Black Sea and Baltic Sea Regions: Confluences, influences and crosscurrents in the modern and contemporary ages

Black Sea and Baltic Sea Regions: Confluences, influences and crosscurrents in the modern and contemporary ages

Organizer(s)
Romanian Association for Baltic and Nordic Studies (ARSBN)
Location
Târgoviste/Rumänien
Country
Romania
From - Until
20.05.2011 - 22.05.2011
Conf. Website
By
Stefan Donecker, Kulturwissenschaftliches Kolleg, Universität Konstanz; Stefan Ewert, Institut für Politik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Greifswald

Im Mai 2011 fand im rumänischen Târgoviste die zweite internationale Jahrestagung der Romanian Association for Baltic and Nordic Studies (ARSBN) zur nordischen und baltischen Geschichte statt. Die 2008 gegründete ARSBN kann mittlerweile auf eine bemerkenswerte Aktivität im Feld der Regionalstudien zum Ostseeraum verweisen. Neben der Herausgabe des „Romanian Journal for Baltic and Nordic Studies“ („Revista Română de Studii Baltice şi Nordice“) organisiert sie unter anderem Ausstellungen zum nordischen und baltischen Raum in Rumänien, unterstützt rumänische Wissenschaftler bei ihren Forschungen im Norden Europas und schreibt entsprechende Forschungspreise aus.

Im Gegensatz zur ersten Tagung 2010, deren Schwerpunkt auf den rumänisch-litauischen Beziehungen lag und an der deshalb vor allem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den beiden Ländern beteiligt waren, widmete sich die Konferenz 2011 dem Ostsee- und Schwarzmeerraum in ihrer Gänze und war auch in Hinblick auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer deutlich internationaler angelegt. Unter der Überschrift „Black Sea and Baltic Sea Regions: Confluences, influences and crosscurrents in the modern and contemporary ages“ fanden insgesamt sieben Panels und zwei Plenarvorträge statt, in denen die Verbindungen zwischen Schwarzmeer- und Ostseeraum und deren Gesellschaften seit dem Mittelalter thematisiert und die Vergleichbarkeit der beiden Regionen diskutiert wurden. Mit dem Thema legten die Veranstalter den Fokus auf die in den Area Studies bisher oft vernachlässigtes Frage nach den Kontakten zwischen bzw. dem Vergleich von zwei Regionen in historischer und aktueller Perspektive. Eingebettet waren die Vorträge und Diskussionen in ein umfangreiches Rahmenprogramm, in dem Gelegenheit zur Präsentation aktueller Publikationen gegeben wurde und das die Teilnehmer zu historisch ausgesprochen spannenden Plätzen der Region Târgoviste und der Walachei führte.

Das erste Panel, „Settlements, transfers, encounters and clashes in the Modern Age“, bildete gewissermaßen den frühneuzeitlichen Prolog zu einer überwiegend zeitgeschichtlich ausgerichteten Tagung. Die Vortragenden spannten den Bogen von gelehrten Fiktionen und imaginierten Völkerwanderungen im humanistischen Schrifttum des 16. und 17. Jahrhunderts bis hin zu Fragen der Selbst- und Fremdwahrnehmung im 18. und 19. Jahrhundert. Auch wenn dabei nur Schlaglichter auf ein breites Themenfeld geworfen werden konnten, gelang es den Vortragenden doch die Relevanz des Tagungsthemas auch für die Frühmoderne zu verdeutlichen.

Im Mittelpunkt der Tagung stand aber die politische Geschichte des 20. Jahrhunderts, insbesonders der Zwischenkriegszeit und des Zweiten Weltkrieges, ergänzt durch Ausblicke auf die Zeit des Kalten Krieges. Die Vorträge analysierten vor allem konkrete bilaterale Beziehungen zwischen Rumänien und einzelnen Ländern des östlichen Ostseeraumes bzw. nutzten Staaten der beiden Regionen als Vergleichsfolie für die Einzelfallbetrachtung spezifischer historischer Entwicklungen. So verortete VALTERS ŠCERBINSKIS (Riga) den Staatsstreich Kārlis Ulmanis in Lettland 1934 innerhalb der autoritären Entwicklungen in den Staaten des Ostsee- und Schwarzmeerraumes jener Zeit. Interregionale Bezüge wurden insbesondere im Vortrag CEZAR STANCIUS (Bukarest) erkennbar, der die These einer starken Annäherung Rumäniens an den skandinavischen Raum (und dabei vor allem Finnland und Schweden) entwickelte, die in den 1960er-Jahren einen rumänischen „dritten Weg“ zwischen den beiden großen Blöcken ebnen sollte.

