Les changements dans les modèles culturels du travail en Afrique: Une approche comparative

Les changements dans les modèles culturels du travail en Afrique: Une approche comparative

Organizer(s)
Université Cheikh Anta Diop (UCAD), Dakar, Senegal; Internationales Geisteswissenschaftliches Kolleg „Arbeit und Lebenslauf in globalgeschichtlicher Perspektive“, Humboldt-Universität zu Berlin; Institut für Asien- und Afrikawissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin
Location
Dakar, Senegal
Country
Senegal
From - Until
05.12.2011 - 07.12.2011
Conf. Website
By
Alexander Keese, Institut für Asien- und Afrikawissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Für eine geschichtswissenschaftliche Annäherung an die Erfahrung von Arbeit aus vergleichender Perspektive, aber gleichzeitig mit klarem regionalem Schwerpunkt und unter Einbeziehung einer forschungsstarken Partneruniversität, sind auf dem afrikanischen Kontinent Senegal, die Université Cheikh Anta Diop (UCAD), und darin die Faculté des Sciences et Technologies de l’Education et de la Formation (FASTEF) sicherlich erste Wahl. Die FASTEF bietet in ihren Reihen eine Auswahl führender senegalesischer Historiker. Babacar Fall, unter anderem international bekannt durch seine bahnbrechenden Arbeiten zu kolonialer Zwangsarbeit im westlichen Afrika, war so naturgemäß ein zentraler Anlaufpunkt für die von der UCAD gemeinsam mit dem Internationalen Geisteswissenschaftlichen Kolleg „Arbeit und Lebenslauf in globalgeschichtlicher Perspektive“ (re:work) und dem Institut für Asien- und Afrikawissenschaften, beide an der Humboldt-Universität zu Berlin, durchgeführte Konferenz. Zugleich hat der Senegal innerhalb (zumindest des französischsprachigen) Westafrikas eine spezifische, historisch gewachsene Bedeutung als Zentrum bereits der kolonialen Organisationsbildung von Arbeitern.

ANDREAS ECKERT (Berlin) führte in seinem einleitenden Vortrag den Stereotyp der „afrikanischen Arbeitskultur“ aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive ad absurdum, und wies darauf hin, dass das Fortleben dieses Stereotyps zum Teil in Verbindung gesetzt werden kann mit der verhältnismäßig geringen Zahl an Forschungsarbeiten zu zentralen Punkten des Themas Arbeit mit Bezug auf den afrikanischen Kontinent. Andreas Eckert, der die prinzipiellen Forschungsprobleme zur Geschichte von Arbeit in globaler Perspektive auf fünf Kernfragen zuspitzte – den starken Fokus auf Lohnarbeit; das technologiebezogene Paradigma; die Schwerpunktsetzung auf Industriegesellschaften; die Konzentration auf das 20. Jahrhundert und den „westlichen“ Arbeiter; schließlich die Tendenz zu dichotomischen Interpretationen, etwa zwischen freier und unfreier Arbeit oder kapitalistischem und nichtkapitalistischem Organisationssystem – stellte zudem Überlegungen an, die das Fortbestehen der stereotypen Idee vom „faulen Afrikaner“ als Mittel dafür identifizieren, eine Diskussion über die längerfristigen Effekte kolonialer Kontrolle in diesem Sektor zu vermeiden. Die Gefahren der allgegenwärtigen Generalisierungen zeigten sich etwa in den Stellungnahmen zu einer Dominanz des „afrikanischen informellen Sektors“ im urbanen Bereich, einem Sektor, hinter welchem sich, oftmals unbemerkt, ein überaus funktionstüchtiges System verbirgt. In diesem wie in anderen Fällen verstellten die existierenden Stereotype den Blick auf effektive Funktionsmechanismen.

