Themenportal „Europäische Geschichte“ (18.-21. Jh.): Newsletter 05/2015

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Siegrist, Hannes - Universität Leipzig

Themenportal Europäische Geschichte

Liebe Leserinnen und Leser von H-Soz-Kult,

nachfolgend finden Sie eine Aufstellung der im April 2015 neu ins Themenportal Europäische Geschichte eingestellten Artikel, Essays, Materialen und Quellenauszüge.

Essays und Artikel:

Griesebner, Andrea: Auf ewig Dein? Das Institut der Scheidung von Tisch und Bett.
Abstract:
Am 28. Oktober 1782 verhandelten die kirchlichen und weltlichen Räte des Konsistoriums der Erzdiözese Wien den Ehekonflikt von Regina Hoferin und Johann Karl Hofer. Von diesem und anderen Eheverfahren wissen wir, weil bei der „Tagsatzung“, wie die mündlichen Verhandlungen des Kirchengerichts genannt wurden, der Notar des Gerichts Protokoll führte und die Protokolle entweder als Rapulatur, das heißt als Abschrift für den Gebrauch, oder aber in Reinschrift und zu dicken Folianten gebunden im Archiv der Erzdiözese Wien erhalten sind. Die lokal adaptierten Regeln des romanisch-kanonischen Prozessrechts sahen auch beim vereinfachten summarischen Prozess – welcher in Ehekonflikten meist zur Anwendung kam –, eine Kombination aus schriftlichen und mündlichen Verfahrensschritten vor. Die Klageschrift war schriftlich einzureichen. Die Replik konnte schriftlich oder auch nur mündlich bei der Tagsatzung, wie mündliche Verhandlungen in Österreich bis heute bezeichnet werden, erfolgen, bei welcher die Konfliktparteien bzw. deren Anwälte die in den Schriftsätzen vorgebrachten Argumente wiederholten. Eine besonders wertvolle historische Quellengruppe sind die Konsistorialprotokolle nicht zuletzt deshalb, weil die schriftlich eingereichten Texte nicht mehr überliefert sind, die Eheverfahren sich nur noch anhand der Konsistorialprotokolle rekonstruieren lassen.
Im Folgenden soll das sehr ausführlich protokollierte Eheverfahren von Regina Hoferin im Zentrum der Betrachtung stehen. Daran anschließend wird der Frage nachgegangen, wie repräsentativ dieses Scheidungsverfahren ist. Dazu werde ich den Blick auf alle Eheverfahren ausweiten, welche das Wiener Konsistorium zwischen dem 1. Jänner 1772 und 31. Oktober 1783 verhandelte. Mit dem 1. November 1783 endete die ehegerichtliche Zuständigkeit des Wiener Konsistoriums. Das Josephinische Ehepatent hatte die Jurisdiktion in Ehesachen an die Partrimonialgerichte bzw. in den Städten und Märkten an die Magistrate überantwortet. Ein kurzes Resümee und ein Ausblick auf die Änderungen in der Ehegesetzgebung nach 1783 runden den Beitrag ab. ….
In: Themenportal Europäische Geschichte (2015), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2015/Article=720>.

Brunnbauer, Ulf: Der Staat und die Emigranten. Auswanderungspolitik und Nationsbildung im südöstlichen Europa vor dem Ersten Weltkrieg.
Abstract:
Am Beginn des 20. Jahrhunderts kamen die Abgeordneten des Landtags (Sabor) des Königreichs Kroatiens, Slawoniens und Dalmatiens einige Male auf das Thema Emigration zu sprechen. Dies war nicht weiter verwunderlich angesichts der Dimension der Amerikaauswanderung aus Kroatien. Gemäß der offiziellen Emigrationsstatistik wanderten von 1899 bis 1914 rund 207.000 Menschen aus Kroatien aus, davon mehr als 170.000 nach Nordamerika, wobei noch viel mehr Emigrationspässe ausgestellt wurden. Kroatien stand damit nicht alleine, sondern spiegelte den Gesamttrend der Habsburger Monarchie wider, die Anfang des 20. Jahrhunderts zum wichtigsten Sendeland von Einwanderern in die USA geworden war. Mehrfach forderten Abgeordnete des kroatischen Landtags die Landesregierung mit Interpellationen auf, in das Emigrationsgeschehen einzugreifen. So auch die beiden Abgeordneten Dr. Franko Potočnjak aus dem Wahlbezirk Bakar an der Adriaküste und Ante Pinterović, der die Stadt Osijek, im Osten des Landes, vertrat. Ihre Anfragen erfolgten zu Beginn der Massenauswanderung (1900) sowie zu einem Zeitpunkt, zu dem sie sich auf hohem Niveau stabilisiert hatte (1910).
Potočnjak und Pinterović artikulierten nicht nur spezifische Forderungen an die Landesregierung, sondern Haltungen, die typisch waren für den politischen, aber auch medialen Diskurs über Emigration in Kroatien und anderswo in Europa in jener Zeit. Emigration wird als Problem präsentiert, gegen das der Staat etwas unternehmen soll. Es ist von „Schädigung“ und Verlusten“ durch die Emigration für das „Volk“ und das „Land“ die Rede; die Not der Emigranten wird betont, die des Schutzes und der Hilfe durch den Staat bedürfen. Amerika wird als Ort geschildert, an dem den Emigranten großes moralisches und ökonomisches Unheil drohe. Ein serbischer Politiker in Kroatien, Lazar Horvat, sprach in einer Rede im Jahr 1912 sogar davon, dass „Amerika das Grab unseres Volkes, sein neues Kosovo, sein Abgrund, und nicht seine Rettung“ sei. ….
In: Themenportal Europäische Geschichte (2015), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2015/Article=722>.

Materialien und Quellenauszüge:

Protokolle des Eheverfahrens von Regina Hoferin (1782/1783). In: Themenportal Europäische Geschichte (2015), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2015/Article=721>.

Anfragen der Abgeordneten Dr. Franko Potočnjak (1900) und Dr. Ante Pinterović (1910). In: Themenportal Europäische Geschichte (2015), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2015/Article=723>.

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Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Hannes Siegrist (Leipzig), Sprecher des Herausgeberkollegiums

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