Third ENIUGH-Congress “Connections and Comparisons”: Panels on "Aisles, Spaces and Arenas of Globalisation“

Third ENIUGH-Congress “Connections and Comparisons”: Panels on "Aisles, Spaces and Arenas of Globalisation“

Organizer(s)
European Network in Universal and Global History
Location
London
Country
United Kingdom
From - Until
14.04.2011 - 17.04.2011
Conf. Website
By
Romain Faure, Georg-Eckert-Institut, Braunschweig

Beim Besuch der hier besprochenen Panels des Third ENIUGH Congress, „Connections and Comparisons“, konnte man sich nur schwerlich eine Vorstellung vom übergeordneten Themenbereich machen. „Wege, Räume und Arenen der Globalisierung“, so hieß der Abschnitt der Konferenz und am Ende der vier Tage musste man wenig überraschend feststellen, dass es zahlreiche Wege, Räume und Arenen zu untersuchen gibt und dass diese kaum zu umschreiben sind. So wurden die tridentische Eheschließung, der elektrische Telegraph, die Diffusion der bürgerlichen Ideologie und die Bekämpfung des Alkoholismus auf ihren Bezug zur Globalisierung hin untersucht, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Gleichwohl ließen die thematisch sehr breit angelegten Beiträge einige Trends hinsichtlich der Frage, wie heutzutage in der Geschichtswissenschaft an die Globalisierung herangegangen wird, erkennen.

Zunächst wurde ersichtlich, dass die immer noch junge historische Globalisierungsforschung eine Schwäche für bestimmte Untersuchungsfelder entwickelt hat. Wissen(schaft)sgeschichtliche Themen gehören sicherlich dazu. Der Begriff „Wissen“ war in London in aller Munde, bisweilen etwas unscharf definiert. In drei Beiträgen beschäftigten sich die Vortragenden direkt mit wissensgeschichtlichen Themen. MICHELA CATTO (Paris) untersuchte die jesuitische Wissensproduktion über China in der frühen Neuzeit. Sie zeigte, dass die Jesuiten die chinesische Eheschließung dadurch erklären konnten, dass sie sie mit vorchristlichen Sitten, wie sie in der griechischen und der römischen Literatur sowie im Alten Testament beschrieben werden, verglichen. Die Wissensproduktion über China stand ebenfalls im Mittelpunkt der Präsentation von KLAUS MÜHLHAHN (Berlin). Er legte dar, wie die National Studies in China nach der Errichtung der Republik (1912) im Kontext eines globalen Systems der Wissensproduktion entstanden. Die chinesischen Gelehrten, die sich der Geschichte der neuen chinesischen „Nation“ wissenschaftlich zuwandten, waren weitgehend auf die Arbeiten von Japanern und Europäern angewiesen. Ausländische Werke wurden ins Chinesische übersetzt und spielten zum Teil eine bedeutende Rolle bei der Etablierung eines Wissenskanons im Feld der chinesischen National Studies. Einen sozialgeschichtlichen Blick auf das globale System der Wissensproduktion lieferte SIMONE MÜLLER-POHL (Berlin). Sie machte deutlich, dass die Kooperation zwischen Telegraphie-Ingenieuren zunächst kosmopolitisch organisiert war, sich dann jedoch allmählich international strukturierte, als die Entwicklung der Telegraphie nationalen Strategien unterworfen wurde.

Ein zweites beliebtes Terrain der historischen Globalisierungsforschung situiert sich in einer erneuerten Politikgeschichte, die die transnationale Zirkulation von policies in den Blick nimmt. Anhand des Beispiels der internationalen Schulbuchrevision analysierte ROMAIN FAURE (Braunschweig/Paris) die Herausbildung und Diffusion von Versöhnungspolitiken in Europa unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Er wies in seinem Vortrag auf die engen Akteursnetzwerke zwischen verschiedenen Foren der Schulbuchrevision (Unesco, bilaterale Schulbuchkommissionen, Europarat) hin. Gegenstand des Beitrags von NIKOLAY KAMENOV (Zürich) waren internationale Organisationen und Verbände, die in den 1920er-Jahren den Alkoholismus in Bulgarien bekämpften. Kamenov stellte dabei erste Überlegungen zu der Frage vor, wie Kooperations- und Wettbewerbsmuster zwischen diesen Organisationen untersucht werden können. STEFAN RINKE (Berlin) ging ebenfalls auf die Geschichte der Alkoholismusbekämpfung in den 1920er-Jahren ein, zog jedoch den chilenischen Fall in Betracht. Er zeigte, dass sich das Modell der US-amerikanischen prohibition nie durchsetzten konnte, obwohl es von chilenischen Behörden gründlich beobachtet wurde. Letztendlich führten die Versuche, es zu importieren, zu einer strikten Abgrenzung und zur Entstehung eines spezifisch chilenischen Diskurses über Alkoholismus. In ihren Ausführungen zur Geschichte Gibraltars im Ersten Weltkrieg beschäftigte sich CAROLINA GARCÍA SANZ (Sevilla) mit der Entwicklung von modernen Nachrichtendiensten. So zeigte sie, dass sich die deutschen, britischen, französischen und spanischen Dienste zwischen 1914 und 1918 in einer transnationalen Dynamik von Beobachtung und Nachahmung rasant veränderten.

