Themenportal „Europäische Geschichte“ (18.-21. Jh.): Newsletter 04/2013

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Siegrist, Hannes - Universität Leipzig

Themenportal Europäische Geschichte

Liebe Leserinnen und Leser von H-Soz-Kult,

nachfolgend finden Sie eine Aufstellung der im März 2013 neu ins Themenportal Europäische Geschichte eingestellten Artikel, Essays, Materialen und Quellenauszüge.

Essays und Artikel:

Calic, Marie-Janine: Srebrenica 1995: ein europäisches Trauma.
Abstract:
Am Morgen des 11. Juli 1995 stürmten bosnisch-serbische Armee- und Polizeieinheiten nach tagelangem Beschuss die UNO-Schutzzone Srebrenica. Einen Tag später entstand ein Foto, das um die Welt ging: Es zeigt, wie der Kommandeur der niederländischen Blauhelmtruppe, Colonel Thom Karremans, dem serbischen General Ratko Mladić in die Augen sieht, beide ein Glas in der Hand. Man habe Sekt getrunken, sich zugeprostet, behauptete die Presse – was nicht stimmte. Mladić blickt forsch und herausfordernd, Karremans eher unsicher und bange.
Das Foto wurde zur Chiffre des Versagens der Staatengemeinschaft. Trotz internationaler Präsenz begannen serbische Streitkräfte und Spezialeinheiten kurz nach der Einnahme Srebrenicas das größte Kriegsverbrechen der europäischen Nachkriegsgeschichte, wo der UN-Sicherheitsrat 1993 eine Peacekeeping-Truppe stationiert hatte. Zwischen dem 13. und 19. Juli, in kaum einer Woche, ermordeten die bosnisch-serbische Armee sowie paramilitärische Spezialeinheiten planmäßig zwischen 7.000 und 8.000 muslimische Jungen und Männer. Etwa 25.000 Frauen, Kinder und Greise wurden aus der Enklave deportiert, die Stadt „ethnisch gesäubert“. Juristisch ist der Massenmord als Völkermord anerkannt. Insgesamt wurden während des mehr als dreijährigen Krieges in Bosnien-Herzegowina rund 2,4 Millionen Menschen vertrieben und etwa 100.000 getötet. Städte wurden belagert und mit Granaten beschossen, Moscheen und historische Architektur absichtsvoll zerstört. Dokumentiert nicht das Foto die vermeintliche Verbundenheit, in jedem Fall empörende Nähe der Beschützer mit den Angreifern? In jedem Fall wurde es „Synonym für Feigheit, Untätigkeit und Komplizenschaft mit Kriegsverbrechern“, wie die Süddeutsche Zeitung zum fünften Jahrestag des Massakers schrieb. „In diesem Bild verdichtete sich so vieles aus der bosnischen Tragödie: Die Kapitulation vor den Tätern, der Hohn gegenüber den Opfern, die Schuld des Westens, nicht eingegriffen zu haben angesichts massenhafter Vertreibungen und massenhafter Morde.“ ....
In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=603>.

Aus dem Band „Kultur und Beruf in Europa“, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2012:

Homann, Harald; Ott, Verena: Das Europa der Konsumenten: Konsumkultur, Konsumentenmoral und Kulturkritik um 1900 und 2000.
Abstract:
Im Zuge der Ausprägung kultur- und alltagshistorischer Fragestellungen, darauf hat Hannes Siegrist aufmerksam gemacht, wird auch die Geschichte des Konsums zunehmend auf der Ebene der dazugehörigen Aneignungs- und Deutungsprozesse untersucht. War der Konsum ursprünglich eher ein Thema der wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Forschung, werden seither auch deutungsorientierte Fragestellungen und Probleme der kulturellen Repräsentation durch Konsum, wie sie in den Sozialwissenschaften prominent sind, in die historische Forschung einbezogen. Je länger und intensiver unter dieser Perspektive geforscht wird, desto deutlicher wird, dass in modernen Gesellschaften die soziale Wirklichkeit einer permanenten Aushandlung unterliegt. Das gilt auch und gerade für den modernen Konsum. Lange Zeit hat die Forschung diese Aushandlungsprozesse auf der Achse einer idealtypischen Vorstellung von sozialen Modernisierungsprozessen als mehr oder weniger atavistische Kämpfe insbesondere antimoderner Strömungen gedeutet. Auch heute noch firmieren in vielen konsumhistorischen Darstellungen idealtypische Konsum- und Kulturkritiker als Repräsentanten elitärer oder kulturkonservativer Außenseiterpositionen, die sich gegen den Lauf der Dinge stemmen.
Durch solche vereinfachten und plakativen Darstellungen wird allerdings der Blick darauf verstellt, dass es bereits um 1900 nicht nur vereinzelte Auseinandersetzungen mit dem Phänomen des Konsums gab. Vielmehr entstanden und institutionalisierten sich mit den sich selbst so nennenden Käuferligen zunehmend europaweit vernetzte Bewegungen, die die soziale Realität des Konsums wahrnahmen und akzeptierten, zugleich aber einer diskursiven Ordnung unterwerfen wollten, die nicht von einer unabänderlichen Naturwüchsigkeit sozialer Prozesse überzeugt war. ....
In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=575>.

