Themenportal „Europäische Geschichte“ (18.-21. Jh.): Newsletter 09/2014

By
Siegrist, Hannes - Universität Leipzig

Themenportal Europäische Geschichte

Liebe Leserinnen und Leser von H-Soz-Kult,

nachfolgend finden Sie eine Aufstellung der im August 2014 neu ins Themenportal Europäische Geschichte eingestellten Artikel, Essays, Materialen und Quellenauszüge.

Essays und Artikel:

Troebst, Stefan: Belgrad, Dezember 1946: Der letzte Slavenkongress.
Abstract:
Seit dem Überfall durch das nationalsozialistische Deutschland reaktivierte die Führung der UdSSR neben dem „Sowjetpatriotismus“ und der Orthodoxie auch das „Slaventum“ in Gestalt des Allslavischen Komitees in Moskau – mit historisierenden Rückgriffen auf den ersten Slavenkongress von 1848 im damals habsburgischen Prag, nicht hingegen auf den zarischen Panslavismus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Auch nach 1945 sollte dieser Bezugsrahmen gemäß sowjetischer Planung seine Bedeutung beibehalten, vor allem mit Blick auf die jetzt kommunistischen Bündnispartner Jugoslawien und Polen, aber auch auf die bürgerlich-demokratische Tschechoslowakei und sogar auf Bulgarien, das zwar ein Verliererstaat des Zweiten Weltkriegs war, jedoch ein in Stalinisierung begriffener.
Der Belgrader Slavenkongress vom Dezember 1946 war als qualitativer Sprung der von Moskau gesteuerten „neuen slavischen Bewegung“ konzipiert: Ein Gesamtslavisches Komitee mit Sitz in der jugoslawischen Hauptstadt sollte künftig als europäische wie globale Koordinationsinstanz fungieren. Doch bereits während der Vorbereitung kam es zu sowjetisch-jugoslawischen Friktionen, im Zuge derer die Sollbruchlinie zwischen den sowjetischen und den jugoslawischen Kommunisten, entlang der es dann 1948 zum offenen Bruch kam, deutlich wurde: Tito und Djilas wähnten sich auf gleicher Augenhöhe mit Stalin, hatten „die Völker Jugoslawiens“ sich doch gleich denjenigen der Sowjetunion (fast) ohne fremde Hilfe vom „faschistischen Joch“ befreit. Entsprechend selbstbewusst trat die jugoslawische Führung sowohl in der kommunistischen Weltbewegung und in der europäischen Politik – gegenüber Griechenland, Albanien, Italien und Österreich – als auch und gerade im „slavischen“ Kontext auf: Der Konflikt mit Moskau war vorprogrammiert, das Gesamtslavische Komitee entsprechend eine Totgeburt. Nach dem Tito-Stalin-Bruch spielten weder Moskau noch Belgrad weiter die „slavische Karte“. Die jugoslawischen Kommunisten setzten jetzt auf die Bewegung der Blockfreien, die sowjetischen auf den „proletarischen Internationalismus“. ….
In: Themenportal Europäische Geschichte (2014), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2014/Article=695>.

