Dynamik der Globalisierung. Das Deutsche Reich zwischen europäischem Staatenkonflikt und Weltkrieg, 1914-18. 55. Internationale Tagung für Militärgeschichte

Dynamik der Globalisierung. Das Deutsche Reich zwischen europäischem Staatenkonflikt und Weltkrieg, 1914-18. 55. Internationale Tagung für Militärgeschichte

Organizer(s)
Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw), Potsdam
Location
Potsdam
Country
Germany
From - Until
02.06.2014 - 05.06.2014
Conf. Website
By
Olaf Löschke, Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam

Unter dem Titel „Dynamik der Globalisierung. Das Deutsche Reich zwischen europäischem Staatenkonflikt und Weltkrieg, 1914-18“ wurde auf der 55. Internationalen Tagung für Militärgeschichte (ITMG) drei Tage lang über den globalen Charakter des Krieges sowie über die Frage nach dessen Relevanz für die Gegenwart diskutiert. In sechs Sektionen sollte multiperspektivisch der globale Charakter des Krieges herausgearbeitet werden.

In seiner Begrüßung verdeutlichte HANS-HUBERTUS MACK (Potsdam), dass die mediale Rezeption des Ersten Weltkrieges außerhalb Deutschlands noch immer einen höheren Stellenwert einnehme. Dennoch sei er positiv überrascht, dass dieses Thema hier zu Lande auch in Theatern und Museen auf der Agenda stehe. Die erste Sektion begann mit der zugespitzten Frage, wie global und wie total der Erste Weltkrieg war. DIERK WALTER (Hamburg) forderte eine schärfere Begriffsbestimmung, denn zu Kriegsbeginn wurde einerseits vom „Weltkrieg“ (Deutschland) gesprochen, andererseits vom „Great War“ (Großbritannien) oder „La Grande Guerre“ (Frankreich). Der Zusammenhang zwischen Globalisierung und Krieg sei nach wie vor ein Forschungsdesiderat, auf das lediglich innerhalb des Fußnotenapparates der Forschungsliteratur hingewiesen würde. Zudem bestehe eine bis heute anhaltende Ignoranz gegenüber den indigenen Völkern. HEW STRACHAN (Oxford) thematisierte die Ökonomie des Krieges. Er deutete den Krieg als europäischen Bürgerkrieg, der mit dem Kriegseintritt der USA zum „Weltkrieg“ wurde. Großbritannien war als Kolonialmacht ökonomisch besser aufgestellt als Deutschland und wollte zudem eine Ausweitung des Krieges verhindern. Obwohl in Deutschland offiziell von „Weltkrieg“ und „Weltpolitik“ gesprochen wurde, fehlte paradoxerweise eine Gesamtstrategie. In der Wahrnehmung der Zeitgenossen war dieser Krieg ein totaler Krieg, was MICHAEL EPKENHANS (Potsdam) auf Erich Ludendorff zurückführte. Kriege der Zukunft würden nicht mehr als Entscheidungsschlachten im Clausewitzschen Sinne geschlagen, sondern seien Volkskriege von Nationen in Waffen. Den gleichzeitigen gesellschaftlichen Dynamiken konnten sich die Zeitgenossen kaum entziehen. Der Erste Weltkrieg sei jedoch nur in der Makroperspektive ein totaler Krieg, denn Ludendorff habe jene Militärdiktatur nicht errichten können, die er für eine totale Kriegführung benötigte hätte. SÖNKE NEITZEL (London) ging auf lokale Kampfräume und deren Multiethnizität im Stellungskrieg ein. Eine Innensicht auf die Westfront wurde am Beispiel kolonialer Truppen gezeigt. Anders als die Franzosen waren die Briten zurückhaltender im Einsatz ihrer farbigen Soldaten. Die deutsche Propaganda sorgte für Zerrbilder einer besonderen Brutalität afrikanischer Soldaten, deren tatsächliches Verhalten noch Forschungsdesiderat sei. Die Wahrnehmung vor Ort sei nicht mit dem Propagandabild im Reich zu vergleichen. Begegnungen im Schützengraben galten als Kuriositäten. Bei den Entente-Truppen war ein ständiger „Rassismus in den Schützengräben“ virulent. Der Kontakt der in der Diaspora lebenden Afrikaner mit denen des afrikanischen Kontinents habe zudem ein „panafrikanisches Bewusstsein“ geschaffen.