Müller, Dietmar: Die Institutionalisierung sozialwissenschaftlichen Wissens in der Zwischenkriegszeit: Das Rumänische Sozialinstitut und der Verein für Socialpolitik.
Abstract:
Nach dem Ersten Weltkrieg standen die Staaten Ostmittel- und Südosteuropas unter erheblichem Druck, den Charakter ihrer Staatlichkeit den Herausforderungen anzupassen, die durch Prozesse der Industrialisierung und Urbanisierung sowie durch Agrarreformen und das allgemeine (Männer-)Wahlrecht entstanden waren. In Gestalt von Industriearbeitern und Grund besitzenden Kleinbauern hatten die Massen die Bühne betreten, auf der ihre Interessenvertreter politische und soziale Teilhabe forderten. Große Teile der akademisch gebildeten Elite sahen darin eine Herausforderung, der man mit den Mitteln der Honoratioren- und Klientelparteien in einem durch Improvisation geprägten Politikprozess nicht mehr gerecht werden konnte. Überall im östlichen Europa entstanden Institutionen, die – oftmals angelehnt an westeuropäische Vorbilder – Prozesse in Gang setzten, die man mit Lutz Raphael als Verwissenschaftlichung des Sozialen und als Professionalisierung des Politischen charakterisieren kann. Dabei begann sich der Charakter der Staatlichkeit in der Region vom Interventions- zum Wohlfahrtsstaat zu wandeln. Am Beispiel des Rumänischen Sozial-Instituts (RSI) werden im Folgenden zunächst akteursbezogene Transferprozesse bezüglich der Konzeptualisierung und institutionellen Umsetzung der sozialen Frage in den Blick genommen, wobei der Verein für Socialpolitik als wichtigstes Vorbild für das RSI diente. Sodann werden charakteristische Adaptionen an die rumänischen Erfordernisse dargestellt, bevor abschließend die bäuerlich-ethnische Engführung in Theorie und Praxis des RSI analysiert wird.
In den Jahrzehnten um die Wende zum 20. Jahrhundert übten deutsche Universitäten eine starke Anziehungskraft auf Studenten aus Osteuropa aus. Hervorzuheben ist insbesondere Leipzig und Karl Bücher, der dort von 1892 bis 1917 unter anderem Nationalökonomie lehrte. ....
In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=601>.

Materialien und Quellenauszüge:

Aus dem Band „Kultur und Beruf in Europa“, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2012:

Konsumentenerziehung in Europa im 20. Jahrhundert: Satzung und Geschäftsbericht des Käuferbund Deutschland (1907) und des Vereins TransFair (2010). In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=600>.

Dimitrie Gusti und die Gründung der rumänischen Gesellschaft zu Studium und Umsetzung von Sozialreformen (April 1918). In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=602>.

Das Themenportal Europäische Geschichte veröffentlicht seit 2006 unter der Adresse <http://www.europa.clio-online.de> Materialien (Textdokumente, Statistiken, Bilder und Karten), Darstellungen und Debatten zur Geschichte Europas und der Europäer/innen vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Nutzerinnen und Nutzer, die gerne mit eigenen Beiträgen mitwirken möchten, werden um Vorschläge gebeten. Schreiben Sie bitte an die Redaktion <clio.europa-redaktion@geschichte.hu-berlin.de>. Über die Auswahl und Annahme von Beiträgen entscheidet das Herausgeberkollegium aufgrund eines unkomplizierten Evaluationsverfahrens. Weitere Informationen zur Zielstellung und Konzeption des Projektes finden Sie auf den Webseiten des Projektes.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Hannes Siegrist (Leipzig), Sprecher des Herausgeberkollegiums

Prof. Dr. Martin Baumeister (Rom) – Prof. Dr. Ewald Frie (Tübingen) – Prof. Dr. Madeleine Herren (Heidelberg) – Dr. Rüdiger Hohls (Berlin) – Prof. Dr. Konrad Jarausch (Berlin, Chapel Hill) – Prof. Dr. Hartmut Kaelble (Berlin) – Prof. Dr. Matthias Middell (Leipzig) – Prof. Dr. Alexander Nützenadel (Berlin) – PD Dr. Iris Schröder (Berlin) – Prof. Dr. Stefan Troebst (Leipzig) – Prof. Dr. Jakob Vogel (Paris) – Prof. Dr. Michael Wildt (Berlin)