Third ENIUGH Congress "Connections and Comparisons". Panel on "Connections and Integrations"

Third ENIUGH Congress "Connections and Comparisons". Panel on "Connections and Integrations"

Organizer(s)
European Network in Universal and Global History
Location
London
Country
United Kingdom
From - Until
14.04.2011 - 17.04.2011
Conf. Website
By
Manuel Müller/Frank Reichherzer/Andreas Weiß, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Der „Third European Congress on World and Global History“ stand angesichts des großen Interesses vor der Herausforderung, die Vielzahl der Beiträge in ein Schema einzupassen. Die Veranstalter entschieden sich für die nachvollziehbare Lösung, die Konferenz nach den in der derzeitigen Global- und Weltgeschichtsforschung dominierenden Themen zu gliedern. Das Thema der hier zu besprechenden Sektion „Connections and Integrations" umfasste zwei zentrale Aspekte der aktuellen Globalisierungsforschung: die Zunahme von Verbindungen zwischen zuvor getrennten Elementen („connections") und die daraus resultierende Entstehung neuer, umfassenderer Einheiten („integrations").

Im Fokus der Sektionen standen daher oft netzwerkanalytisch geprägte Ansätze. So geriet insbesondere die Rolle von Akteuren in den Blick, die zum einen in gegebenen Strukturen agierten, zum anderen aber auch selbst durch ihr Handeln Strukturen schufen und dadurch Veränderungen herbeiführten. Dabei wurde deutlich, dass vereinfachende Theorien von der Globalisierung als modernisierende „Gleichmachung" kaum geeignet sind, Wandlungsprozesse zu erklären. Vielmehr war Globalisierung immer wieder durch lokale Gegebenheiten sowie Anverwandlungen und Einpassung in jeweilige Kontexte „vor Ort" geprägt.

Wegen der großen Anzahl der hier zu besprechenden acht Panels skizzieren wir hier nur beispielhaft die großen Leitlinien und Fragen der Sektion anhand einiger Panels und Vorträge. Diese Auswahl soll aber keinerlei Aussage über die Qualität der Beiträge treffen, sie dient lediglich dazu zentrale Eindrücke und Ergebnisse der Sektion vorstellen und diskutieren zu können.

Bereits im Namen war der netzwerkanalytische Ansatz im Doppelpanel „Global Challenges and Transnational Networks" zu erkennen. Insbesondere die Vorträge von REINHARD BLÄNKNER und von CHRISTINA REIMANN verdeutlichten hier die Bedeutung von transnationalen Kontakten für letztlich nationale Entwicklungen wie den Konstitutionalismus und die Entstehung einer nationalen Zivilgesellschaft. So interagierten die beteiligten Akteure miteinander auf einer transnationalen Ebene und lernten dabei voneinander Politiken, Strategien und Organisationsformen, die sie danach in jeweils eigener anverwandelter Form im nationalen Rahmen anwandten.

KARWAN FATAH-BLACKs Beitrag „Free and enslaved labour on Paramaribo’s waterfront, 1680-1795" aus dem Panel „Going Dutch? Cooperation and Conflict during Dutch Encounters in the Early-Modern World" sowie das Panel „Writing China into World History: Differing Perspectives from the Early 20th Century" zeigen besonders klar, welche Bedeutung das Zusammenspiel von Ort und Zeit sowie die sich daraus ergebenden spezifischen Settings und Situationen für die Frage nach der Entstehung von Verbindungen und die Integration in ein globales System spielten. Fatah-Black betonte in der Diskussion seines Beitrages, welche zentrale Rolle der waterfront, dem Hafenbereich der surinamesischen Stadt Paramaribo, für die Interaktion zwischen schwarzen Sklaven und weißen Matrosen zukam, da der Bewegungsraum beider Gruppen juristisch und praktisch auf diese Zone beschränkt war. Diese räumliche Nähe führte zu einer Solidarisierung der weißen Matrosen mit den schwarzen Sklaven, die zum einen bis zu aktiver Fluchthilfe ging und zum anderen zur Herausbildung eines spezifischen Klassenbewusstseins dieser „Lohnarbeiter" führte. Dieser Diskurs blieb nicht nur auf die lokale Ebene begrenzt, sondern diffundierte in die internationale Auseinandersetzung um Lohnarbeit und Sklaverei im ausgehenden 18. Jahrhundert. Das Panel „Writing China into World History" zeigte an drei Beispielen Prozesse der Einbindung einiger chinesischer Regionen in globale ökonomische Beziehungen und politische Debatten. Besonders das Beispiel über das ostchinesische Zentrum der Textilverarbeitung Wuxi (TOBY LINCOLN) zeigt aber, wie lange trotz einer massiven Integration der dortigen Seidenindustrie in den Weltmarkt traditionelle Herstellungsmethoden fortdauerten und Integration in globale Prozesse nicht automatisch einen Modernisierungsschub mit sich bringen muss.

