Infrastrukturnetze und die Phantomgrenzen in Ostmitteleuropa

Infrastrukturnetze und die Phantomgrenzen in Ostmitteleuropa

Organizer
Centre Marc Bloch Berlin (Projekt „Phantomgrenzen in Ostmitteleuropa“); in Zusammenarbeit mit der Europa-Universität Viadrina; der Universität Basel; und der Internationalen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte
Venue
Europa-Universität Viadrina
Location
Frankfurt (Oder)
Country
Germany
From - Until
06.09.2012 - 07.09.2012
Deadline
29.02.2012
Website
By
Dorothee Ahlers, Geschichte Osteuropas, Europa-Universität Viadrina

- see English version below -

Eine Tagung des Centre Marc Bloch Berlin (Projekt „Phantomgrenzen in Ostmitteleuropa“, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung) in Zusammenarbeit mit der Europa-Universität Viadrina, der Universität Basel und der Internationalen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte

Deadline: 29.02.2012

Ein Blick auf das Streckennetz der polnischen Staatsbahn zeigt deutlich die Grenzen der früheren Teilungsgebiete. So ist dieses Netz auch 90 Jahre nach Neugründung des polnischen Staates und fast 60 Jahre nach der Verschiebung von dessen Grenzen nach Westen in den einst zu Preußen und dem Deutschen Reich gehörenden Landesteilen wesentlich dichter als in den übrigen Regionen des Landes. Dieser Befund macht deutlich, mit welchen Herausforderungen sich die nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen Staaten in Ostmitteleuropa beim Aufbau integrierter, nationaler Infrastrukturnetze gegenüber sahen. Gleichzeitig lässt sich mit der Beobachtung die Frage verknüpfen, in welchem Maße Struktur und Ausrichtung von Transport- und Kommunikationsnetzen, wie von Eisenbahnen, Straßen oder Kanälen, nach der Verschiebung politischer Grenzen in den Jahren 1918/20 und 1945 die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung sowie soziale Praktiken in den territorial neu konstituierten Staaten Ostmitteleuropas nachhaltig beeinflussten.

Die Frage nach Beharrungskräften regionaler Infrastrukturnetze, die vor entsprechenden Grenzverschiebungen entstanden waren, lässt sich nicht nur am polnischen Beispiel gut untersuchen. Über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte gewachsene, nun durch neue Grenzen unterbrochene Infrastrukturnetze lassen sich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges in ganz Mittel- und Osteuropa, aber beispielsweise auch an der deutsch-dänischen Grenze, in Elsaß-Lothringen oder auf dem Gebiet des früheren Osmanischen Reiches ausmachen. Eine weitere Zäsur dieser Größenordnung ist mit der Entstehung neuer Grenzen und Staaten nach 1945 und dann wieder – zum Beispiel mit Blick auf Südosteuropa – nach 1989 zu setzen.

Die Tagung “Infrastrukturnetze und die Phantomgrenzen in Ostmitteleuropa” möchte sich dem hier skizzierten Themenfeld aus drei Richtungen nähern. Zum einen soll die Frage beleuchtet werden, welche Strategien die Regierungen der nach 1918/19 neu gebildeten (bzw. nach 1945 auf der Landkarte “verschobenen”) Staaten Mittel- und Osteuropas entwickelten, eine Territorialisierung der eigenen Länder durch den Aufbau intergrierter, nationaler Infrastrukturnetze (Eisenbahn, Telegrafie, Telefon, Straßen, Wasserwege etc.) voranzutreiben. In diesem Zusammenhang ist vor allem von Interesse, wie mit dem entsprechenden baulichen Erbe der Vorgängerstaaten umgegangen und mit welchen Maßnahmen die Integration regionaler in nationale Netze vorangetrieben wurde. Zum Zweiten soll diskutiert werden, inwiefern regionale Infrastrukturnetze – ungeachtet der Versuche, diese in neue, nationale Kontexte zu integrieren – die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung in den entsprechenden Ländern Mittel- und Osteuropas weit über die genannten historischen Zäsuren hinaus prägten und beeinflussten. Schließlich ist von Interesse, welche historischen Spuren bis heute auf die Existenz infrastruktureller “Phantomgrenzen” in Mittel- und Osteuropa hindeuten. Hier lohnt sich nicht nur ein Blick auf die eingangs thematisierten Streckennetzkarten der Eisenbahn, sondern daneben auch auf die Überreste des baulichen Erbes älterer Infrastrukturnetze, wie zum Beispiel jenes ehemaliger Grenzbahnhöfe zwischen dem Deutschen und dem Russischen Reich oder Österreich-Ungarn und dem Osmanischen Reich.