Ein erstes thematisches Panel wandte sich im Detail den Repräsentationen und Bedeutungen von Arbeit zu. MAGUEYE KASSÉ (Dakar) diskutierte den Einfluss von Klischees auf die Beziehungen zwischen senegalesischen und deutschen Unternehmen. Er arbeitete eine Reihe von Missverständnissen im Austausch zwischen solchen Unternehmen heraus, und kam in der Folge zu dem Schluss, dass ein stereotypisiertes Bild „des Schwarzen“ noch immer eine Reihe von Vorannahmen über Charaktereigenschaften transportiert. Kassé vermutete, dass derartige Einordnungen teilweise durchaus Elemente der Sichtweisen der Anti-Sklaverei-Bewegungen aus dem 18. und 19. Jahrhundert integrierten, aber letztlich die Vorstellung „afrikanischer Faulheit“ ihre dominante Stellung im Diskurs behielt.

RACHEL PETROCELLI (Los Angeles) wies auf die Notwendigkeit des Erwerbs von finanziellen Ressourcen im kolonialen Dakar hin, welche vielen Bewohnern des Stadtgebietes von Dakar grundsätzlich fehlten. Die Schwierigkeiten, auf offiziell akzeptierten Wegen ein für das Leben in der Stadt genügendes Auskommen zu haben, trieben viele Stadtbewohner in die informelle Ökonomie. Über damit zusammenhängende Strukturen wie das florierende inoffizielle Kreditwesen mit dem Einsatz von Sachpfändern oder Personen als Sicherheiten war die koloniale Verwaltung oftmals vollständig uninformiert. Die Bemühungen, unter dem Front Populaire 1936 bis 1938 dieses informelle Kreditwesen schließlich zu unterbinden, scheiterten an den unverändert schwierigen Rahmenbedingungen des urbanen Lebens.

ALFRED INIS NDIAYE (Saint-Louis/Senegal) betonte die kulturspezifischen Rahmenbedingungen der Wolof-Gesellschaft, in welcher das binäre Gegenüber von géer (Freien) und néeño (Kastengebundenen) eine essentielle Rolle spielte. Damit waren etliche Berufsausübungen in der Produktion von Gütern innerhalb einer geschlossenen Gesellschaftsordnung bereits klar definiert. Die Entkoppelung des Konsums von der Produktion im Rahmen der Kolonialzeit, aber auch Schulbildung und schließlich die ökonomischen Krisen der postkolonialen Periode stellten aus Ndiayes Sicht diese Strukturen grundlegend in Frage.

Das zweite Konferenzpanel widmete sich den Zusammenhängen zwischen Wasser, Land und Arbeit. SULE EGYA (Abuja/Nigeria) diskutierte die poetische Verarbeitung der Wasserthematik in Nigerias Zivilgesellschaft. Poetischer Text konstruiere hier eine organische Verbindung zwischen Flusslauf und Gemeinschaft. Dies wiederum verschaffe den Literaten Aufmerksamkeit in der politischen Kritik an Umweltproblemen.

AMADOU MAMADOU CAMARA (Dakar) betrachtete demgegenüber die praktischen Probleme der Landnutzung in der Region des Senegal-Flusses. Als Folge eines dramatischen Exodus erwachsener Männer aus der Region legte er auf der Grundlage von statistischem Material dar, dass landwirtschaftliche Arbeit zunehmend zur alleinigen Domäne von Frauen wird. Dies bringe andere soziale Probleme mit sich, verstärke etwa die Zugangshürden für Mädchen zum Schulbesuch.

Das dritte Konferenzpanel beschäftigte sich mit Systemen unfreier Arbeit. ABDOUL SOW (Dakar) analysierte die kolonialen Praktiken der Nutzung von Zwangsarbeit in der Erdnussregion des Sine-Saloum, und konzentrierte sich dabei stark auf die Rolle der chefs de cantons (Chiefs) als ausführende Arme der Kolonialverwaltung und zugleich verborgene Nutznießer der kolonialen Realität. Abdoul Sow legte dar, dass vor allem die Praxis der obligatorischen Arbeit auf von Kolonialbeamten als öffentliche Flächen bewirtschafteten Feldern den Chiefs die Tür zu Missbräuchen öffnete. Aus der Sicht der kolonialen Verwaltung illegal, aber ungeahndet, nutzten „traditionelle Machthaber“ die koloniale Zwangsarbeit für ihre eigenen Felder. Als die französische Kolonialverwaltung das Zwangssystem in der Zwischenkriegszeit umgestaltete, verstanden die Chiefs es wiederum, die veränderte Praxis zu ihrem Nutzen zu manipulieren.