Der wichtigste erkennbare Trend bestand jedoch darin, dass die Globalisierung aus einer akteursbezogenen, „mikrogeschichtlichen“ Perspektive beleuchtet wurde – wie übrigens viele andere Phänomene, die in der heutigen Geschichtswissenschaft unter die Lupe genommen werden. In der Mehrheit der Vorträge standen die sozialen und individuellen Erfahrungen einer sich globalisierenden Welt im Vordergrund. Wohl gemerkt: Erfahrungen wurden nicht nur im passiven Sinne verstanden. Sehr oft wurden die Handlungsmöglichkeiten und das Gestaltungsvermögen der Individuen hervorgehoben. Die Themenwahl erwies sich als sehr vielfältig und begegnete der Gefahr, die SEBASTIAN CONRAD (Berlin) für die historische Globalisierungsforschung formulierte: sich lediglich auf die drei E – Europe, Elite, Economy – zu konzentrieren.

ANA DE ZABALLA BEASCOECHEA (Leioa) und PILAR LATASA (Pamplona) gingen in ihren Vorträgen auf die Diffusion der tridentischen Eheschließung in der frühen Neuzeit jeweils in Mexiko und in Lima ein. Beide hoben hervor, dass im ganzen 16. Jahrhundert die Formen der Eheschließung in der neuen Welt hybrid blieben. Sie zeigten außerdem, dass die „Indianer“ (eine zu der Zeit sehr flexible Kategorie) nicht zögerten, die spanische Justiz bei ehelichen Konflikten heranzuziehen. CHEN TZOREF-ASHKENAZI (Heidelberg) trug zur Geschichte deutscher Hilfstruppen in englischen und holländischen Kolonialkriegen im 18. Jahrhundert vor. Anhand von Egodokumenten stellte er fest, dass die Soldaten und Offiziere den kolonialen Diskurs meistens nicht hinterfragten und dass sie sich loyal verhielten, währenddessen die deutsche Aufklärung diese Kriege geißelte. Im Kontext der englischen Kolonialherrschaft in Westafrika identifizierte DMITRI VAN DEN BERSSELAAR (Berlin) lokale Aneignungen von Diskursen der Metropole. So machte er deutlich, dass die aus England kommende hygienische Moral von unterschiedlichen Teilen der westafrikanischen Bevölkerung in sozialen und politischen Konflikt als Ressource benutzt wurde. JESSICA BÖNSCH (Hamburg) wand sich in ihrem Beitrag der Konsumgeschichte in Mexiko unter dem Regime von Porfirio (1877-1911) zu. Anhand einer Analyse von Lokalzeitungen zeigte sie, dass die Arbeiter importierte Waren kaufen konnten und dass die ausländische Herkunft der Produkte ein verbreitetes Werbeargument darstellte. NATASCHA GENTZ (Edinburgh) beschäftigte sich mit den Lebenswegen chinesischer Studenten im Zeichen der Globalisierung zwischen 1870 und 1930. Dabei analysierte sie die Fremd- und Selbstwahrnehmungen der Studenten, als sie heimkehrten. Ihre Auslandserfahrungen in Japan, Europa und den USA wurden unterschiedlich angesehen und fungierten abwechselnd als Vor- oder Nachteil für ihre Karriere in China. Eine indische Sicht auf den frühen Fraueninternationalismus stand im Zentrum der Präsentation von JANA TSCHURENEV (Zürich). Sie konzentrierte sich auf die Figur von Pandita Ramabai (1858-1922) und auf ihre Wahrnehmung der Women’s Christian Temperance Union (WCTU), einer vom kolonialen Diskurs geprägten Organisation. Schließlich war die dynamische Technik- und Kommunikationsgeschichte vertreten, ebenfalls mit akteurfokussierten Beiträgen. JONAS HARVARD (Stockholm) untersuchte den Gebrauch des Telegraphs in Skandinavien zwischen 1850 und 1880. Jenseits des zeitgenössischen, geradezu messianischen Diskurses über globale Kommunikation, verwies er auf die verschiedenen Benutzungen durch die Akteure, von der Begeisterung norwegischer Fischer bis zu den Sabotageaktivitäten von Bauern und Förstern in Schweden. FRANK SCHIPPER (Eindhoven) erinnerte an Projekte für die Massenkommerzialisierung des Telegraphs im späten 19. Jahrhundert. Dabei stellte er die Pläne und politischen Visionen von drei europäischen Reformern vor.

