First European Congress of World and Global History - Panel 11: Conceptualizing the World: Perspectives from Education, History, Area Studies and Sociology

First European Congress of World and Global History - Panel 11: Conceptualizing the World: Perspectives from Education, History, Area Studies and Sociology

Organizer(s)
European Network in Universal and Global History; Organisationskomitee Leipzig: Frank Hadler, Matthias Middell, Hannes Siegrist, Katja Naumann
Location
Leipzig
Country
Germany
From - Until
22.09.2005 - 25.09.2005
By
Steffi Franke, Leipzig

Im Zentrum dieser Sektion stand die Bereitstellung und Vermittelbarkeit historisches Wissens über Globalisierungsprozesse und weltgeschichtliche Themen vor allem in der schulischen Bildung. Ausgehend von einer Analyse und Problembestimmung der Globalisierung wurde den daraus resultierenden Herausforderungen an die Wissensproduktion und die Konzeption von dessen Vermittlung nachgegangen. Darüber hinaus wurde nicht nur die Frage nach den Fachkompetenzen, sondern auch nach den sozialen, emotionalen und Problemlösungskompetenzen gestellt, deren Vermittlung eine bedeutende Rolle in einer auf globalisierungstheoretische Problemstellungen ausgerichteten Geschichts- und politischen Bildung stehen sollen.

Einleitend beschrieb Hanna Schissler, unter deren Leitung die Sektion stand, die globalgeschichtlichen Herausforderungen, mit denen die schulische Bildung im Geschichtsunterricht und seinen angrenzenden Fächern konfrontiert ist. Der Prozess der Globalisierung erzeuge negative und positive Effekte, bedeute Integration und Ausgrenzung gleichermaßen. Er sei gekennzeichnet von der paradoxen Gleichzeitigkeit einer (re-) fragmentierten und zusammenwachsenden Welt mit multiplen Modernen. Freiheit und Desorientierung stünden nebeneinander und setzten das Individuum einer wachsenden Ambiguität und Kontingenz aus. Die sich daraus ergebende verschärfte Krise der Wertorientierung münde in progressive und destruktive Prozesse der Formulierung von Normen, in die Einübung von Toleranz und das Ausbrechen von culture wars gleichzeitig. Diesen Herausforderungen müssten sich Lehrer und Ausbilder stellen. Erstens müssten sie dazu beitragen, bei ihren Schülern ein globales Bewusstsein zu entwickeln, das den paradoxen, gleichzeitigen und verflochtenen Prozessen der Globalisierung Rechnung trage. Dazu müssten sie ihrerseits ein Bewusstsein für die globalen Differenzierungen entwickeln und einen Beitrag zur Integration der postmodernen Fragmentierungen auf einem nächst höherem Niveau leisten. Schissler sprach dabei von einem Weltethos. Zum zweiten müssten Lehrer die postmodernen Paradoxien und Zwiespältigkeiten selbst aushalten und steuern lernen und Instrumente für ihre Handhabung weitervermitteln. Drittens sei das Ziel der Vermittlung von Weltorientierung die Minderung der destruktiven Effekte der Globalisierung durch die Bereitstellung von Instrumenten zum Umgang mit ihren Paradoxien.

Die Sektion umfasste weitere drei Vorträge. Renate Bridenthal von der City University of New York stellte zum einen das Konzept der worldization am Beispiel Deutschlands vor, das sie in ihrem Forschungsprojekt „The Heimat abroad“1 umfassend bearbeitet hat, und skizzierte ein exemplarisches Curriculum, anhand dessen die deutsche Nationalgeschichte als transnationale und globale Geschichte erzählt und vermittelt werden könne. Im Zentrum stehen hierbei die Migrationsbewegungen, die den Fokus vom nationalstaatlichen Containermodell auf die Interaktion von Gruppen und die daraus resultierende demographische Heterogenität verschieben würden. Zum anderen plädierte sie für eine Weltgeschichtsschreibung, die von den Erkenntnissen und Methoden der Area Studies ausgeht und den Schwerpunkt auf die Brücken zwischen den einzelnen Areas und der Globalgeschichte legt. Als mögliches „Brückenthema“ könnten beispielsweise verschiedene Formen illegaler Wirtschaftsformen wie Schmuggel und Piraterie bearbeitet werden, in dessen Rahmen prekäre Grenzziehungen und Mischformen zwischen staatlichem und nicht-staatlichem Handeln beleuchtet werden können.

Theresa Wobbe (Erfurt) beschrieb die Entwicklung der europäischen Identität im globalen Kontext und betonte, dass die verschiedenen Bedeutungen von Europa immer eng verbunden sind und waren mit den verschiedenen Bedeutungen anderer „Welten“, wie der „ersten“, „zweiten“, „dritten“ oder der „kleinen“ und „großen“ Welt. Globalisierung entfalte sich als schwer vorhersehbarer, fragmentierter Prozess, in dem Konvergenz und Differenzierung nebeneinander stünden. Dafür liefere die Geschichte der europäischen Identitätserzählungen ein Paradebeispiel. In den siebziger Jahren sei die Beschreibung europäischer Identität, die sich bis dahin immer als Erfolgsnarrativ habe verstehen können, in eine ernsthafte Krise geraten. Hier ließen sich die Prozesse der Re-Interpreation der Vergangenheit, das re-modellierte Verhältnis zu anderen Ländern und Regionen und die Formulierung einer gemeinsamen Kultur paradigmatisch beobachten. Die Definition Europas als Zentrum habe seit dieser Zeit an Wirksamkeit und Plausibilität verloren.