Die zweite Sektion „Vorkrieg“ fragte danach, inwieweit vor Kriegsbeginn in globalen Dimensionen gedacht wurde. GERHARD P. GROSS (Potsdam) referierte in Vertretung ANNIKA MOMBAUERs (Milton Keynes) über die deutschen Militärplanungen bis Kriegsbeginn. Obwohl sich die Militärführung bewusst war, dass Deutschland einen langen Abnutzungskrieg nicht gewinnen konnte, existierte weder ein „Masterplan“ noch das vielbeschworene „Räderwerk“. Der Große Generalstab dachte in Konzepten des Siebenjährigen Krieges und legte dem modernen Maschinenkrieg völlig obsolete Taktiken zugrunde. Auch die Marineführung dachte nicht global. Dies zeige, dass Generalstäbe oft unreflektiert handeln. BENJAMIN ZIEMANN (Sheffield) ging auf die zukunftsweisenden Ideen der deutschen Pazifisten ein. Ihre Vorstellungen einer arbeitsteiligen, globalisierten Welt basierten auf „Internationalität“ als wechselseitige Erreichbarkeit. „Rendezvous-Punkte“ in Form internationaler Messen oder Ausstellungen dienten als Verdichtungen von Kommunikation. Ständige Angriffe aus dem völkischen Lager, Anpassungsdruck und letztlich der Kriegsbeginn verhinderten den Erfolg ihrer Bemühungen. DOMINIK GEPPERT (Bonn) stellte, entgegen der älteren Forschung, die stärker auf staatliche Rivalitäten einging und strategische Ausrichtungen fokussierte, die Unabhängigkeit der privaten Kabelunternehmen von nationalem Denken in den Vordergrund. Vielmehr fand in der Vorkriegszeit eine Globalisierung der Infrastruktur statt. Auch zwischen dem Verhalten der gelenkten deutschen Presse und dem der freien britischen Presse sei kein Unterschied festzustellen, da deren Inhalte eher als Reaktion auf strategische Ausgangspositionen und Perspektiven einer Kommunikation im globalen Kontext zurückzuführen seien. Der Kriegsbeginn vereitelte die Idee eines globalen Nachrichtenwesens. Es folgte eine Phase der Deglobalisierung, die bis in die Weimarer Zeit anhielt.