Einen geradezu paradigmatischen Fall eines globalen Netzwerkes, in dem sich aus einer neuen technischen Infrastruktur auch neue Kommunikationszusammenhänge und Akteurskonstellationen ergaben, nahm das Panel „Telecommunications: Connections and Dis-Connections" in den Blick, das sich mit dem Telegrafennetz des 19. Jahrhunderts auseinander setzte. Wie die Vorträge verdeutlichten, trug jedoch auch dieses nicht einfach zur Intensivierung der weltweiten Kommunikation bei. Vielmehr war es bei seiner Entstehung und Nutzung von zahlreichen Kontextbedingungen geprägt, die zu gravierenden Asymmetrien führten: Der Telegraf bedeutete daher nicht nur Verbindung, sondern immer wieder auch Ausgrenzung. Am offensichtlichsten ist die Rolle einzelner Akteure an der Class of 1866 zu erkennen, dem führenden Netzwerk von Telegrafeningenieuren und -finanziers. Wie SIMONE MÜLLER-POHL zeigte, spielten deren Vorstellungen davon, für welche Zwecke und Menschengruppen telegrafische Kommunikation interessant sein würde, eine zentrale Rolle bei der Entscheidung über neue Kabelverlegungen – nicht zuletzt mit der Folge, dass das als Markt uninteressant scheinende Afrika vom globalen Telegrafennetzwerk abgekoppelt blieb. Doch auch die anderen Vorträge betonten, wie spezifische Kontexte die Kommunikationsexpansion durch das Telegrafennetz beeinflussten und häufig hemmten: So ermöglichten rechtliche Einschränkungen in Indien es nur englischsprachigen Zeitungen, internationale Nachrichten über das Telegrafennetz zu empfangen und abzudrucken (AMELIA BONEA). Und obwohl Telegramme gerade für die Beherrschung des weltumspannenden britischen Empire die Kommunikation hätten erleichtern können, hatte das etablierte Verwaltungssystem Schwierigkeiten, diesen neuartigen Schriftstücktyp zu integrieren – sodass Telegramme in der Kommunikation zwischen Kolonialverwaltung und Foreign Office über das ganze 19. Jahrhundert hinweg nur einen inoffiziellen Charakter hatten und die langsameren traditionellen Kommunikationsmittel nicht ersetzen konnten (PAUL FLETCHER). Lediglich punktuell löste der Telegraf hier neue Dynamiken aus, etwa während des Hooper-Skandals in Burma 1885, der sich nur dank des neuen Mediums in den Londoner Zeitungen verbreitete, was seinerseits die Behörden zu einer beschleunigten, telegrafengestützten Reaktion und intensivierter Kommunikation zwang (ROLAND WENZLHUEMER).

Im Doppelpanel „Fascism: Transnational and Global Connections" fanden sich zwei parallel eingereichte Konzepte zusammen, die einerseits die Frage nach den innereuropäischen Transfers sowie andererseits nach globalen Anschlussmöglichkeiten und Anverwandlungen faschistischer Ideen in außereuropäischen Kontexten in den Blick nahmen. Beide fügten der Forschungsdebatte über Faschismus/Nationalsozialismus eine gewinnbringende Reflexions- und Erkenntnisebene hinzu. In der Gruppe der auf Europa bezogenen Vorträge des Panels wurden die grenzüberschreitenden Wirkungen von Ideen, Konzepten und Modellen und ihre Einpassung in die jeweiligen Umstände und Anwendungsbereiche aufgegriffen. Das Panel richtete seinen Blick vor allem auf den Faschismus „in action" und weniger auf theoretische Modelle einer Faschismusdefinition. Dass bei den Vorträgen im Dunkel blieb, was unter „dem Faschismus" oder dem Label „faschistisch" überhaupt zu verstehen ist, war nur auf den ersten Blick einen Schwäche. Denn in der Gesamtschau auf die Beiträge und in den Diskussionsrunden zeigte sich, dass gerade die zeitgenössischen Etikettierungen in spezifischen, außereuropäischen Kontexten, aber auch innerhalb Europas, von Bedeutung waren. Auch hier zeigt sich also, dass „der" Faschismus auf globaler Ebene nicht als ein homogenes Phänomen zu verstehen ist, sondern nur mit seinen Modifikationen, selektiven Aneignungen und Ausblendungen, Umdeutungen sowie abweichenden Interpretationen im jeweiligen lokalen Zusammenhang. Der Beitrag von MARIA FRAMKE lenkten den Blick auf Expat Communities als Interpreten, Deutungsspezialisten und Transmitter. GUIDO MÜHLEMANN machte am Beispiel Chinas auf die Einpassungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten in bestehende Traditionen philosophischen und politischen Denkens aufmerksam. STEVEN WOODBRIDGE und BRUNO DE WEVER konzentrierten sich auf Einzelpersönlichkeiten und entstehende Netzwerke als Transporteure von Konzepten. Auf die Modelle, Praktiken und Expertennetzwerke konzentrierte sich PATRICK BERNHARD, der Aneignungsprozesse und Lernformen durch NS-Deutschland mit Blick auf die italienische Siedlungspolitik in Libyen betrachte. PETER WIEN machte am Beispiel der arabischen Welt und der Dekolonisationsbestrebungen in diesem Raum auf die Rolle des regionalen Kontextes sowie die Bedeutung von Traditionen, Zielen der Akteure und Elementen der Aneignung aufmerksam.