Ein lateinamerikanischer Vergleichsfall wurde durch ANA PIZARRO (Santiago/Chile) mit Bezug auf die Kautschukgewinnung im Amazonasgebiet eröffnet. Ihre literaturwissenschaftliche Perspektive eröffnete interessante Einsichten in das Anwerbe- und Ausbeutungsschema unfreiwilliger Arbeitskräfte. Sie kontrastierten mit der auf der Konferenz dominierenden afrikabezogenen Perspektive.

Die Analyse von PATRICK HARRIES (Basel) nahm die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts und den Übergang von Sklavereipraktiken zu anderen Typen halbfreier Arbeit in der britischen Kapkolonie in den Blick. Nach 1808 wurde eine letzte Generation oftmals aus dem heutigen nördlichen Mosambik stammender Sklaven in halbfreie apprentices (Gesellen) umdefiniert. Apprentices konnten von ihren Herren zwar entlassen, aber nicht verkauft werden. Ab den 1820er-Jahren zeigte diese Bevölkerungsgruppe eine bemerkenswerte Fähigkeit zur Gruppenorganisation – sie organisierten Fluchtbewegungen im großen Stil und nutzten zugleich ihre legalen Möglichkeiten. Am Ende des Jahrzehnts hatten sie vielfach Allianzen mit liberaleren Landeignern geschlossen, mit denen sie autoritäre koloniale Kontrolle zu unterlaufen wussten. In der Folge wurden diese zunehmend schwieriger zu kontrollierenden Gruppen durch Kinderarbeit aus dem Vereinigten Königreich, irische apprentices und ehemalige Seeleute ersetzt.

RANA BEHAL (Delhi) stellte die Erfahrung von indischen Schuldknechten auf den Teeplantagen in Assam dar, welche bis ins 20. Jahrhundert hinein oftmals ohne jeglichen Arbeitsvertrag eingesetzt wurden. Für diese vom britischen Kolonialstaat unterstützten Formen von Knechtschaft waren Frauen- und Kinderarbeit von zentraler Bedeutung. Im Alltagsleben waren entsprechende Arbeitserfahrungen mit erheblichen sozialen Härten verbunden. Arbeiter leisteten durch die Manipulation von Arbeitsrhythmen und Produkten ebenso Widerstand wie durch offene Flucht. Ihre Vorgehensweisen erinnerten dabei an die von Harries vorgestellten Praktiken der apprentices in Südafrika, das Erbe solcher Erfahrungen spiegelt sich bis in die Gegenwart in Assam in Gesängen wider.

CELIA CUSSEN (Santiago/Chile) hob in ihrem Vortrag über Sklaverei und Arbeit im kolonialen Santiago das im chilenischen Kontext oftmals stark vernachlässigte afrikanische Element hervor. Im späten 18. Jahrhundert war ein Viertel der Bevölkerung der Stadt schwarz, über Heiraten waren afrikanische Sklaven mit weiteren Gruppen der Stadtbewohner vernetzt. Afrikanische Sklaven wurden vor allem im Handwerk eingesetzt und erwiesen sich als eine gute Einzelinvestition. Die Freilassung als typische Option trug zur Stabilität in der Siedlergesellschaft bei; ehemalige Sklaven verstetigten die Institution durch eigenen Sklavenerwerb.

Ein viertes Panel zu Arbeit und Migration eröffnete CHIKOUNA CISSÉ (Abidjan) mit Überlegungen zur ambivalenten Rolle der benguistes, ivorischer Immigranten in Paris. Diese führen in Frankreich manuelle Arbeiten durch, welche in der Côte d’Ivoire vor der in den 1970er-Jahren einsetzenden Wirtschaftskrise Immigranten aus westafrikanischen Nachbarländern vorbehalten waren. Die Erfahrung in der Immigration in Paris, mit den damit verbundenen Erniedrigungen ökonomischer und sozial-administrativer Art, lösten jedoch die Abneigung solcher ivorischer Migranten gegen entsprechende Tätigkeiten in der Côte d’Ivoire selbst nicht auf – die Ablehnung bleibt demnach in Bezug auf das Leben in Abidjan und anderen Städten, in Momenten zeitweiliger oder permanenter Rückkehr, erhalten.