Die dritte Sektion „Globalisierung als Gefahr“ leitete GERHARD P. GROSS (Potsdam) mit einem Vortrag über die Operationsplanung von Heer und Marine ein. Die deutsche Admiralität verkannte den globalen Charakter eines Seekrieges. Eine Gesamtstrategie fehlte. So schürte die Ausrufung des „heiligen Krieges“ gegen die Briten durch Sultan-Kalif Mehmet V. bei der deutschen Führung Hoffnungen, dass die Muslime in den britischen Kolonien eine Revolution beginnen würden. Man hatte jedoch keine Vorstellung von der Vielschichtigkeit des Orients. Die Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Bootkrieges, flankiert durch das „Zimmermann-Telegramm“ führte zum Kriegseintritt der USA. Stets auf den Hauptfeind Großbritannien fixiert, blieb das operativ-strategische Denken sowohl der Obersten Heeresleitung als auch des Admiralstabs dasjenige einer europäischen Kontinentalmacht. Die globalen Dimensionen wurden nicht erkannt oder falsch eingeschätzt. Die USA galten dabei als große Unbekannte. HOLGER HERWIG (Calgary) skizzierte die Entwicklung der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Die deutsche Führung verstand die USA nicht, in Übersee hingegen galt Deutschland als das „bestgehasste Land“. Wie sein Vorredner ging Herwig auf das „Zimmermann-Telegramm“ ein, das mehr noch als der uneingeschränkte U-Bootkrieg den Kriegseintritt der USA begünstigte. Mit der provokanten These, die Royal Navy habe genau genommen keine Seeblockade gegen Deutschland durchgeführt, leitete MATTHEW SELIGMANN (London) seinen Vortrag ein. Er stellte die juristische Bedeutung der Begriffe Blockade und „Contraband Control“ gegeneinander. Während eine Blockade sich auf die Abriegelung von Häfen und Küstenstreifen konzentrierte, konnte „Contraband Control“ in einem größeren geografischen Rahmen durchgeführt und Schiffe weitab von feindlichen Küsten durchsucht werden. Dies konnte allerdings die eigenen Beziehungen zu neutralen Handelspartnern belasten. Von einem gradlinigen Planungsprozess durch die Royal Navy konnte auch hier keine Rede sein. HEATHER JONES (London) erörterte die Frage, ob die Vorkriegserwartungen an das Verhalten der kriegführenden Staaten einen Diskurs darüber ermöglichten, inwieweit internationales Recht den Stand der Zivilisation widerspiegele. Jones wertete den Ersten Weltkrieg als ersten großen Test für das internationale Kriegsrecht. Dieses diente als Gradmesser für Zivilisationsbrüche, dessen Konventionen durch zahlreiche Rechtsbrüche konterkariert wurden. Mit zunehmender Totalisierung des Krieges wurde die Auslegung des Kriegsrechts immer problematischer.