Die Tagung lädt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Disziplinen Geschichte, Geografie, Wirtschaftsgeschichte, Area Studies, Infrastrukturplanung und benachbarter Felder ein, ihre Forschungsergebnisse und -projekte zu den angesprochenen Fragen zu diskutieren. Die Stadt Frankfurt an der Oder bietet sich als Tagungsort sowohl in historischer als auch in thematischer Hinsicht an: So fand die Verwaltung der Eisenbahn der nach 1920 bei Deutschland verbliebenen östlichen Provinzen hier ihren Sitz und sorgte für einen Aufschwung der Stadt. Heute kämpfen Frankfurt und das polnische Słubice mit den nach 1945 abgebrochenen Kommunikationswegen in Mitteleuropa, die erst in den letzten Jahren allmählich wieder hergestellt werden.
Um eine international ausgewogene Betrachtung des Gegenstandes zu gewährleisten, sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt zur Teilnahme eingeladen. Der Fokus der Konferenz liegt auf Mittel- und Osteuropa. Es sind jedoch auch komparative Beiträge zu anderen Regionen erwünscht, die für das Problem der “Phantomgrenzen” einen Beitrag in methodischer Hinsicht leisten. In diesem Rahmen könnte der Verkehrs- und Kommunikationsgeschichte, die als Disziplin erst in den letzten Jahren wieder eine Renaissance erlebt, ein relevanter und wenig beachteter Aspekt hinzugefügt werden. Im Anschluss an die Tagung wird eine Publikation der Arbeitsergebnisse angestrebt.

Wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. Benjamin Schenk (Universität Basel)
Dr. Jan Musekamp (Europa-Universität Viadrina)

Bitte senden Sie Ihr Exposé (maximal eine DIN A4 Seite) und einen kurzen CV bis zum 29. Februar an das Tagungssekretariat, Dorothee Ahlers: osteuropa@europa-uni.de

Tagungssprache ist Englisch.

Eine Auswahl der Referentinnen und Referenten erfolgt im März 2012. Diese erhalten bis zu einer gewissen Höhe ihre Reisekosten erstattet und sind in Frankfurt Gäste des Centre Marc Bloch und der Viadrina. Interessierte Gäste sind nach Anmeldung herzlich eingeladen, Sie müssen Kosten für Anreise, Unterkunft und Verpflegung jedoch selbst übernehmen. Die Viadrina ist eine familienfreundliche Universität. Bei Bedarf kann eine Kinderbetreuung für die Dauer der Konferenz übernommen werden. Bitte richten Sie entsprechende Anfragen an das Tagungssekretariat.

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CfP Conference
Networks of Infrastructure and the Phantom Borders in East Central Europe

The conference from the Centre Marc Bloch in Berlin (project “Phantom Borders in East Central Europe”, funded by the German Federal Ministry for Education and Research) is working in cooperation with the European University Viadrina, the University of Basel and the International Society for Railway History.
European University Viadrina, from September 6th – 7th, 2012
Deadline: February 29th, 2012

A look at the railway network from the Polish State Railway clearly depicts the borders of the former partitioned areas. Consequently, 90 years after the Polish state reemerged and nearly 60 years after its borders were shifted towards the West into areas which belonged to the former Prussian Empire and German Reich, the railway network is significantly denser in these areas than in other regions of the country. This fact highlights the challenges emerging East Central European states faced when building an integrated, national infrastructure for a railway network after the First World War. This observation can simultaneously be combined with the question: to what extent has the structure and alignment of transport and communication networks, such as railways, roads and canals, sustainably influenced social and cultural development as well as social practices in the newly constituted states of East Central Europe after the shift of political borders in the years 1918/20 and 1945?