SUSANNE GEHRMANN (Berlin) demonstrierte anhand des Romans „Le docker noir“ (1956) und einer Kurzgeschichte aus „La voltaïque: la noire de …“ (1962) von Ousmane Sembène, sowie „Le ventre de l’Atlantique“ (2003) von Fatou Diome, den Wandel in der literarischen Auseinandersetzung senegalesischer Autoren mit der Gedankenwelt des Emigranten bzw. der Emigrantin. Sembènes Figuren des Dockers Diaw Falla und der Hausangestellten Diouana dienen der Dekonstruktion europäischer Stereotypen, aber sie enden letztlich in tragischem Widerstand. Fatou Diomes Hauptfigur Salie spielt demgegenüber zwar die Rolle des unterwürfigen afrikanischen Hausmädchens, aber sie betrachtet die Umwelt in ironischer Brechung. Wie Sembènes Figuren ist sie mit Rassismus und Sexismus konfrontiert, doch entlarvt sie das schwache Fundament der Träger dieser Sichtweisen durch ihre eigenen Beobachtungen, und ironisiert die Migrationserfahrung in selbstbewusster Weise.

Eine anthropologische Analyse der Arbeitsmigration im ländlichen Niger bot JAN-PATRICK HEISS (Zürich), der solche Migration als ergänzende Erwerbsform zu prekärer Agrarwirtschaft diskutierte. Aus der im Speziellen betrachteten Siedlung wandern junge Männer phasenweise ins nördliche Nigeria, wo sie im urbanen Raum als Straßenverkäufer von Tee und Brot tätig werden. Diese Wanderung führt zur Schaffung von einer Art von berufsbezogenem Sozialumfeld, in welchem know-how vermittelt wird, dabei fallen innerhalb der Migrantengruppe familiäre Bezugskontexte für die Zeit der Wanderung weg. Im nigerianischen Umfeld leiden die Arbeitsmigranten jedoch unter dem Fehlen sozialer Kontakte und der Stigmatisierung als Ausländer.

MARIE RODET (London) legte für die Migrationsströme im Zusammenhang mit Wanderarbeit in den Senegal dar, dass sich die Untersuchung weiblicher Wanderung im kolonialen Kontext als schwierig erweist. Andere Aspekte von Arbeitsmigration in der Region blieben ebenfalls im Verborgenen: so verweigerten die französischen Kolonialautoritäten sich der festen Ansiedlung der Migranten aus dem heutigen Mali auf senegalesischem Territorium, zugleich jedoch wurden offenbar noch in den 1940er-Jahren durch lokale Chiefs die Rekrutierungen von Arbeitern für den Erdnusssektor des Senegals unter Zwang vorgenommen. Goldsucherinnen wiederum fanden eine Alternative in diesem boomenden Arbeitsbereich, die ihnen zugleich eine autonome Position gegenüber ihren männlichen Kollegen eröffnete. In den kolonialen Quellen bleiben diese Arbeiterinnen weitestgehend unerwähnt.

Eine längere Perspektive auf die joor-joor, die Bewohner der historischen Reiche von Kajoor und Jolof, wählte VALY FAYE (Dakar), um den Wandel von Migration von einem innersenegalesischen und temporären zu einem transatlantischen Wanderungsstrom darzustellen. Trotz kolonialer „Befriedung“ beendete die Auslaugung der Böden und die soziale Krise in Folge der Massenrekrutierung während des Ersten Weltkriegs den Boom in Senegals alter Agrarregion (Kayor, Bawol, Jander). Sie führte zunächst zu innersenegalesischer agrarischer Wanderung in den Saluum. Eine dritte Phase vor allem ab den 1970er-Jahren läutete als Reaktion auf weitere Verarmung auch im Saluum, die Emigration nach Europa ein.

ELHADJI AMADOU NDOYE (Dakar) untersuchte die sozioökonomische Lebenssituation von afrikanischen Immigranten in Spanien. Die Tätigkeit dieser zumeist jungen männlichen Einwanderer konzentrierte sich in der Landwirtschaft, dem Bausektor, dem Kleinhandel und dem Hotelwesen; ihre Situation erschwerte sich erheblich mit dem Aufkommen der Wirtschaftskrise in Spanien seit 2008, zu deren ersten Leidtragenden sie zählten. In einem „neuen Europa mit extraterritorialen Grenzen“ werde aus Sicht des Vortragenden die Verschärfung von Konflikten, etwa zwischen subsaharischen Migranten und spanischen Bürgern, gewissermaßen billigend in Kauf genommen.

