Die Verschiffung der Welt. Soziale Verdichtung und mediale Ordnungen an vormodernen Häfen

Die Verschiffung der Welt. Soziale Verdichtung und mediale Ordnungen an vormodernen Häfen

Organizer
Isabelle Schürch (Konstanz) & Eva Brugger (Basel)
Venue
voraussichtlich Universität Konstanz
Location
Konstanz
Country
Germany
From - Until
16.06.2016 - 17.06.2016
Deadline
15.12.2015
Website
By
Schuerch, Isabelle

Der geplante Workshop nimmt vormoderne Häfen als Orte sozialer Verdichtung in den Blick. Denn im Hafen treffen flaschenhalsgleich Güter aus mehr oder weniger fernen Ländern, Tiere nicht nur aus der näheren Umgebung und Menschen aus unterschiedlichsten Gegenden und sozialen Gruppen aufeinander, sie werden sortiert und verladen, versichert und versteuert. Die Güter eines Hafens – materielle wie immaterielle Objekte, Tiere, Menschen und (andere) Waren, Geld, Wechsel und Schuldscheine – prägen den Hafen gleichermaßen und bringen ihn als Sozial-, Wirtschafts- und Kulturraum hervor. Der Verschiffung sind Medien der Auf- und Verzeichnung ebenso eingelagert wie Praktiken der Zusammenführung und des Kategorisierens. Die Frage nach der Ordnung der Güter ist hierbei zentral: Neben Schiffsräumen und Lagerstätten gerinnen vermeintlich unscheinbare Zeugnisse wie Güterlisten und Passagierregister, Straßenverläufe und Topographien zu Medien der Ordnung. Die Verschiffungsprozesse wiederum sind geprägt von Praktiken, die den Blick auf das Soziale eröffnen und somit auf das Spannungsfeld von Ordnung und Verordnung, in denen Formen von Macht emergieren. Die Ankerpunkte des Workshops bilden daher Szenen sozialer Verdichtung in und an vormodernen Häfen und deren medialen wie praxeologischen Ordnungsphänomene.
Neben Studien zu Häfen als Orte der Vernetzung und Verflechtung sind kultur- und mediengeschichtliche Studien getreten, die Häfen als Start- und Zielpunkte gesetzt und damit Passagen als Transferräume und -zeiten gedeutet haben. Die Überführung, beispielsweise von der Alten in die Neue Welt oder über das Mediterraneum, wurde dabei nicht nur als Reise problematisiert, sondern als medialer Transformationsprozess. In Anlehnung wie in Abgrenzung zu diesen Arbeiten will der Workshop seinen Blick auf den Hafen als Ort sozialer Verdichtung richten. Gerade die materiellen Bedingungen der Verschiffung sind für uns von Interesse. Denn erst die konkrete Fokussierung auf Medien und Praktiken, so unsere These, ermöglicht es, Häfen nicht nur als vage Vorstellungsräume zu verwenden, sondern sie als besondere Orte der Verdichtung von Machtformen zu diskutieren. Häfen werden als Orte verstanden, an denen sich obrigkeitliche respektive herrschaftliche Kontroll-, Verzeichnungs- und Reglementierungsvorstellungen besonders gut und dicht überliefert haben, gerade weil sie räumliche, politische und soziale Grenzen sichtbar machen. Der transmarine Transport von Gütern, Tieren und Menschen wird im Verschiffungskontext zu einem Akt der Ordnung, der sich daher nicht nur schriftlich, sondern auch materiell fassen lässt. Dass sich dabei die Differenz zwischen materiellen und nicht-materiellen Gütern verflüssigen kann, ist ebenso charakteristisch wie die Spannung zwischen monetären Wechselsystemen und Tauschgeschäften, zwischen Risikoaffinität und -minimierung, zwischen Steuern und Spekulation. Mit der Blickrichtung auf Medien, Praktiken und Akteure soll zudem die zeitliche Dimension ins Blickfeld zurückkehren. Wie konstant ist die scheinbar historische Konstante des Hafens? Die spannende Herausforderung des Workshops scheint uns, Fragen historischen Wandels nicht ausschließlich mit einer Mediengeschichte oder Praxeologie des Hafens und des Verschiffens zu begegnen. Vielmehr versucht der Workshop einen Beitrag zur neueren Sozialgeschichte zu leisten, die mediale und praxeologische Ordnungsphänomene konsequent in Bezug zu sozialen Phänomenen setzt und das „Soziale“ in einem erweiterten Verständnis als soziale Beziehungen zwischen Menschen, Tieren und Objekten versteht.
Als Ort der Verdichtung von Waren, Tieren und Menschen, von Reglementierung und Freiheit, von Ordnung und Unordnung bildet der vormoderne Hafen einen produktiven Umschlagsplatz für normative, narrative und mediale Darstellung, die zeitgenössische Vorstellungen auf kleinste Räume projizieren. Die geplanten Beiträge befassen sich daher einerseits mit medialen und materiellen Formen wie Inventaren, Frachtlisten, Güterstapelplänen und anderen Ordnungssystemen, die als schriftliche Ausdrucksformen von sozialer Ordnung zeugen. Gleichzeitig sollen aber auch literarische Quellen, normative Schriften, Gemälde und kartographische Stadt- respektive Hafenpläne in die Untersuchungen miteinbezogen werden. Ein besonderes Augenmerk soll jedoch auf den hafenspezifischen Dokumentationsformen liegen und ihren sozialen Implikationen liegen: Werden Tiere zu Gütern? Ladungen zu Risiken? Sklaven zu Passagieren?

Die Idee der Werkstatt wollen wir ernst nehmen und uns ausreichend Zeit ausbedingen, die vorgeschlagene Zugriffsweise und unsere Projekte dazu am runden Tisch zu diskutieren. Deshalb planen wir, die Beiträge im Vorfeld des Workshops als "precirculated papers" an alle Teilnehmenden zu verschicken.

Wir freuen uns auf Titelvorschläge mit kurzem Abstract bis zum 15. Dezember 2015 (per Mail an isabelle.schuerch@uni-konstanz.de oder eva.brugger@unibas.ch)

Programm

Der Workshop findet vom 16.-17. Juni 2016, voraussichtlich an der Universität Konstanz, statt. Die Beiträge werden als "precirculated papers" am runden Tisch gemeinsam diskutiert.

Contact (announcement)

Isabelle Schuerch

Fachbereich 5, Universitätsstrasse 10, D-78457 Konstanz

isabelle.schuerch@uni-konstanz.de


Editors Information
Published on
23.11.2015
Classification
Temporal Classification
Regional Classification
Additional Informations
Country Event
Language(s) of event
German
Language of announcement