Themenportal „Europäische Geschichte“ (18.-21. Jh.): Newsletter 12/2013

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Siegrist, Hannes - Universität Leipzig

Themenportal Europäische Geschichte

Liebe Leserinnen und Leser von H-Soz-Kult,

nachfolgend finden Sie eine Aufstellung der im November 2013 neu ins Themenportal Europäische Geschichte eingestellten Artikel, Essays, Materialen und Quellenauszüge.

Essays und Artikel:

Lammers, Anne: Daten für das "Europa der Sechs". Sozialstatistiken für die Europäischen Gemeinschaften der 1950er- und 1960er-Jahre.
Abstract:
Was für die französischen Arbeiterfamilien in der Eisen- und Stahlindustrie der Wein, ist für die Deutschen der Branntwein. Während die Italiener am liebsten Spaghetti essen und der Luxemburger am meisten Fleisch verzehrt, zieht der Saarländer Kartoffeln vor. Und die Niederländer lieben ihre Milch so sehr, dass sie sie am liebsten direkt aus der Flasche trinken, während sich der Belgier mit reichlich Kaffee durch den Tag bringt. So ließe sich zugespitzt eine grafische Darstellung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) von 1956/57 beschreiben, die als Teil einer umfangreichen Statistik über die Lebensbedingungen von Arbeiterfamilien in der Montanindustrie erschien. Als 1963/64 in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) eine zweite Studie dieser Art durchgeführt wurde, hatten sich der Erhebungsbereich sowie die Parameter zur Bestimmung des Lebensniveaus verändert. Als am ehesten aussagekräftig für unterschiedliche Lebensstandards wurde nun die materielle Ausstattung der Haushalte mit langlebigen Konsumgütern angesehen, wobei zwischen landwirtschaftlichen Haushalten und denen von Lohn- und Gehaltsempfängern unterschieden wurde. Langlebige Konsumgüter konnten den Umfang und die Zusammensetzung der Ernährung als Indikator für das Lebensniveau zwar nicht ersetzen, galten nun jedoch als unbedingt zu berücksichtigende Faktoren, um zu einem genauen Bild unterschiedlicher Lebensstandards zu gelangen. Demnach besaß knapp die Hälfte der deutschen Lohn- und Gehaltsempfänger einen Fernseher, bei deutschen Landwirten war dieses Unterhaltungsmedium in weniger als einem Fünftel aller Haushalte vorzufinden. In Frankreich leisteten sich nur ein Viertel aller landwirtschaftlichen Haushalte einen Kühlschrank, während immerhin mehr als die Hälfte der Haushalte mit Lohn- und Gehaltsempfängern die Vorzüge eines solchen Gerätes genießen konnten. Und während 20 Prozent der italienischen Lohn- und Gehaltsempfänger über eine Waschmaschine verfügten, besaßen nur magere zwei Prozent der italienischen Landwirte diese Haushaltshilfe. Auch in den Benelux-Ländern Belgien, Luxemburg und den Niederlanden lassen sich Beispiele für die abweichende Ausstattung landwirtschaftlicher und nicht-landwirtschaftlicher Haushalte finden. ….
In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=665>.

Hein-Kircher, Heidi: Zur Emotionalisierung von Politik. Führer-Kulte als Mittel zur Mobilisierung von Massen.
Abstract:
„Wódz“, „Tautas vada“, „Caudillo”, „Duce“, „Conducător“, „Vožd‘“ als landessprachliche Varianten des „Führer“-Begriffs weisen darauf hin, dass Führer-Kulte (nicht nur) ein Phänomen im Europa des 20. Jahrhunderts waren und in zahlreichen Staaten etabliert worden sind. Führer-Kulte waren (und sind) die charakteristischste Form politischer Kulte und prägten nachhaltig die politische Kultur gerade der autoritären und totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts, während andere Personenkulte, beispielsweise der um Evita Péron zu deren Lebzeiten, eher eine Stellvertreterfunktion wahrnehmen und Personenkulte um Verstorbene auf die gegenwärtig Herrschenden hin ausgerichtet werden, wie etwa im Fall des Lenin-Kultes. Ihre spezifische Wirksamkeit entfalten sie dadurch, dass sie in emotional eindringlicher Weise wirken und so die Teilhabenden zu einer Gemeinschaft zusammenschweißen. Sie sind aber allesamt ein Hinweis auf ein wie auch immer geartetes diktatorisches System, da sie die Herrschaft auf den „Führer“ hin fokussieren und so einen Herrschaftsanspruch verdeutlichen.
Ausgangslage für die historische Forschung zu politischen Kulten ist die Frage, welche Funktionen und Bedeutung diese für ein diktatorisches Regime annehmen. Als erste Studien entstanden zunächst Beschreibungen der „großen Führer-Kulte“ um Hitler und Stalin im Rahmen von Studien zum Nationalsozialismus und Stalinismus, die eine Grundlage für weitere Forschungen boten. Die Verwendung der Begriffe „Personenkult“ bzw. einfach nur „Kult“ basierte aber noch auf einer kritisch-ablehnenden Charakterisierung des jeweiligen Systems, ohne dass die Verehrung bzw. deren Ursachen und Funktionen für die jeweilige Gemeinschaft tiefgehender wissenschaftlich beforscht und „politischer Kult“ als Analysekategorie verstanden worden wären. Erst moderne kulturwissenschaftliche Ansätze ermöglichten es am ausgehenden 20. Jahrhundert diese vertiefend aufzugreifen und „politischen Kult“ als Forschungsperspektive zu sehen, um die Legitimation, Integration und Identität von „vorgestellten Gemeinschaften“ (Benedict Anderson) insbesondere in diktatorischen Systemen zu erklären. Politische Kulte als typisches Herrschaftszeremoniell gerade von autoritären und totalitären Systemen sind damit als wissenschaftlicher Analysehorizont zu verstehen, vor dem erst politische Kulturen und Systeme sowie Erinnerungskulturen verständlich werden. ….
In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=669>.