Ein fünftes Panel diskutierte Arbeitsbedingungen und ihre Entwicklung. RICHARD ROTTENBURG (Halle) betrachtete die neuen, von europäischen Nichtregierungsorganisationen durchgeführten Zertifizierungspolitiken im Hinblick auf Produktionsstrukturen und damit verbundene Arbeitsbedingungen im subsaharischen Afrika. Konkretes Beispiel war hier die Produktion von Hibiskustee, in welcher Produktionsfirmen immer stärker dem Druck von NGOs zur Kontrolle des Produktionskontextes unterworfen sind. Richard Rottenburg stellte dabei die Schwierigkeiten in der Festlegung relativer Standards – im Bereich etwa des Zugangs der Arbeiter/innen zu Trinkwasser oder zu sanitären Anlagen – heraus, welche im untersuchten Fall dadurch verkompliziert werden, dass es sich bei den Arbeiterinnen um junge Mädchen mit Flüchtlingshintergrund (Hausa-Flüchtlinge aus Darfur) handelt, deren Status nicht ohne weiteres überprüft werden kann.

SVEN BECKERT (Harvard) wählte demgegenüber einen langfristigen, strukturellen und makroperspektivischen Ansatz, um die Gestaltung des Baumwollanbaus als zwischen Afrika und Europa bzw. Nordamerika organisiertes Arbeitsregime zu charakterisieren. Als Kernelement erwies sich dabei die bemerkenswerte Entstehung sehr unterschiedlicher Arbeitsformen trotz einer scheinbar universellen Bewegung hin zu kapitalistischer Arbeitsorganisation. Obschon die Verlagerung von Anbauregionen weg vom Osmanischen Reich, oder das Ende des Atlantischen Sklavereisystems, für das globale Baumwollsystem sowohl Brüche als auch Krisenphasen darstellten, lasse sich dieser Prozess vor allem als ein kontinuierlicher globaler Sozialkonflikt beschreiben. Hier habe neben der sozialen Lage von Landpächtern auch Arbeitszwang immer wieder eine Rolle gespielt.

Die Entwicklung des traditionell inspirierten Kunsthandwerkes im Senegal stand im Mittelpunkt des Beitrages von YOUSSOUPH MBANGANE GUISSÉ (Dakar). Im Senegal war das eigenständige Kunsthandwerk gegen 1930 fast gänzlich zerstört und wurde in der Folge auch in der Historiographie weitgehend ignoriert. Guissé zeigt jedoch anhand eines biographischen Ansatzes mit Bezug auf den Textilkünstler Ndiaye Ba, dass der Wille zur Neuauffindung von Kernmotiven der lokalen Kulturen vorhanden ist. Die Suche nach „der Tradition“ beinhaltet dabei durchaus sehr detaillierte Recherchen und Rückbezüge.

Das sechste Panel stellte Arbeit, soziale Transformationen und Globalisierung zur Diskussion. BILL FREUND (Durban) konstatierte, dass der politische Wandlungsprozess in Südafrika seit dem Ende der Apartheid Fragen der Lebenssituationen und Rechte von Arbeitern auch in der historischen Forschung weitgehend überlagert habe. Die Einstellung von Arbeitern durch den Staat und die Entwicklung der Beziehungen zwischen diesen Arbeitern und dem African National Congress (ANC), inzwischen eine Schlüsselfrage in der Innenpolitik Südafrikas, hätten freilich neuen Analysebedarf geschaffen. Der Gegensatz zwischen einer Mittelschicht mit gewissem Lebensstandard und einer verarmten Mehrheit, die Rolle der Gewerkschaften, das Auftreten neuer Streiks und die Entwicklungen in der ANC-Jugend, welche mit quasi-faschistischen Programmen auftritt – all diese Faktoren geben Fragen von Arbeit in der südafrikanischen Diskussion nunmehr eine neue Bedeutung.