Wie Globalisierungsprozesse von chinesischen Studenten, deutschen Söldnern, indischen Feministen und norwegischen Fischern erfahren und mitgestaltet wurden: das Panorama, das die Konferenz anbot, war erfreulich bunt und immer interessant. Dennoch stellte sich am Ende die Frage, ob und wie diese Fragmente einer Globalisierungsgeschichte systematisiert, hierarchisiert und in eine kohärente Erzählung integriert werden können. Die großen Theorien, die bei der Einordnung einzelner Forschungsergebnisse helfen, haben zurzeit keine Konjunktur. Eine der Ausnahmen bildet die Arbeit der hochangesehenen Wirtschaftshistorikerin DEIRDRE McCLOSKEY (Chicago), die in London ihre Theorie zur Erklärung der globalen Reichtumserhöhung vortrug. Ihre weberianisch eingefärbte Interpretation – McCloskey betont die wachsende gesellschaftliche Anerkennung der bürgerlichen Weltanschauung – mag angesichts der aktuellen Entwicklung der historischen Globalisierungsforschung ein wenig anachronistisch anmuten. Sie zeugen aber von einer anderen, makrogeschichtlichen und theorieorientierten Praxis der Geschichtsforschung, die in der Beschäftigung mit der Globalisierung nicht völlig abhanden kommen sollte.

„Aisles, Spaces and Arenas of Globalisation“: Übersicht über besprochene Panels:

Panel: Educational Spaces in Global Perspectives: Transfers and Connections
Convenor: Eckhardt Fuchs (Braunschweig)

Romain Faure (Braunschweig/Paris): “Shaping international educational education: the emergence of a transnational field of history textbook revision”
Joyce Goodman (Winchester): “The International Federation of University Women and international co-operation”

Panel: Historical Actors of Globalisation, 1860-1930 (Part 1)
Convenor: Sebastian Conrad (Berlin)

Natascha Gentz (Edinburgh), “Early Chinese student migration and the politics of maintaining boundaries”
Simone Müller-Pohl (Berlin), “`To put a girdle round the World in forty minutes´: The transatlantic telegraphs and cable transnationalism”
Jessica Bönsch (Hamburg), “Labour and Globalisation in Mexico City, 1876-1911”
Harald Fischer-Tiné (Zurich), “The global, the national and the local – a tale of two mansions”
Maria Moritz (Bremen), “In the `Spiritual League of Nations´: South Asian affiliates of the theosophical Movement around 1900”
Klaus Mühlhahn (Berlin), “Travel, translation and the re-envisioning of China in early 20th century”

Panel: Spread of Bourgeois Ideology
Convenor: Gareth M. Austin (Geneva)

Athanasios (Sakis) Gekas (Toronto): “Liberalism in the Mediterranean: Ionian merchants, free trade ideas and British commercial expansion”
Deirdre McCloskey (Chicago), “Bourgeois dignity and the origins of the modern world”

Panel: Temperance Societies and Anti-Alcohol Campaigns in Global History Perspective, ca. 1870-1940
Convenors: Jana Tschurenev (Zurich), Harald Fischer-Tiné (Zurich)

Dmitri van den Bersselaar (Berlin), “The local politics of temperance in British West Africa”
Nikolay Kamenov (Zurich), “Modes of coexistence – Anti-alcohol institutions competing and/or cooperating: Temperance activity in Bulgaria in the 1920s”
Stefan Rinke (Berlin), “A `country of alcoholics´: The futile attempts to prohibition in Chile in the early 20th century”
Irma Sulkunen (Tampere): “Temperance, nation and contested citizenship: A comparative perspective”
Jana Tschurenev (Zurich): “Returning the Gaze: The American Women’s Christian Temperence Union in Indian perspectives”

Panel: Global Wars: Regional and Cross-regional Perspectives
Convenor: Joan Pau Rubies (London)

Derek Elliott (Cambridge), “The Indian wars of the honourable company: Bombay 1720-1756”
Carolina García Sanz (Sevilla), “The strait of Gibraltar during the First World War: Economy, politics and transnational relations”
Jonathan Hyslop (Hamilton): “`Segregation has fallen on evil days´: World War, imperial restructuring and the racial politics of South Africa, 1941-1943”
Chen Tzoref-Ashkenazi (Heidelberg): “The colonial discourse of German auxiliary troops in the 18th century”

Panel: Tridentine Marriage in a Global Perspective: Tensions and Adaptations (Part 2)
Convenors: Paolo Aranha (San Domenico di Fiesole), Benedetta Albani (Frankfurt/Main), Michela Catto (Paris)

Michela Catto (Paris): “Tridentine Marriage in the Celestial Empire: Early Modern sacramental adaptations and transformations in China”
Ana de Zaballa Beascoechea (Leioa): “Del matrimonio prehispanico al matrimonio cristiano: La vision de los evangelizadores”
Pilar Latasa (Pamplona): “Marriage in Lima in the 16th and 17th Centuries : Law and practice”

Panel: Asymmetries of Technological Globalisation: The Electric Telegraph 1850-1950
Convenor: Jonas Harvard (Stockholm), Frank Schipper (Eindhoven), Simone Fari (Granada)

Yakup Bektas (Tokyo): “Futurism and the dualistic character of the electric telegraph”
Jonas Harvard (Stockholm): “Broken lines: Northern experiences of global telegraphy”
Frank Schipper (Eindhoven): “Access for all: Telegraph reformers and visions of use, 1865-1914”
Ana Paula Silva (Lisbon): “Particularities in Europe’s periphery: Portuguese telegraphs as global links, 1855-1939”


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Published on
16.02.2012
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