Unter dem Titel „Globalisierung als Strategie“ wurden in der vierten Sektion die Verdichtungen von Raum und Zeit sowie Interdependenzen durch die Globalisierung erörtert. GÜNTHER KRONENBITTER (Augsburg) wies darauf hin, dass derzeit kulturgeschichtliche Aspekte im Vordergrund stünden, doch dürfe Politikgeschichte nicht vernachlässigt werden. Ohne Betrachtung der Allianzpolitik könne man den Ersten Weltkrieg nicht verstehen. Eine Begriffshermeneutik von Allianzpolitik oder Koalitionskriegführung sei irrelevant, da sie keine Bedeutung für die Kriegspraxis hatte. Vielmehr seien Prozesse der Bündnisbildung herauszustellen. Mittels Allianzpolitik, verstanden als Vehikel der Globalisierung, konnte eine Totalisierung als Ausweitung von Raum und Zeit nur durch Koalitionen ermöglicht werden. Die Betrachtung der Allianzpolitik lasse zudem Reflexe aus der neueren Geschichte besser verstehen, so zum Beispiel das Wiederaufleben der Bündnisrhetorik während des Jugoslawienkrieges in den 1990er-Jahren. HOLGER AFFLERBACH (Leeds) konstatierte, dass es sich bei der Frage, warum die deutsche Neutralenpolitik ein Fehlschlag war, um ein Forschungsdesiderat handele. Der Vergleich der Neutralenpolitik Deutschlands und Frankreichs am Fall Belgiens mache deutlich, dass zwar auch in Frankreich über einen Einmarsch ins neutrale Belgien nachgedacht wurde, dies jedoch als zu gravierender Rechtsbruch verworfen wurde. Am Beispiel Italiens wurde die Komplexität der Neutralenpolitik deutlich, die ohne eine Betrachtung Österreich-Ungarns kaum zu verstehen sei. Auch seien die wirtschaftlichen Funktionen der neutralen Staaten kaum zu unterschätzen. Der deutsche Einmarsch in Belgien sowie der Kriegseintritt der USA waren zwei kaum zu unterschätzende Zäsuren mit denen die deutsche Neutralenpolitik verloren ging. MARTIN KRÖGER (Berlin) ging auf Aufwiegelungsstrategien der deutschen Führung im vorderen Orient ein. Dabei dekonstruierte er die Bedeutung Max von Oppenheims als Ideengeber für Insurgierungsstrategien plausibel. Auch die häufig vertretene These, er hätte in Konstantinopel ein Geheimdienstbüro eingerichtet wurde entkräftet. Vielmehr handelte es sich hierbei um ein Propagandabüro. Oppenheim sei daher eher der „Vater der Propaganda“, aber sicherlich nicht der „Vater des Djihad“ gewesen. CARL ALEXANDER KRETHLOW (Bern) konzentrierte sich auf die deutsch-türkischen Militärkooperationen als jüngstes Forschungsfeld zum Orient. Sowohl im militärischen Bildungswesen als auch in der Rüstungsindustrie fanden Kooperationen statt. Die Firmen Krupp und Mauser sowie deutsche Werften stellten ihr Know-How zur Verfügung und lieferten Waffen. Zentrale Figur für die deutsch-osmanischen Beziehungen war Colmar von der Goltz, der vor allem während des Krieges Karriere machte. Auf seine Mitverantwortung am Armenier-Genozid wurde hingewiesen. Obwohl sich das Verhältnis der deutsch-türkischen Militärkooperation nach dessen Tod zunehmend verschlechterte, konnte das vergleichsweise geringe deutsche Engagement im vorderen Orient starke Kräfte der Entente binden. FRANK NÄGLER (Potsdam) folgte der Geschichtsschreibung des Marinearchivs, nach dessen Einteilung des „Kriegs zur See“ zwei Komplexe ausgemacht werden können: Erstens der Krieg in den Kolonien, zweitens der Kreuzerkrieg, auf den er sich im Folgenden konzentrierte. Der globalen britischen Vormachtstellung hatten das Deutsche Reich und seine Marine wenig entgegensetzen. Deshalb war die Ausrichtung auf einen „nordseezentrierten strategischen Ansatz“ durchaus begründbar. Die Unterordnung des überseeischen Kreuzerkrieges unter die heimische Schlachtflotte führte zu einer Schiffsentwicklung, die für einen solchen Krieg zahlenmäßig und qualitativ unzweckmäßig war. Geleitet von der Vorstellung eines kurzen Krieges sowie durch den Mangel an überseeischen Versorgungsstützpunkten, verfolgte die Marine die Strategie einer „Entscheidungsschlacht“, die für die veränderten Bedingungen eines modernen Weltkrieges völlig ungeeignet war. In seinem Abendvortrag wies STIG FÖRSTER (Bern) auf ein grundlegendes Problem in der Geschichtswissenschaft hin: nämlich das klare Begriffsdefinitionen in diesem Fach unmöglich seien. Daher sollten eher Elemente eines Weltkrieges bestimmt werden. Weltkriege seien zu verstehen als globale militärische Auseinandersetzungen, die regionale Konflikte in einem einzigen Krieg vernetzen würden. Für die Geschichtswissenschaft reiche es deshalb nicht mehr aus, den Weltkrieg unter nationalhistorischer und eurozentrischer Perspektive zu betrachten. Kriegsursachenforschung bedürfe eines transnationalen Zugangs, denn die globale Dimension des Weltkrieges dürfe man nicht aus den Augen verlieren.