BABACAR NIANE (Dakar) behandelte die Entstehung einer neuen Gruppe von „Entrepreneurs“ im informellen Sektor des Senegal, die auch eine Neubewertung der zuvor vielfach von den Eliten verächtlich betrachteten Rolle der bana-bana mit sich bringt. Diese Kleinhändler, in der frühen postkolonialen Periode oft als „Landplage“ bewertet, gewannen seit den 1980er-Jahren angesichts des Niedergangs des senegalesischen Wohlfahrtssystems an Bedeutung. In den aktuellen Formen von Handel und Marktgestaltung, so Niane, treten diese Personen nun als „Strategen“ hervor, die neben „westlichen“ kommerziellen Merkmalen auch die Netzwerke von „Clan“ und „Stamm“ zu nutzen wüssten. Sie verbänden zugleich im Sinne eines „Neo-Management“ massive Flexibilität mit Zuverlässigkeit.

In dem Vortrag von FRANÇOISE BOURDARIAS (Bamako) stand der Einfluss chinesischer Firmenübernahmen bzw. -leitung auf Sozialstrukturen und Wahrnehmungsmuster in Mali im Fokus. Ein arbeitsvertraglich organisiertes Arbeitsverhältnis in einem Betrieb wird vom Gros der Bevölkerungen inzwischen als Lebensideal angesehen. Dass in von chinesischen Arbeitgebern geleiteten Firmen 85 Prozent der malischen Arbeiter (gegenüber 40–50% in den ehemaligen Staatsbetrieben, die noch in malischer Hand sind) ohne solche Verträge arbeiten müssen, trägt neben antichinesischen kulturellen Stereotypen zu Anschuldigungen und Protesten bei – die sich jedoch vielfach auch gegen den Staat richten. Diesem werde vorgeworfen, seine Schutzfunktion sträflich zu vernachlässigen.

Im siebten Panel wandten die Vortragenden sich der Frage von Arbeit, Formen von Bewusstseinsschaffung und Widerstand zu. JOHN BARZMAN und KEVIN CROCHEMORE (Le Havre) diskutierten in diesem Zusammenhang exemplarisch die Entwicklung der International Federation of Transport Workers im afrikanischen Kontext. Diese ursprünglich von britischen, französischen und belgischen Gewerkschaften in die afrikanischen Kolonialgebiete eingeführte Organisation durchlief mehrere Phasen, die eng an nachkoloniale politische Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent gekoppelt waren. Barzman und Crochemore zeigten allerdings, dass abgesehen von weltanschaulichen Tendenzen die korporatistisch-beruflichen Spezialinteressen in der Langzeitbetrachtung eine vielleicht wesentlichere Rolle spielen, als dies bisweilen angenommen wurde.

JULIA SEIBERT (Berlin) ging in ihrer Analyse der Bewusstseinschaffung unter afrikanischen Bergbauarbeitern im Belgischen Kongo in den 1940er-Jahren vom Schlüsselereignis der Erschießung streikender Arbeiter in den Kupferminen von Lubumbashi, 1941, aus. Dieses Massaker war für die Arbeiter der Ausgangspunkt einer neuen Selbstwahrnehmung. Ironischerweise spielte in diesem Prozess die Politik der Minengesellschaft Union Minière eine Rolle, die in einer Art von paternalistischem Sozialexperiment Modellsiedlungen für ihre Arbeiter geschaffen hatte, welche bei der Überwindung „afrikanischer Sitten“ eine Funktion haben sollten. Dies schuf in der Tat neue Formen von Zugehörigkeit, allerdings mit der Entstehung einer Arbeiterklasse und der Eruption von Protesten anders, als es von der Union Minière und der belgischen Kolonialregierung vorgesehen gewesen war.

Die Ereignisse des Mai 1968 im Senegal wurden von OMAR GUÈYE (Dakar) als Resultat einer zu geringen Verankerung der protestierenden Studenten in anderen Gruppierungen der senegalesischen Gesellschaft eingeordnet. Entgegen den zeitgenössischen Kommentaren von Léopold Sédar Senghor und des Kultur- und späteren Bildungsministers Assane Seck stellte Omar Guèye heraus, dass sich die Studentenrevolte trotz des Engagements nichtsenegalesischer westafrikanischer Studenten nicht als „ausländisch gesteuerte“ Aktion beschreiben lasse. Es sei ebenso eine starke Mobilisation auch der senegalesischen Studenten festzustellen. Diese wurden durch eine Gegenmobilisierung, Milizeinsätze und Polizeirepression niedergeschlagen.

