Themenportal „Europäische Geschichte“ (18.-21. Jh.): Newsletter 07/2015

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Siegrist, Hannes - Universität Leipzig

Themenportal Europäische Geschichte

Liebe Leserinnen und Leser von H-Soz-Kult,

nachfolgend finden Sie eine Aufstellung der im Juni 2015 neu ins Themenportal Europäische Geschichte eingestellten Artikel, Essays, Materialen und Quellenauszüge.

Essays und Artikel:

Berlinghoff, Marcel: Zwischen Einwanderung und Zwangsrotation. Europäische Migrationspolitik zum Ende des 'Booms' (1972-1975).
Abstract:
Das exorbitante Wirtschaftswachstum, das die westeuropäischen Industriestaaten in den 1950er- bis 1970er-Jahren erlebten, wurde von einer umfangreichen Arbeitsmigration begleitet, die diesen Teil des Kontinents zu einer Einwanderungsregion machte. Hatte im 19. und frühen 20. Jahrhundert noch die Auswanderung nach Übersee dominiert, so zogen nun vermehrt nicht nur Arbeitskräfte aus den agrarisch geprägten Peripherien innerhalb sondern zunehmend auch Menschen von außerhalb des Kontinents in die Industriezentren Europas. Verbesserte Verkehrsverbindungen und imperiale Freizügigkeitsregime sorgten zudem dafür, dass koloniale und postkoloniale Mobilität zunehmend auch Einwohnern der (ehemaligen) Kolonien möglich war, die nicht als „europäisch“ oder „weiß“ galten: Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in dem Soldaten aus den Kolonien für die Interessen ihrer „Mutterländer“ gekämpft hatten, verstärkt aber im Zuge der Dekolonisation, kamen so Menschen aus den wirtschaftlich schwachen, lange kolonial beherrschten Gebieten Asiens, Afrikas sowie Mittel- und Südamerikas in die Metropolen. Dabei wurden „Rückkehr“, Schutz und Zuwanderung verschiedener Gruppen in den ehemaligen Kolonialmächten Frankreich, Belgien, Niederlande und dem Vereinigten Königreich sehr unterschiedlich diskutiert und politisch gerahmt.
Während sich die spezifischen Migrationsregime der einzelnen Staaten Westeuropas abhängig von traditionellen Migrationsbeziehungen sowie kolonialen, ethnischen oder arbeitsmarktbezogenen Freizügigkeitsbestimmungen zwar zum Teil deutlich voneinander unterschieden, einte sie das migrationspolitische Prinzip der ‚Gastarbeit‘ bzw. der Rotation. Ausländische Arbeitskräfte wurden von Unternehmen, privaten Vermittlern und staatlichen Behörden angeworben oder suchten sich mit Hilfe von Migrationsnetzwerken und auf eigene Faust Arbeitsstellen, um dort für eine begrenzte Zeit zu arbeiten, anschließend wieder zurückzukehren oder weiterzuwandern. Eine dauerhafte Niederlassung war häufig weder beabsichtigt noch erlaubt und die beteiligten staatlichen Akteure bemühten sich mit wechselndem Elan und Erfolg diese ‚freiwillige Rotation‘ zu kontrollieren und zu steuern. ….
In: Themenportal Europäische Geschichte (2015), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2015/Article=730>.

Marx, Christian: Multinationale Unternehmen in Westeuropa seit dem Ende des Booms. Von der deutsch-französischen Kooperation zwischen Hoechst und Roussel Uclaf zu Sanofi-Aventis (1968-2004).
Abstract:
Als Jean-Jaques Servan-Schreiber 1968 vor der amerikanischen Herausforderung – Le Défi américain – warnte, zielte er weniger auf die technologische Überlegenheit der US-Firmen, vielmehr richtete er sein Augenmerk auf die Eroberung zentraler europäischer Industriestrukturen durch US-Konzerne. Demnach bestand die Gefahr, dass in der Rangfolge der industriellen Weltmächte nach den USA und der Sowjetunion bald nicht mehr die europäischen Staaten, sondern die US-Unternehmen in Europa auf Platz drei stünden. Diskussionen über das Für und Wider amerikanischer Direktinvestitionen in Westeuropa waren nicht neu, gleichwohl hatte deren Bestand seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1958 stark zugenommen. In einigen Schlüsselbereichen des technisch-industriellen Fortschritts nahmen US-Unternehmen schon Mitte der 1960er-Jahre in Europa eine beherrschende Stellung ein. Das Buch verdeutlichte damit die Notwendigkeit einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Westeuropa, wenn man sich nicht vollständig in die Abhängigkeit der USA begeben wollte.
Mit seiner These erreichte Servan-Schreiber ein breites Publikum. Dabei kann die dem Buch zuteil gewordene hohe Aufmerksamkeit vor dem Hintergrund fallender ökonomischer Wachstums- und Beschäftigungszahlen am Ende des Booms mit einer Mischung aus tagespolitischer Aktualität, latentem Antiamerikanismus und Bedenken gegenüber der Macht multinationaler Konzerne erklärt werden. In einer Serie des Magazins Der Spiegel wurde 1974 ebenfalls vor der „Macht der Multis“ gewarnt, die sich aufgrund ihrer nationalen Ungebundenheit rechtlichen Sanktionen entziehen und sowohl souveräne Staaten als auch einzelne Gewerkschaften gegeneinander ausspielen könnten. Obwohl die Spiegel-Serie vor allem Konzerne mit ausländischen Mutterunternehmen ins Visier nahm – besonders Ölkonzerne wie BP, Shell oder Texaco –, wurde hier bereits auf den Kauf eines amerikanischen Anilinwerks durch den deutschen Chemiefabrikanten Friedrich Bayer im Jahr 1865 verwiesen. Multinationale Unternehmen und ausländische Direktinvestitionen waren somit kein Novum der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, auch wenn ihre Bedeutung hier deutlich zunahm. Deutsche Firmen hatten schon im 19. Jahrhundert ausländische Distributionswege erschlossen und Produktionskapazitäten aufgebaut. Zwar enteigneten die Alliierten nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg zahlreiche deutsche Unternehmen im Ausland, dennoch gelang es der westdeutschen Industrie in den Boomjahren nach 1945 wieder Fuß auf dem Weltmarkt zu fassen. ….
In: Themenportal Europäische Geschichte (2015), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2015/Article=728>.

Materialien und Quellenauszüge:

Heyden, Helmut: Diskussion über die Ausländerbeschäftigung in Europa (Januar 1973). In: Themenportal Europäische Geschichte (2015), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2015/Article=731>.

Stratégie Internationale. Hoechst-Roussel Uclaf (1968–1988). In: Themenportal Europäische Geschichte (2015), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2015/Article=729>.

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Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Hannes Siegrist (Leipzig), Sprecher des Herausgeberkollegiums

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