Aus dem Band „Kultur und Beruf in Europa“, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2012:

Troebst, Stefan: Karrierekatalysator Pferd. Der Krakauer Schlachten- und Historienmaler Wojciech Kossak (1857–1942) als Staatskünstler des Deutschen Kaiserreiches und der Zweiten Polnischen Republik.
Abstract:
Zum Ende hin waren es Cowboys: In den Steppen Kaliforniens ist ein grellbuntes Ölgemälde betitelt, das der im habsburgischen Galizien als Adalbert Ritter von Kossak geborene 73-jährige polnische Malerfürst mit „Wojciech Kossak, California, Rancho del Garasson, 1930“ signiert hat. Es zeigt einen Reiter in befranster brauner Lederhose, blauer Jeansjacke, rotem Halstuch und weißem Stetson-Hut inmitten einer Herde wild galoppierender Pferde. Farblich wie vom Sujet her knüpfte Kossak damit an frühere Werke an, etwa an sein großformatiges dramatisches Ölgemälde Tscherkessen in der Krakauer Vorstadt von 1912, das ein knutenschwingendes, pelzbemütztes und im Wortsinne bis an die Zähne bewaffnetes kaukasisches Reiterschwadron zeigt, welches im Auftrag des Zaren unter Inkaufnahme ziviler Opfer rücksichtslos über die Hauptstraße des damals russischen Warschau prescht. Kossak verkörperte somit Zeit seines Lebens die ausgeprägte polnische Pferdekultur, deren Traditionslinie vom halbwilden Konik („Polenpony“) des Mittelalters über den polnischen Offizier Kazimierz Pułaski, US-amerikanischer General im Unabhängigkeitskrieg und „Father of the American Cavalry“, bis zum heutigen Staatsgestüt Janów Podlaski mit seiner alljährlichen weltberühmten Araber-Schau Pride of Poland führt.
Die Vorliebe, ja Obsession für Pferde- und Reiterbilder war bereits seit Kossaks Krakauer Gymnasiastentagen offenkundig: Parforce-Jagden und Pferdemärkte, später Kavallerieattacken und Porträts hoch zu Ross waren und blieben seine Leidenschaft wie Spezialität. Schon 1874, als 17-jähriger, veröffentlichte er eine mit Araberhengst betitelte Zeichnung in einer führenden Warschauer Kulturzeitschrift. Fast alle seine Selbstporträts zeigen ihn auf oder zumindest mit einem Pferd, und wegen seiner Reiterbilder von Napoleon, Tadeusz Kośiuszko oder den Generälen John Pershing, Maxime Weygand und Józef Haller ist er bis heute in Polen bekannt. Und ebenfalls auf fast allen seiner Bilder sind Pferde zu sehen, und sei es nur ein einzelnes totes. Unter seinen besonders populären Gemälden bildet lediglich ein einziges, nämlich das der polnischen „jungen Adler“ bei der Verteidigung des Lemberger Łyczakowski-Friedhof 1918 gegen Ukrainer, die regelbestätigende Ausnahme. ….
In: Themenportal Europäische Geschichte (2012), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=570>.

Materialien und Quellenauszüge:

Jährlicher Verbrauch an Nahrungs- und Genussmitteln pro Arbeiterfamilie in der Eisen- und Stahlindustrie der EGKS (1956/57) / „Hauptindikatoren des Lebensniveaus“ in der EWG: Die Ausstattung der Haushalte mit langlebigen Konsumgütern (1963/64). In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=666>.

Rede zum besonderen Anlass des 11. November gerichtet an jüngere Kinder / Aufruf zur Teilnahme an den Namenstagsfeierlichkeiten (November/März 1933). In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=670>.

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Prof. Dr. Hannes Siegrist (Leipzig), Sprecher des Herausgeberkollegiums

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