In der letzten Sektion wurden verschiedene Erfahrungs- und Deutungsebenen beleuchtet. So müsse stets der Referenzrahmen der Akteure beachtet werden, wolle man individuelles Handeln verstehen. TANJA BÜHRER (Bern) legte ihren Fokus auf den Erfahrungshorizont deutscher und afrikanischer Kriegserfahrungen in den Kolonien. Eindringlich unterstrich sie, dass die Erste-Weltkriegs-Forschung bislang getrennt von einer Globalgeschichte betrachtet wurde. Beide seien aber eng verknüpft. Am Beispiel der deutschen „Schutztruppe“ in Ostafrika stellte sie dar, dass Kriegserwartungen und Kriegserfahrungen divergieren würden. Eine gern vergessene Tatsache sei, dass der Kolonialkrieg auf „dem Rücken der Träger“ ausgetragen wurde, die unter unmenschlichen Bedingungen angetrieben wurden. Das Vegetieren, Nahrungsmittelknappheit sowie Verwahrlosungstendenzen der „Schutztruppe“, aber auch das Leiden der Zivilbevölkerung als größte Opfergruppe waren in den Nachkriegsdeutungen ohne Bedeutung. Auf die erinnerungskulturelle Hinterlassenschaft des Kolonialkrieges ging SUSANNE KUSS (München) ein. Die Figur Lettow-Vorbecks sei zum Symbol einer ungeschlagenen Truppe stilisiert worden, dessen Deutung auch der „Dolchstosslegende“ Vorschub leistete. Am Beispiel des ehemaligen Reichskolonialehrenmals „Elefant“ wurde eine Transformation der Erinnerung von einer Heroisierung zur opferorientierten Perspektive aufgezeigt. Bis heute werden Narrative zum Kolonialkrieg von der Vorstellung eines Guerillakrieges geprägt. Forschungsdesiderate bestünden in Fragen nach der Bedeutung des Kolonialkrieges, Fragen nach der Mobilisierung, Fragen nach der Rekrutierung sowie Bezügen zu Gewalterfahrungen. Explizit wurde angeregt, das Militärarchiv in Freiburg um ein Kolonialarchiv zu ergänzen, welches auch Erfahrungen der Einheimischen berücksichtige. Erinnerung sei schließlich unmöglich, ohne den Gedächtnisspeicher aller beteiligten Akteure einzubeziehen. ECKARD MICHELS (London) erörterte am Beispiel der Spanischen Grippe den Zusammenhang von Krieg und Krankheit. Noch heute sei umstritten, in wie weit diese Influenza mit dem Weltkrieg zusammenhing. Die zeitgenössische Medizin sah den Weltkrieg generell als medizinischen Großversuch, daher wäre es wenig erstaunlich, dass diese Grippe nicht als kriegsentscheidend angesehen wurde und ein „viraler Dolchstoss“ nicht zu finden sei. CHRISTOPH NÜBEL (Berlin) analysierte am Beispiel Münster die „Globalität“ in ihrer Lokalität. Mit „Globalität“ sei die Repräsentation des Globalen im Lokalen zu verstehen. Im Fokus der Betrachtung stand hierbei Alltagsgeschichte und die Auswirkungen des Krieges auf Mobilität und Kommunikation im Privaten. Die globale Dimension des Ersten Weltkrieges wurde vor Ort ausgehandelt. Abschließend ging JOHANNES HÜRTER (München) auf „Deutungen des globalisierten Krieges durch die Führung der Wehrmacht“ ein. Aus den Erfahrungen des Weltkrieges heraus wurde in der Heeresführung ein Angriffsdogma entwickelt, da Deutschland einen langen Abnutzungskrieg nicht gewinnen konnte. Gleichzeitig entstand eine Totalisierungsdoktrin des modernen Krieges, welche die globalen Verflechtungen des Handels missachtete. Autarkie galt als Leitgedanke. Kriegswirtschaftliche Fragen und wehrwirtschaftliche Fernziele sollten durch Expansion erreicht werden. Entgegen den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges sah die Generalität des Heeres den Zweiten nicht als globalen Krieg an. Für die Marine stand die Verhinderung einer Blockade im Vordergrund ihrer Überlegungen. Der Seekrieg wurde als Kreuzer- und U-Boot-Krieg ausgerichtet, während die Luftwaffe zunächst nur auf Unterstützung der Landstreitkräfte ausgerichtet wurde. Konkrete Erfahrungen aus der globalen Dimension des Ersten Weltkrieges wurden letztlich nicht gezogen.