Insbesonders im Bereich der Diplomatiegeschichte gelang es den Vortragenden, einige überraschende Perspektiven aufzuwerfen und ungewohnte Quellenbestände vorzustellen. So analysierte etwa KARI ALENSIUS (Oulu) die von der finnischen Botschaft in Bukarest während des Zweiten Weltkrieges erstellten diplomatischen Dokumente und deren Wirkung auf das Image Rumäniens in Finnland. Anhand dieses Fallbeispiels wurde deutlich, wie stark die Wahrnehmung einzelner Länder des Schwarzmeerraumes im Norden Europas von staatlichen Aktivitäten geprägt wurde. Hervorzuheben ist ferner der Beitrag von CLAUDIU-LUCIAN TOPOR (Iaşi), der die Aktivitäten des rumänischen Diplomaten Alexander Beldiman während des Ersten Weltkrieges schilderte. Beldiman versuchte eine gegen Russland gerichtete und von Deutschland unterstützte schwedisch-rumänische Allianz zu etablieren – eine Initiative, die von der rumänischen Regierung abgeblockt wurde, der jedoch das Potential zu einem drastischen Wandel des Kriegsverlaufes innewohnte.

Ein separates Panel beschäftigte sich mit einem der Schlüsselereignisse in der Geschichte des 20. Jahrhunderts, dem Molotow-Ribbentrop-Pakt. Die Vortragenden widmeten sich einerseits den unmittelbaren Konsequenzen des deutsch-sowjetischen Vertrages, die, dem Tagungsthema entsprechend, in einer vergleichenden Perspektive untersucht wurden, etwa in Hinblick auf die Umsiedlung der deutschsprachigen Bevölkerung aus Siebenbürgen ins Deutsche Reich und die Umsiedlung der Deutschbalten aus Estland und Lettland. Darüber hinaus wurde aber auch die Bedeutung des Molotov-Ribbentrop-Paktes für heutige Gedächtniskulturen in Nordost- und Südosteuropa thematisiert.

Mit dem Panel „Coping with the Other: Strategies, Policies and Comparisons between the Baltic and the Black Sea Areas“ wurde schließlich die Frage der Vergleichbarkeit beider Regionen in aktuellen Politikfeldern der Gegenwart aufgeworfen. Die Präsentation von Forschungsprojekten zur Rolle der beiden Regionen als Energiekorridore russischer Öl- und Gaspipelineprojekte nach Westeuropa oder zur Analyse regionaler Hochschulnetzwerke im Ostsee- und Schwarzmeerraum zeigten das Potential interregionaler Vergleiche auf. Deutlich wurde, dass regionenvergleichende Forschungsprojekte durch die Ähnlichkeit der beiden durch ökologisch sensible Binnenmeere definierten Regionen einen hohen analytischen Gewinn für die Area Studies versprechen, entsprechende Untersuchungen jedoch bisher weitgehend fehlen.

Umrahmt wurden die Panels durch zwei Plenarvorträge von BOGDAN MURGESCU (Bukarest), der vergleichende Betrachtungen zur Agrargeschichte Dänemarks und Rumäniens im 19. und 20. Jahrhundert präsentierte, und VESA VARES (Turku), der zur Wahrnehmung Osteuropas im Finnland der Zwischenkriegszeit sprach.

Insgesamt gab die Konferenz einen vielfältigen Einblick in die verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven auf historisch-kulturelle Kontakte und aktuelle Vergleichbarkeit von Ostsee- und Schwarzmeerregion. Gerade auch für Wissenschaftler, die aktuell an Forschungen zum Schwarzmeerraum oder der Ostseeregion arbeiten, bieten sich so interessante und spannende Anknüpfungspunkte und Erweiterungsmöglichkeiten. Die Area Studies können von dieser interregionalen Perspektive nur profitieren.

Die Diskussionen machten jedoch ebenso deutlich, dass fundierte Forschungen, die beide Regionen (und nicht nur einzelne Länder der Regionen) vergleichend betrachten, bisher kaum auszumachen sind. Die starke Betonung bilateraler Wechselwirkungen, bei der die Regionen selbst etwas zu kurz kamen, stellt vielleicht den einzigen Schwachpunkt einer ansonsten äußerst überzeugenden Tagung dar.

Es ist somit zu hoffen und zu erwarten, dass sich die internationale Jahrestagung der ARSBN schnell zu einem festen Termin etabliert und zu einem regen Austausch zwischen Ostsee- und Schwarzmeerregion und einer steigenden Anzahl interregional vergleichender Projekte führt. Eine Reihe der auf der Tagung referierten und diskutierten Vorträge sind mittlerweile in den beiden Ausgaben des „Romanian Journal for Baltic and Nordic Studies“ des Jahres 2011 veröffentlicht worden.