In einem abschließenden Diskussionspanel, an welchem neben ANDREAS ECKERT und MARCEL VAN DER LINDEN auch BENJAMIN STECK, FRANÇOISE BLUM, MARIE RODET, RACHEL PETROCELLI und RICHARD ROBERTS teilnahmen, wurden zentrale Themen im Hinblick auf eine längerfristige Entwicklung von labour history eingeordnet. Seit den 1990er-Jahren sei, aus Sicht der Panelisten, labour history global und pluralistisch ausgerichtet worden, und habe sich von eurozentrischen Vorannahmen befreit. Wichtig seien in der betrachteten Konferenz die Beleuchtung verschiedener Formen von Netzwerkbildung und Produktion; der Trend zu einem breiten Ansatz des Konzeptes von Arbeit an sich; die Einbeziehung der Faktoren der Naturumgebung und der sozialen Rahmenbedingungen; die Revision der literarischen Diskussion von Arbeit; die Einordnung von Arbeit als Produktionsmotor von Kategorien bzw. ihren Merkmalen, so etwa im Fall von Gender, und von Macht; der Blick auf den gesamten Arbeitsprozess einschließlich der Transformationen von Individuen innerhalb dieses Prozesses; die Gegenüberstellung einer lumpy globalization im Sinne von Frederick Cooper und einer hopping globalization nach der Vorstellung von James Ferguson; schließlich in der Infragestellung der Periodizität von Arbeit und der Frage nach dem „Traditionellen“.

Ein jedweder Kongress, der „das Regionale“ (den regionalen Area-Ansatz, hier bezogen auf die Region Westafrikas und im Speziellen vertreten durch die Geschichte und Sozialstruktur des Senegals) mit globalen Aspekten bzw. Vergleichsräumen zu verknüpfen sucht, muss notwendigerweise Abstriche in der Kohärenz der Themen hinnehmen. Während dies keine Überraschung ist, kann man jedoch festhalten, dass die Analyse einer wichtigen geographischen Region durch die Kontrastierung mit breiteren Thematiken durch die Konferenz erhebliche Impulse erhalten hat. Ebenso ist es bezeichnend und bemerkenswert, dass auf der Konferenz die historische Dimension von Arbeit im afrikanischen Raum eben nicht nur über die Schlagworte „Sklaverei“ und „Zwangsarbeit“ abgehandelt wurde, sondern diesen wichtigen Phänomenen ihr angemessener Platz in einer ganzen Reihe komplexer Beobachtungen zugewiesen wurde, welche Arbeit im Senegal, in der Großregion Westafrika und auf dem afrikanischen Kontinent kennzeichnen. Diese Herangehensweise kommt einer (sensibel geführten) Neustrukturierung der Debatte gleich.

Konferenzübersicht:

Andreas Eckert, re:work/Humboldt-Universität zu Berlin
La culture du travail en Afrique

Session I: Travail: représentation et signification
Chair: Djibril Samb, UCAD, Dakar, Senegal

Magueye Kassé, UCAD, Dakar, Senegal
L’Africain et le travail

Rachel Petrocelli, Loyola Marymount University, Los Angeles, Vereinigte Staaten
Making Money Work: Income beyond Employment in Colonial Dakar

Alfred Inis Ndiaye, Université Gaston Berger, Saint-Louis, Senegal
Travail et lien social: les conséquences sociales des nouveaux rapports au travail

Session 2: L’eau, la terre et le travail
Chair: Ineke Phaf-Rheinberger, Humboldt-Universität zu Berlin

Sule Egya, University of Abuja, Nigeria
Poetics of Water: An Ecocritical Reading of Nigerian Poetry on Water

Amadou Mamadou Camara, UCAD, Dakar, Senegal
Main d’œuvre et rapports de production en culture irriguée dans la vallée du fleuve Sénégal