The Polish example is only one of many when regarding the persistence of regional infrastructure networks which were present prior to the corresponding border shifts. Over decades and even centuries, new borders of broken infrastructure networks have been recognizable after the end World War I not only in Central and Eastern Europe, but also for example, on the German-Danish border, in Alsace-Lorraine or in the area of the former Ottoman Empire. Another break of this magnitude has occurred again with the emergence of new borders and states after 1945 and – with regard to Southeastern Europe – again after 1989.

The conference on “Networks of Infrastructure and the Phantom Borders in East Central Europe” aims to discuss the topic outlined above from three angles. Firstly, the conference will approach the question on strategies used by the governments of the newly formed states in Central and Eastern Europe after 1918/19 (or after 1945 when the borders were ‘shifted’ on the map) to promote the development in their own countries by setting up integrated, national infrastructure networks (railroads, telegraph, telephone, roads, waterways, etc.). In this context it is of particular interest to evaluate how the structural legacy of predecessor states was dealt with and which measures of integration were used to change regional networks into national networks. Secondly, we will discuss the extent to which regional infrastructure networks – regardless of attempts to integrate these into new national contexts – influenced and shaped the economic, social and cultural development in Central and Eastern Europe beyond the aforementioned historical turning points. The final point that will be looked at during the conference is the historical traces noticeable to date which indicate the existence of infrastructural ‘phantom borders’ in Central and Eastern Europe. In this context it is not only worth looking at the railway network maps, but also the remnants of the structural legacy of older infrastructure networks in general, such as the former border stations between the German and Russian Empire or between the Austria-Hungary and Ottoman Empire.

Academics and experts from various disciplines, such as History, Geography, Economic History, Area Studies, Infrastructure Planning and other related fields, along with their research projects are invited to discuss these issues. The city of Frankfurt an der Oder is an appropriate venue to discuss such topics in both historical and thematic terms: the railway administration for the remaining East German provinces after 1920 was located here and contributed to an economic revival of the city. Today, Frankfurt and the Polish city of Słubice still struggle with the broken channels of communication in Central Europe, which have only begun to be gradually re-established in recent years.

To ensure a balanced international analysis on the subject, academics and experts from around the world are invited to participate. The conference’s main focus is on Central and Eastern Europe. However, comparisons to other regions, which offer a contribution in terms of methodology on how to analyze the problem of “Phantom Borders”, are offered. The history of transportation and communication as an academic discourse has only recently experienced a ‘renaissance’ of sorts again. Within the framework of this conference, a relevant contribution will be made on a subject that currently gets little attention. The meeting will be followed up by a publication of the findings.

Academic Contribution:
Prof. Dr. Benjamin Schenk (University of Basel)
Dr. Jan Musekamp (European University Viadrina)

Please send your proposal (max. one page, format A4) and a short CV by February 29th, 2012 to Dorothee Ahlers: osteuropa@europa-uni.de

The conference will be held in English.

Speakers will be selected in March 2012. The presenters will be reimbursed (up to a certain amount) for their travel expenses and are guests of the Centre Marc Bloch and the Viadrina. Attendees are welcome to register for the conference and are responsible for their own travel costs, accommodation, etc. The Viadrina is a family friendly university and can therefore provide child care during the conference if necessary. Please direct inquiries to Dorothee Ahlers (contact information above).

Programm

Contact (announcement)

Dorothee Ahlers

Professur für Geschichte Osteuropas
Europa-Universität Viadrina
Große Scharrnstraße 59
15230 Frankfurt (Oder)

E-Mail: osteuropa@europa-uni.de


Editors Information
Published on
27.01.2012
Contributor
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English
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