Im heurigen Jahr wird die dann dritte Konferenz unter dem Titel „European networks: the Balkans, Scandinavia and the Baltic world in a time of economic and ideological crisis“ vom 25. bis 27. Mai 2012 in Târgoviste stattfinden. Die Tagung ist im Vergleich zu den Veranstaltungen der vorherigen Jahre deutlich stärker auf aktuelle Entwicklungen ausgerichtet, spricht jedoch auch explizit Historikerinnen und Historiker an, ihre Forschungen zu ökonomischen und ideologischen Entwicklungen im Ostseeraum, in der Schwarzmeerregion und auf dem Balkan einzubringen.1

Konferenzübersicht:

Plenarvorträge
Bogdan Murgescu: Agriculture and the global division of labor. Denmark and Romania in comparison (19th-20th centuries).

Vesa Vares: The question of the “Other”. Image of Eastern Europe in Finland between the World Wars.

Panel 1: Settlements, transfers, encounters and clashes in the Modern Age

Stefan Donecker: Wallachian Settlements in the Baltic Sea Region. A Humanist Fable and its Implications for the Symbolic Geography of Early Modern Europe

Will Smiley: Being Russian in the Ottoman Empire: Identity, Unfreedom, and International Law

Mihaela Mehedinţi: Relations between Transylvania and the Nordic countries in the 19th century as seen in Romanian periodicals. A quantitative and qualitative analysis

Panel 2: Romania and the Eastern Baltic in the interwar period

Florin Anghel: In-between parallel windows. Romania and Latvia in the framework of “cordon sanitaire” buildup

Dalia Bukelevičiūtė: The Little Entente and Romania from the perspective of Lithuanian politicians in the 1930s

Valters Šcerbinskis: The Coup of 1934 in a Latvian and Eastern European Context

Eriks Jekabsons: The activities of Latvian envoy Ludvigs Ekis in Romania 1939-1940: the Latvian sources

Dimitris Michalopoulos: Un popor cu doua drapele... The Romanian-Polish interwar relations

Panel 3: Coping with the Other: strategies, policies and comparisons between the Baltic and Black Sea areas

Imbi Sooman: Comparative study of the situations of old and “new” minorities in the Baltic and the Black Sea Regions

Olga Cara: Latvian Russians or Russian Latvians: linguistic strategies in Latvia

Cosmin Popa: Alternative routes of Russian oil and gas in the Baltic and Black Sea: economic and political stakes

Stefan Ewert: Regional Higher Education Co-operation: The Baltic Sea and the Black Sea Compared

Panel 4: The diversity of block unity: exploring the Cold War in the Black Sea and Baltic Sea rim areas

Mioara Anton: Diplomacy and conflict in the Black Sea Region: A case study for the beginning of the Cold War (1945-1947)

Cezar Stanciu: The Common Denominator. Romania and the Northern Countries in Search for a “Third Way”

Elena Dragomir: “Idealists” in a Realists’ world. Romania’s goals and expectations from the CSCE (1973-1975)

Pauli Heikkila: Estonian way to Europe via the Baltic region. Regional imagination in the idea of European unification

Panel 5: The Ribbentrop-Molotov Pact: consequences, memories and the rapids of change

Judy Brown: „Memory at War’ in Estonia and the Crimea: a comparative analysis of commemorative practices surrounding the Great Patriotic War 1941-1945

Alexandru Ghişa: Romania and the first cracks in the Hitler-Stalin Pact of 1940: the German guarantees granted to Romania and the Danube issue

Bogdan Schipor: The Aggression’s Symptoms: Some Considerations about the Repatriation of the Germans from Baltic States and the Romanian Territories in 1939-1940

Panel 6: Bonds, perceptions and confluences between Baltic and Black Sea areas during the interwar and World War II

Ioana Cazacu: The Nansen Commission and the Repatriation of the Romanian Prisoners from Russian Territory

Ana-Maria Despa: The history of diplomatic relations between Romania and Norway during the interwar period

Kari Alenius: The image of Romania conveyed by the Finnish embassy in Bucharest, 1940-1945

Silviu Miloiu: The Nordic "Battlefield". Romania's cultural relations with Finland and Sweden (1941-1944): a comparative approach

Panel 7: Baltic, Nordic and Black Sea regions in the international relations: intersections, meetings, crosscurrents

Costel Coroban: British Reactions to Charles XII’s Stay in the Ottoman Empire

Veniamin Ciobanu: Information from Swedish diplomatic sources regarding the outbreak of Lithuanian insurrection (April 1831)

Claudiu-Lucian Topor: Germany`s Policy and the Diplomatic Agenda of Romanian Neutrality (1914-1916). The Prospect of a Plan for an Alliance with Sweden

Anmerkung:
1 Informationen zur Tagung und ein Call for Papers (Deadline: 01. Februar 2012) finden sich auf der Internetseite der ARSBN unter: <http://www.arsbn.ro/conference-2012.htm>.


Editors Information
Published on
10.01.2012
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