart), taucht die Frage bei anderen gar nicht auf (z.B. Duffy, Nash). Gemeinsam ist allen Aufsätzen jedoch, dass das Empire nicht nur als externer Faktor für die Ausbildung von Britishness/Englishness gesehen wird, sondern vielmehr eine aktive Rolle übernimmt.

Das Buch gliedert sich in zwei Teile, wobei das Empire im ersten, „Nation & Empire“ betitelten Komplex meist als beeinflussender Schauplatz für Aushandlungsprozesse nationaler Identität fungiert, während im Teil „Postcolonial Legacies“ die Rolle des Empires in den gegenwärtigen Diskussionen über englische und britische Identität im Vordergrund steht. Die Beiträge rekrutieren sich aus unterschiedlichen Fachrichtungen, wobei zumindest die Hälfte vorrangig der Literaturwissenschaft zuzurechnen ist.

Eine Stärke der meisten Beiträge liegt sicherlich darin, dass nicht nur eine Synthese von Globalem und Lokalem, von Äußerem und Innerem versucht wird, sondern ebenso eine „conflation“ von Vergangenheit und Gegenwart. Aktuelle Bezüge und die Thematisierung gegenwärtiger Argumentationsmuster finden sich nämlich nicht nur in den Artikeln des zweiten Teils, sondern auch in einigen Beiträgen, die sich eigentlich mit dem Zeitalter des Imperialismus beschäftigen. So belegt Enda Duffy zunächst, wie sehr der im 19. Jahrhundert entstehende irische Nationalismus von britischen Irlanddiskursen geprägt wurde, die sich ihrerseits parallel zu den britischen Afrikadiskursen entwickelten, und stellt dann anhand irischer Literatur von James Joyce bis William Trevor aber auch dar, wie der die Basis für das irische Selbstverständnis bildende „imperial race discourse“ (S. 42) auch in Repräsentationen von Britishness reflektiert wurde. Auch Vivian Bickford-Smith beschränkt sich bei der Analyse konkurrierender Definitionen von Englishness (als Synonym für Britishness) in Südafrika nicht auf das 19. und frühe 20. Jahrhundert, sondern bezieht auch die Reflektionen des „implicitly former black Englishman“ (S. 68) Nelson Mandela ein.

Auch über Artikelgrenzen hinweg können sich interessante Linien für den Leser ergeben, die dem ersten Eindruck eines unkoordinierten Sammelsuriums entgegenwirken. Ein Beispiel ist die Bedeutung von Reisepässen: Während Prem Poddar am Beispiel der Königinmutter von Oude, die 1857 um britische Papiere bat, deutlich macht, wie der Reisepass von einem Instrument zur Sicherung der Reisefreiheit zu einem Mittel nationaler Inklusion und Exklusion wurde, spielt ein britischer Pass als „signifier of Britishness“ (S. 121) auch als Ausgangspunkt von Sheila Ghoses Problematisierung von Zugehörigkeitsgefühlen anhand zweier Texte Hanif Kureishis eine wichtige Rolle. Auch die mal mehr, mal weniger betonten ethnischen Determinanten der Konzepte Englishness und Britishness tauchen in verschiedenen Beiträgen auf: Nicht nur in den schon erwähnten Artikeln von Duffy, Bickford-Smith und Poddar, sondern auch in Bridget Byrnes Auswertung von Interviews zum Thema „Englishness, Britishness, and Whiteness“ und in Colin Wrights Analyse von Enoch Powells berüchtigter „Rivers of Blood“-Rede und Robin Cooks sogenannter „Chicken Tikka Masala“-Rede. Gerade dieser Beitrag macht deutlich, wie selbst die so entgegengesetzten Verständnisse der beiden Politiker von Britishness/Englishness den britischen Imperialismus wenn auch auf sehr unterschiedliche Art und Weise ausklammern. Die Metropole London ist ein weiterer roter Faden, der sich nicht nur in Graham MacPhees Interpretation von Joseph Conrads The Secret Agent (1907) als durch die irische politische Gewalt seiner Zeit geprägtem Roman, sondern auch als alternativer Referenzpunkt für Identitäten in Byrnes Studie und in besonderer Weise in Matthew Harts Beitrag zum British Memorial Garden in New York City wiederfindet. Der Memorial Garden soll an die britischen Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 erinnern und bedient sich hierzu mit der Darstellung der britischen Grenzen von 1707 auf der einen und der Betonung der Metropole London und der neoliberalen Beziehungen zu New York auf der anderen Seite eines ganz eigenen Bildes britischer Identität.