Auf der Tagung wurde nachdrücklich eine Begriffsverortung des „Weltkrieges“ im Sinne eines modernen „Globalisierungsbegriffs“ verfolgt. Diese transnationale Perspektive bot neue Forschungsimpulse. Einigkeit bestand darin, dass der Erste Weltkrieg eine Auseinandersetzung von globaler Dimension war, wobei der Kriegseintritt der USA die entscheidende Zäsur darstellte. Wiederholt wurde auf den uneingeschränkten U-Boot-Krieg und noch stärker auf das fatale „Zimmermann-Telegramm“ hingewiesen. Lediglich gestreift wurde der Ostkriegsschauplatz, für den es interessant gewesen wäre, aktuelle osteuropäische Forschungsperspektiven zu hören. Neue Impulse boten sowohl die Vorträge zum Krieg in den deutschen Kolonien, als auch die Hinweise auf die verschiedenen Wahrnehmungsebenen der beteiligten Akteure. Zukünftig werden hier noch interessante Abhandlungen zu erwarten sein, welche die einheimische Perspektive mit berücksichtigen.

Konferenzübersicht:

Hans-Hubertus Mack, Kommandeur ZMSBw (Potsdam), Begrüßung
Markus Pöhlmann (Potsdam), Einführung

Sektion 1 – Impulsvorträge
Leitung: Gerhard Hirschfeld (Stuttgart)

Dierk Walter (Hamburg), Was ist ein Weltkrieg? Zur Globalisierung von Krieg in der Neuzeit

Hew Strachan (Oxford), Globalisierung und Krieg

Michael Epkenhans (Potsdam), Totalisierung des Krieges

Sönke Neitzel (London), Stellungskrieg: Lokaler Kampfraum im globalen Krieg

Sektion 2 – Vorkrieg
Leitung: Friedrich Kießling (Erlangen)

Gerhard P. Groß (Potsdam, in Vertretung von Annika Mombauer), Die militärischen Planungen bis Kriegsbeginn

Benjamin Ziemann (Sheffield), Globalisierung und Pazifismus

Dominik Geppert (Bonn), Militär, Presse und Weltöffentlichkeit

Sektion 3 – Globalisierung als Gefahr
Leitung: Manfred Görtemaker (Potsdam)

Gerhard P. Groß (Potsdam), Kriegs- und Operationsplanung von Heer und Marine 1914-18

Holger Herwig (Calgary), Die große Unbekannte: Die USA im Kalkül der deutschen Politik

Matthew Seligmann (London), Deutschland und die Seeblockade

Heather Jones (London), Die völkerrechtliche Enthegung des Krieges

Sektion 4 – Globalisierung als Strategie
Leitung: Marc Frey (München)

Günther Kronenbitter (Augsburg), Allianzpolitik

Holger Afflerbach (Leeds), Neutralenpolitik

Martin Kröger (Berlin), Insurgierungsstrategien in der muslimischen Welt

Carl Alexander Krethlow (Bern), Die deutsch-türkische Militärkooperation

Frank Nägler (Potsdam), Der Seekrieg in Übersee

Sektion 5 – Wissenschaftliches Rahmenprogramm
Stig Förster (Bern), Abendvortrag – Der Preis der europäischen Expansion. Der Erste Weltkrieg und die Geschichte der Globalisierung

Sektion 6 – Erfahrung und Deutung des Weltkrieges
Leitung: Wencke Meteling (Marburg / Cambridge)

Tanja Bührer (Bern), Deutsche und afrikanische Kriegserfahrungen in den Kolonien

Susanne Kuß (Bern), Die deutsche Erinnerung an den Kolonialkrieg

Eckard Michels (London), Weltkrieg und Weltkrankheit: Die Spanische Grippe

Christoph Nübel (Berlin), Wo liegt der Erste Weltkrieg? Die Erfahrung des globalen Krieges

Johannes Hürter (München), Die Deutungen des globalisierten Krieges durch die Führung der Wehrmacht


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Published on
18.09.2014
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