Herbert Prokasky (Düsseldorf) analysierte in einem ersten Schritt die Situation der schulischen Bildung in einer globalisierten Welt, die in Deutschland mit einer Schülerschaft und einer Gesellschaft konfrontiert sei, die mit modernen Kommunikationstechnologien und praktischen Lebenshintergründen an transnationalen und globalen Beziehungen Teil habe und außerdem in ihrer von Migrationsbewegungen beeinflussten demographischen Struktur die Paradoxien der globalisierten Welt spiegele. Dem stehe der spezifische Problemhorizont des sich nur langsam wandelnden sozialen Systems Schule gegenüber. Vor diesem Hintergrund entwickelte Prokasky ein binationales curriculares Beispielprojekt einer deutsch-chinesischen Partnerschaft bei der Vermittlung globalgeschichtlichen Wissens, das diesem Dilemma innovativ begegne.

Nina Melchers stellte aus der Praxis des Projekts der Schulberatungsstelle „Globales Lernen/Eine Welt“ im Hessischen Landesinstitut für Pädagogik (HeLP) heraus das Konzept der „global education“ vor. Diese finde ihre Partner in der politischen und ökologischen Bildung und folge einem intercurricularen Prinzip. Sie will aus dem Gebiet der Bildung heraus Antworten auf den Prozess der Globalisierung konzipieren. Das hessische Informationszentrum bietet Schülern und Lehrern Weiterbildungskurse und eine Internetinformationsplattform. Global education beginne bereits bei der Sensibilisierung und Reformierung von qualifizierenden Begrifflichkeiten. Die Lehrenden müssten sich einem Prozess des lebenslangen Lernens aussetzen und die wechselnden Perspektiven auf Geschichte in der Historiographie nachvollziehen können. Melchers plädierte für eine globale Bildung auf allen Ebenen. Desweiteren sei der Schwerpunkt auf die verstärkte Vermittlung globalgeschichtlichen Wissens zu legen. Dafür müsse allerdings erst noch in der Ausbildung der Lehrer die Basis gelegt werden, sodass vorerst Improvisation und die Errichtung von qualifizierten unterstützenden Informations- und Weiterbildungsforen im Vordergrund stünden, die Lehrinhalte und -materialien bereithalten müssten.

In der anschließenden Diskussion wurden vier Problembereiche deutlich.
Erstens wurde auf die machtpolitische Dimension von globalen und transnationalen Prozessen hingewiesen. Es müsse in der Vermittlung die Konfikthaftigkeit und das politische Potential dieser Prozesse deutlich werden. Andererseits dürfte durch eine übermäßige Politisierung und Emotionalisierung der Vermittlung keine Vereinseitigung entstehen.
Zweitens stand die Frage nach der problematischen Wertorientierung in einer postmodernen, fragmentierten globalen Welt im Vordergrund. Es wurde eine gewisse Hilflosigkeit gegenüber kulturellen Konfliktsituationen artikuliert. Im Vertrauen auf die Existenz und Vermittelbarkeit eines Weltethos artikulierte Hanna Schissler die Notwendigkeit einer Positionierung gegenüber einem postmodernen Werterelativismus, bei der gleichzeitig das Recht und das Vorhandensein von Differenzierung nicht in Abrede gestellt werden dürfe. Außerdem sei die Herausbildung einer skeptischen Toleranz notwendig, in der Konflikte ausgehalten werden könnten und nicht in stereotypen Vereinfachungen interpretiert, sondern in ihren individuellen Konstellationen entschlüsselt werden müssten.
Im dritten Feld der Diskussion wurde die Positionierung Europas in einer globalen Welt erörtert. Hier wurde mehrfach angemerkt, dass die europäische Geschichte schon immer mit der Geschichte anderer Weltteile verflochten war. Beispielsweise lasse sich bereits für das 16. Jahrhundert die Bedeutung der wechselseitigen Bezugnahme Europa-Türkei für die Formierung einer europäischen Identität zeigen. Europa müsse sich selbst historisieren.
Ein viertes Feld bildeten methodische Fragen. Betont wurde, dass für diese Sektion weniger historiographische Fragen als vielmehr die Konzeptionalisierung der Vermittlung historischer Weltbilder im Vordergrund stünden. Dies sei die zentrale Herausforderung an Schule. Die Geschichtswissenschaft besitze einen anderen epistemologischen Standort, in der Vermittlung stehe jedoch die Schaffung von Wissen von Weltaneignung im Zentrum. Ungelöst sei noch immer die Frage nach der sinnvollen Reduktion des zu vermittelnden Wissens, wenn man die Anforderungen einer Globalgeschichte ernst nehme.

In diesem Sinne konkretisierten sich in dieser Sektion die Probleme der Globalgeschichtsschreibung vor allem als normative Fragen. Dabei wurde die Notwendigkeit eines intensiven Dialogs zwischen Historikern und Wissensvermittlern deutlich.

1 Krista O'Donnell/Renate Bridenthal/Nancy Reagin (Hg.): The Heimat Abroad. The Boundaries of Germanness, Ann Arbor 2005.

Contact (announcement)

Katja Naumann
Universität Leipzig
Zentrum für Höhere Studien
Emil-Fuchs-Str. 1
04105 Leipzig
knaumann@uni-leipzig.de

www.uni-leipzig.de/zhs/ekwg
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Published on
06.01.2006
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