Themenportal „Europäische Geschichte“ (18.-21. Jh.): Newsletter 10/2013

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Siegrist, Hannes - Universität Leipzig

Themenportal Europäische Geschichte

Liebe Leserinnen und Leser von H-Soz-Kult,

nachfolgend finden Sie eine Aufstellung der im September 2013 neu ins Themenportal Europäische Geschichte eingestellten Artikel, Essays, Materialen und Quellenauszüge.

Essays und Artikel:

Bredebach, Patrick: Die sozialistische und sozialdemokratische Europapolitik in Italien und der Bundesrepublik zu Beginn der 1960er-Jahre.
Abstract:
Zu Beginn der 1960er-Jahresahen sich die Sozialdemokraten in der Bundesrepublik und die italienischen Sozialisten durch de Gaulle herausgefordert. Seine Vorstellungen eines Europas vom Atlantik bis zum Ural und der Position Frankreichs innerhalb der NATO sowie der europäischen Organisationen waren von seinem Anspruch nach der grandeur Frankreichs geprägt. Die Größe Frankreichs im Rahmen des Kalten Krieges bestätigt zu sehen war sein Ziel. Folglich konnten seine Schritte und Entscheidungen nicht immer von den westlichen Partnern akzeptiert werden. Die Ablehnung der Europapolitik de Gaulles bestärkte die Sozialisten in Italien, den PSI, und die Sozialdemokraten in der Bundesrepublik Deutschland, die SPD, in dem bereits eingeschlagenen Weg, nach der Zurückweisung der ersten europäischen Institutionen zu Beginn der 1950er-Jahre nun die europäische Integration und die geschaffenen Institutionen zu stützen. Die Reaktion auf de Gaulle war somit ein Indikator für die Entwicklung der europapolitischen Vorstellungen beider Parteien. Sie hatten sich in beiden Staaten vor dem Hintergrund der faschistischen Diktaturen und des Neuanfangs im Rahmen des Kalten Krieges entwickelt. Ferner sahen sich beide Parteien christdemokratisch dominierten Regierungen gegenüber, sodass sich die SPD und der PSI erst in ihrer Oppositionsrolle finden mussten und ihre politischen Forderungen, auch in der Europapolitik, zunehmend an veränderte gesellschaftliche Realitäten, wie das Wirtschaftswachstum, anpassen mussten. In Deutschland und Italien wurden zu Beginn der 1960er-Jahre Koalitionen mit den christdemokratischen Parteien möglich, wovon die Europapolitik maßgeblich beeinflusst wurde. Die Quellen, auf die sich dieser Essay bezieht, sind Beispiele für die Positionierung in der Europapolitik, die durch die Anforderungen durch de Gaulle nun klarer formuliert wurde. ….
In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=633>.

Aus dem Band „Kultur und Beruf in Europa“, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2012:

Jarausch, Konrad H.: "Wo man die stärkste Bindung fühlt": Zur Remigration von Historikern nach 1945.
Abstract:
Im Vergleich mit der offeneren Atmosphäre in England und Frankreich hatte die nationalsozialistische Vertreibung fortschrittlicher Historiker einen retardierenden Effekt auf die Entwicklung der deutschen Geschichtswissenschaft. Auch ohne die Zwangsemigration nostalgisch zu verklären, kann man feststellen, dass dieser Aderlass eine dynamische Minderheit der Forscher eliminierte, die nicht nur die Weimarer Republik unterstützt hatten, sondern auch neue methodologische Wege gegangen waren. Die teils populistisch von NS-Studenten betriebene, teils legalistisch von diversen Ministerien verordnete Exklusion unliebsamer Wissenschaftler verdrängte innovative Nachwuchsforscher wie Eckhart Kehr, demokratische Historiker wie Hajo Holborn und renommierte jüdische Gelehrte wie Aby Warburg. Dadurch bekamen die konservativen und nationalistischen Fachvertreter wieder Oberwasser und die jüngere Generation orientierte sich eher in Richtung einer Volksgeschichte, wodurch sie sich international weitgehend isolierte. Dieser intellektuelle Bruch erschwerte den Neuanfang nach 1945.
Für den Wiederaufbau der deutschen Geschichtswissenschaft war daher die Frage einer Remigration vertriebener Forscher von zentraler Bedeutung. In der sowjetischen Besatzungszone versuchte die Zentralverwaltung für Volksbildung nicht nur den Verfolgten im Lande, sondern auch den Emigranten eine Chance zu geben am universitären Wiederaufbau mitzuwirken und dadurch vergangenes Unrecht wieder gut zu machen. Der Aufruf der ostdeutschen Zentralverwaltung für Volksbildung, auf den sich dieser Essay als Quelle bezieht, war eine pragmatische Reaktion auf den eklatanten Personalnotstand der Berliner Universität, die durch Kriegsverluste, Entnazifizierung und Weggang nach Westen etwa vier Fünftel ihres Lehrkörpers verloren hatte. Gleichzeitig war er aber auch ein ideologisches Signal, dass ein echter wissenschaftlicher Neubeginn unbelastete, kritische Wissenschaftler verlangte, die bereit waren an einer humanistisch-sozialistischen Umgestaltung der Hochschulen mitzuarbeiten. Da wegen des konservativen Anstrichs der Mehrheit der Professoren nur wenige Linke die entsprechenden akademischen Qualifikationen aufweisen konnten, bot dieser ostdeutsche Neuanfang vor allem nichthabilitierten Intellektuellen wie Jürgen Kuczynski oder Walter Markov einen Weg zu einer Professur. ….
In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=635>.