Metzler, Gabriele: "Denen mußte es mal gezeigt werden". Antiterrorpolitik als Politik der Männlichkeit. Beitrag zum Themenschwerpunkt "Europäische Geschichte – Geschlechtergeschichte".
Abstract:
Am 24. April 1975 drangen sechs Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) in das Botschaftsgebäude der Bundesrepublik in Stockholm ein. Mit zwölf Geiseln in ihrer Gewalt forderten sie die Bundesregierung ultimativ auf, ihre inhaftierten Gesinnungsgenossen – 26 verurteilte oder angeklagte RAF-Mitglieder wurden genannt, unter ihnen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Jan Carl Raspe – freizulassen. Andernfalls, so ihre Drohung, würden sie im Gebäude mehrere Tonnen TNT zur Explosion bringen. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen und den Ernst ihrer Absichten zu unterstreichen, verletzten sie den deutschen Militärattaché Andreas von Mirbach so schwer, dass er noch am selben Tag seinen Verletzungen erlag; als die Bundesregierung auch dann eine Freilassung ablehnte, erschossen sie den Wirtschaftsattaché Heinz Hillegaart. Kurz bevor die schwedische Polizei das Gebäude stürmen konnte, explodierte die mitgebrachte Sprengladung, einer der Geiselnehmer, Ulrich Wessel, starb an Ort und Stelle, ein weiterer, Siegfried Hausner, zehn Tage später.
Anders als noch im Vormonat, als sie angesichts der Entführung des CDU-Politikers Peter Lorenz die Forderungen der linksextremistischen „Bewegung 2. Juni“ nach Freilassung inhaftierter Terroristen erfüllt hatte, zeigte sich die Bundesregierung im Fall der Botschaftsbesetzung unnachgiebig. Insbesondere Bundeskanzler Helmut Schmidt gab in aller Deutlichkeit zu verstehen, dass an Verhandlungen mit den Geiselnehmern nicht zu denken sei, und an ein Einlenken seitens der Regierung schon gar nicht. Vier Tage nach dem Ende des Stockholmer Dramas erschien im Nachrichtenmagazin Der Spiegel ein Interview mit Schmidt, in dem er die Richtigkeit dieses Kurses betonte und ihm eine „mutige Entscheidung“ zugrunde liegen sah. Mit dem Fall Lorenz sei die Geiselnahme in der Botschaft nicht zu vergleichen, erläuterte er, aus operativen Gründen nicht und weil zudem nun die Freilassung der ersten Garde der RAF erpresst werden sollte, von der noch immer eine „Gefährdung der Allgemeinheit“ ausgehe. ….
In: Themenportal Europäische Geschichte (2014), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2014/Article=697>.

Materialien und Quellenauszüge:

Aufruf des ersten Nachkriegs-Slavenkongresses an die slavischen und alle freiheitsliebenden Völker der Welt (11. Dezember 1946). In: Themenportal Europäische Geschichte (2014), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2014/Article=696>.

Spiegel-Interview mit Bundeskanzler Helmut Schmidt (April 1975). Veröffentlicht im Rahmen des Themenschwerpunkts "Europäische Geschichte – Geschlechtergeschichte". In: Themenportal Europäische Geschichte (2014), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2014/Article=698>.

Das Themenportal Europäische Geschichte veröffentlicht seit 2006 unter der Adresse <http://www.europa.clio-online.de> Materialien (Textdokumente, Statistiken, Bilder und Karten), Darstellungen und Debatten zur Geschichte Europas und der Europäer/innen vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Nutzerinnen und Nutzer, die gerne mit eigenen Beiträgen mitwirken möchten, werden um Vorschläge gebeten. Schreiben Sie bitte an die Redaktion <clio.europa-redaktion@geschichte.hu-berlin.de>. Über die Auswahl und Annahme von Beiträgen entscheidet das Herausgeberkollegium aufgrund eines unkomplizierten Evaluationsverfahrens. Weitere Informationen zur Zielstellung und Konzeption des Projektes finden Sie auf den Webseiten des Projektes.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Hannes Siegrist (Leipzig), Sprecher des Herausgeberkollegiums

Prof. Dr. Martin Baumeister (Rom) – Prof. Dr. Ewald Frie (Tübingen) – Prof. Dr. Madeleine Herren (Heidelberg) – Prof. Dr. Rüdiger Hohls (Berlin) – Prof. Dr. Konrad Jarausch (Berlin, Chapel Hill) – Prof. Dr. Hartmut Kaelble (Berlin) – Prof. Dr. Maren Möhring (Leipzig) – Prof. Dr. Gabriele Metzler (Berlin) – Prof. Dr. Matthias Middell (Leipzig) – Prof. Dr. Alexander Nützenadel (Berlin) – Prof Dr. Iris Schröder (Erfurt) – Prof. Dr. Stefan Troebst (Leipzig) – Prof. Dr. Jakob Vogel (Paris) – Prof. Dr. Michael Wildt (Berlin)