Session 3: Le travail et Statut et Forme du travail dit non libre et/ou libre – Approche comparative tricontinentale: Afrique/Asie/Amérique latine
Chair: Richard Roberts, University of Stanford, Vereinigte Staaten

Abdoul Sow, UCAD, Dakar, Senegal
Le travail forcé des cultivateurs du bassin arachidier du Sénégal

Ana Pizarro, Universidad de Santiago de Chile, Chile
Récits du siringal, Brésil

Patrick Harries, Universität Basel, Schweiz
Forms of Unfree Labour in the Cape Colony, South Africa, before and after the end of slavery (1838)

Rana Behal, University of Delhi, Indien
Work and Life Cycle on tea plantations under indentured labour regime in Assam (India)

Celia Cussen, Universidad de Chile, Chile
Slavery and Work in Colonial Santiago, Chile

Session 4: Travail, mobilité, et migration
Chair: Benjamin Steck, Université du Havre, France

Chikouna Cissé, Université de Cocody, Abidjan, Côte d’Ivoire
La conjoncture des années 1980 et la crise du marché du travail en Côte d’Ivoire: d’Abidjan à Negue ou le Djossi des Ivoriens à Paris

Susanne Gehrmann, Humboldt-Universität zu Berlin
Du Docker Noir de Ousmane Sembène à l’Exilée lettrée de Fatou Diome: Le travail de l’émigré questionné par la littérature

Jan-Patrick Heiss, Universität Zürich, Schweiz
Work, Land and Migration in Niger

Marie Rodet, SOAS, London, Vereinigtes Königreich
Des migrations saisonnières méconnues: les chercheuses d’or du Haut-Sénégal (1900–1946)

Valy Faye, UCAD, Dakar, Senegal
Mobilité professionnelle et reconversion du paysan dior dior du Sénégal par la migration: du travail de la terre à la prestation de services à l’étranger

Elhadji Amadou Ndoye, UCAD, Dakar, Senegal
Travail clandestin et précaire des africains en Europe méditerranéenne (Espagne et Italie)

Session 5: Travail, conditions de travail, et innovations
Chair: Ousseynou Faye, UCAD Dakar, Senegal

Richard Rottenburg, Universität Halle
Collecting Hibiscus in Kordofan (Sudan): Global ethical supply chains and working conditions at the margins

Sven Beckert, Harvard University, Vereinigte Staaten
Labor Regimes in the Global Cotton Industry

Yousouph Mbargane Guissé, UCAD, Dakar, Senegal
Dynamisme et créativité dans les pratiques contemporaines d’artistes, d’artisans et de designers dans les secteurs du textile et de la fonderie en Afrique de l’ouest

Session 6: Travail, transformations sociales et globalisation dans le secteur formel et informel
Chair: Françoise Blum, Université Paris I, France

Bill Freund, University of KwaZulu-Natal, Durban, Südafrika
L’Afrique du Sud de l’après apartheid: Nouvelles tendances dans le monde du travail – déclin du prolétariat industriel et montée du secteur informel

Boubacar Niane, UCAD, Dakar, Senegal
Figures et logiques des managers de l’informel au Sénégal

Françoise Bourdarias, IRD, Bamako, Mali
Mobilité chinoise et dynamique culturelle au Mali

Session 7: Travail, formes de conscience et culture de résistance
Chair: Christian Chevandier, Université du Havre, France

John Barzman / Kevin Crochemore, Université du Havre, France
The International Federation of Transport Workers and Africa from 1943 to today, through its Congresses

Julia Seibert, re:work/Humboldt-Universität zu Berlin
La grève de 1941 dans les mines de cuivre de Lubumbashi, Congo Belge

Omar Guèye, UCAD. Dakar, Senegal
Mai 1968 au Sénégal

Abschließender Round Table „ Emergence des associations – Histoire & Travail en Asie, Amérique Latine et Afrique du Sud: rôle et acquis dans le développement de la recherche sur l’histoire du travail et du mouvement ouvrier“
Sprecher: Marcel van der Linden, IIHS, Amsterdam, Niederlande

Diskutanten: Andreas Eckert, Françoise Blum, Rachel Petrocelli, Richard Roberts, Marie Rodet, Benjamin Steck


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Published on
12.03.2012
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