Löhr, Isabella: Fluchthilfe zur Rettung der Zunft: Die akademische Zwangsmigration in den 1930er-Jahren.
Abstract:
Europa als Wissensraum definierte und definiert sich bis heute besonders über die europäische Wissenschaftslandschaft und ihrer Institutionalisierung in Universitäten. Spätestens seit dem 18. Jahrhundert unterlagen diese einem fortlaufenden Prozess der Professionalisierung und der Bildung von Disziplinen, in dessen Verlauf das deutsche Modell der modernen Forschungsuniversität zum Vorbild avancierte. Auch wenn die Umsetzung dieses Modells europaweit jeweils anders verlief, lag dem Aufbau moderner Universitäten ein Bündel von Merkmalen zugrunde, das Walter Rüegg unter der Trias „Säkularisierung, Bürokratisierung, Spezialisierung“ zusammengefasst hat. Dazu gehörten die Formulierung eines öffentlichen Interesses an Wissenschaft sowie deren Finanzierung durch und Integration in eine nationale Bildungspolitik; eine zumindest relative Freiheit von Studium, Lehre und Forschung vor staatlichen oder kirchlichen Eingriffen; die Ermächtigung der Professoren, Diplome und andere akademische Grade zu verleihen, die das Nadelöhr für den Zugang zu akademischen Berufen bildeten; die Bindung der Lehrbefugnis an Promotion und Habilitation und damit an genau definierte Ausbildungsstufen; und schließlich die Entstehung wissenschaftlicher Disziplinen, Institute, Fachzeitschriften und Fachkongresse, die zu den zentralen Orten wissenschaftlicher Selbstverständigung wurden.
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 entzog diesem komplexen Gefüge aus Selbstbestimmung, Wettbewerb und institutioneller Unabhängigkeit die Grundlagen und läutete einen Prozess der De-Professionalisierung ein, der Wissenschaftler in Europa und Nordamerika alarmierte. Denn obwohl die Autonomie von Universitäten bereits zuvor durch eine zunehmende Abhängigkeit von öffentlicher Finanzierung und staatlicher Eingriffe in Berufungsverfahren geschwächt worden war, nahm das Ausmaß der Gleichschaltung mit der systematischen Abwertung von akademischen Titeln, der Einschränkung der Freiheit von Forschung und Lehre sowie der sukzessiven Aufhebung der Trennung von Staat und Universität eine neue Dimension an, die nicht nur von Wissenschaftlern in Deutschland als fundamentaler Angriff auf die akademische Produktion von Wissen und eine europäische Wissenskultur wahrgenommen wurde, der es entgegen zu treten galt. ….
In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=634>.

Materialien und Quellenauszüge:

Welches Europa? (19. April 1962) / Die Sorge um Europa (26. April 1963). In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=636>.

Aus dem Band „Kultur und Beruf in Europa“, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2012:

Aufruf: Gemaßregelte Dozenten sollen sich melden (29. Dezember 1945). In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=639>.

Memorandum on the Formation of the Society for the Protection of Science and Learning (1935). In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=638>.

Das Themenportal Europäische Geschichte veröffentlicht seit 2006 unter der Adresse <http://www.europa.clio-online.de> Materialien (Textdokumente, Statistiken, Bilder und Karten), Darstellungen und Debatten zur Geschichte Europas und der Europäer/innen vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Nutzerinnen und Nutzer, die gerne mit eigenen Beiträgen mitwirken möchten, werden um Vorschläge gebeten. Schreiben Sie bitte an die Redaktion <clio.europa-redaktion@geschichte.hu-berlin.de>. Über die Auswahl und Annahme von Beiträgen entscheidet das Herausgeberkollegium aufgrund eines unkomplizierten Evaluationsverfahrens. Weitere Informationen zur Zielstellung und Konzeption des Projektes finden Sie auf den Webseiten des Projektes.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Hannes Siegrist (Leipzig), Sprecher des Herausgeberkollegiums

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