Wünschenswert wäre gewesen, dass die Herausgeber die angedeuteten Querverbindungen selbst hergestellt hätten. Auch eine Verortung der einzelnen Beiträge in der Diskussion zur Abgrenzung von Britishness und Englishness, mit der einige Autoren trotz MacPhees und Poddars Kritik an Kumar teilweise operieren, wäre dem Zusammenhalt der einzelnen Beiträge zuträglich. Zudem ist einigen Beiträgen wie dem von Geoffrey Nash zum „Counter-Orientalist Discourse“ einiger englischer Reisender im 19. Jahrhundert durchaus der Vorwurf einer fehlenden Zuspitzung auf das Kernthema der Publikation – Englishness/Britishness – zu machen. Ärgerlich sind außerdem Fehler wie Verwechslungen und falsche Schreibweisen bei den Namen zitierter Autoren (z.B. S. 21, 140, 141, 208). Nicht den Autoren/Herausgebern aber wohl dem Verlag sind die an vielen Stellen auftretenden Formatierungsprobleme bei Kursivdruck und bei Zeilenabständen (z.B. S. 7, 11, 30, 91) anzulasten. Dies lässt den Eindruck der Flüchtigkeit und eines vornehmlich dem Publikationsdruck an den Hochschulen geschuldeten Werkes entstehen. Das ist schade, ist doch das Anliegen des Bandes so wichtig und richtig. Empire and After: Englishness in Postcolonial Perspective macht deutlich, dass die Berücksichtigung des Empires und seiner Konsequenzen in der gegenwärtigen wissenschaftlichen und politischen Diskussion nationaler Identitäten in Großbritannien nicht nur hilfreich und interessant, sondern unbedingt notwendig ist.

Anmerkungen:
1 Um nur eine kleine Auswahl zu nennen: Colley, Linda, Britons. Forging the Nation 1707-1837, New Haven 1992; Colls, Robert, Identity of England, Oxford 2002; Easthope, Antony, Englishness and National Culture, London 1999; Langford, Paul, Englishness Identified. Manners and Characters 1650-1850, Oxford 2000; Paxman, Jeremy, The English. A Portrait of a People, London 1999.
2 Kumar, Krishan, English and British National Identity, in: History Compass 4 (2006) 3, S. 428-447, hier S. 429.
3 Dies ist allerdings ein Aspekt, der nicht nur von vielen Wissenschaftlern in den letzten Jahren durchaus aufgegriffen wurde (vgl. z.B. Hickman, Mary, A new England through Irish eyes? in: Chen, Selina; Wright, Tony (Hgg.), The English Question, London 2000, S. 96-110), sondern der auch schon vom viktorianischen Historiker J. R. Seeley berücksichtigt wurde. So heißt es in seinem 1883 erschienenen Werk The Expansion of England: ‘the history of England is not in England but in America and Asia’ (vgl. Kumar, English and British National Identity, S. 440, Anm. 5).
4 Vgl. Baucom, Ian, Out of Place. Englishness, Empire and the Locations of Identity, Princeton 1999; Gikandi, Simon, Maps of Englishness. Writing Identity in the Culture of Colonialism, New York 1996; Kumar, Krishan, The Making of English National Identity, Cambridge 2003.

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30.05.2008
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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