Die Debatten über die globale Rolle faschistischer Ordnungskonzepte und ihre Anverwandlungen zeigten zudem beispielhaft einen Trend auf, der nicht nur die Sektion „Connections and Integrations", sondern die gesamte Konferenz durchzog: Globalgeschichte lässt sich gewinnbringend vor allem auf drei Arten betreiben. Erstens durch das Fokussieren auf spezielle Fälle und reale wie imaginierte „Orte", an denen sich das das Große im Kleinen zeigen lässt; zweitens als Verbundforschung, die verschiedene Ansätze und Spezialgebiete mithilfe einer konkreten Fragestellung um einen bestimmten Gegenstand herum verschaltet. Vor allem für letztgenanntes bilden Netzwerktreffen wie dieses einen unschätzbaren Gewinn und können das Verständnis für Welt- und Globalgesichtsschreibung fördern. Als dritter Ansatz für „Interactions" und vor allem für „Integrations" wäre der Blick auf zentrale Institutionen – wie Internationale Organisationen und global agierende Unternehmen – und deren Umgang mit heterogenen regionalen Gegebenheiten interessant gewesen. Diese wurden in dieser Sektion erstaunlicherweise kaum behandelt. Hierzu boten jedoch die anderen Sektionen zahlreiche Anregungen.

Third ENIUGH Congress „Connections and Coparisons“ – Panels on „Connections and Integrations“

Fascism: Transnational and Global Connections
Convenors: Peter Wien (College Park), Maria Framke (Bremen), Andrea Mammone (London)

Patrick Bernhard (Berlin): From Libya to the Generalgouvernement. Italian colonialism as a model for the German planning in Eastern Europe
Fabio Bertonha (Maringà): A “Foreign Legion” for Mussolini? A transnational experience of fascists volunteers during the Ethiopian War
Bruno De Wever (Gent): Belgium as an extreme-right “crossroad” for Latin and Germanic influences
Maria Framke (Bremen): Perceptions of and interaction with European fascism in India in the 1930s
Andrea Mammone (London): "Encounters:" Cultural and political fascistic transfer across interwar France and Italy
Guido Mühlemann (Zurich): China’s experience with militarism
Peter Wien (College Park): Between the Local and the Global: Fascism and Fascistic Trends in the Arab Middle East during the colonial period
Steven Woodbridge (London): Universal Fascist: The Career and Transnational Ideology of Major James Strachey Barnes

Going Dutch? Cooperation and Conflict during Dutch Encounters in the Early-Modern World
Convenor: Matthias van Rossum

Karwan Fatah-Black (Leiden): Free and enslaved labour on Paramaribo's waterfront, 1680-1795
Frasie Hertroijs (Amsterdam): Meeting the Dutch: cooperation and conflict between Jesuits and Dutch merchants in Asia, 1680-1795
Diana Raesner (Los Angeles): The ‘Republic of Letters’ in Asia: Intellectual Network Formation and Knowledge Exchange in the seventeenth-century Dutch East Indies Company
Matthias van Rossum (Amsterdam): Cooperation and conflict in a global labour market: Asian and European sailors working for the VOC

Telecommunications: Connections and Dis-Connections
Convenor: Michael Mann

Amelia Bonea (Heidelberg): Channels of Communication and Newspaper Identity in Nineteenth-Century India
Paul Fletcher (Heidelberg): the Conversation of Empire: Official Correspondence and Telegraphic Communication, c. 1870-1900
Simone Müller-Pohl (Berlin): Wiring the World. The Class of 1866 and Global Network Expansion
Roland Wenzlhuemer (Heidelberg): The Perfect Shot: Telegraphy and Crisis Management in late nineteenth-century British Burma

Writing China into World History
Convenor: Toby Lincoln

Toby Lincoln (Leicester): The Negative Side of Globalization: One Chinese City’s Response to Depression and War
Leon Rocha (Cambridge): Of Flying Eagles and Snatching Condors: Wu Baiheng (1894-1974), Condensed Milk and National Commodities in 1920s China
Andres Rodriguez (Southampton): Globalizing and Localizing 'Self-determination' in early Post-War China (1945-49)


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Published on
16.02.2012
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