A World of Comparisons. Dynamics, Contexts, Perspectives

A World of Comparisons. Dynamics, Contexts, Perspectives

Organizer(s)
Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF)
Location
Bielefeld
Country
Germany
From - Until
03.02.2011 - 04.02.2011
Conf. Website
By
Michael Hohlstein, Abteilung Geschichte, Geschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Universität Bielefeld

Der Vergleich gehört zum methodischen Handwerkszeug der Sozialwissenschaften. Die Historiker und Soziologen, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler, die sich am 3. und 4. Februar im Bielefelder ZiF zur Tagung ‚A World of Comparisons’ versammelt hatten, interessierten jedoch nicht Methodenfragen der Komparatistik. Zur Debatte stand der Vergleich als eine soziale Praxis. WILLIBALD STEINMETZ (Bielefeld) skizzierte in seiner Einführung zur Tagung die theoretischen und methodischen Grundlagen eines interdisziplinären Forschungsprogramms, das in Bielefeld unter dem Titel ‚Communicating Comparisons. From the Onset of Modernity to World Society’ im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder der Bundesrepublik Deutschland initiiert worden ist. Die in Bielefeld angestellten Überlegungen zielten, so Steinmetz, nicht auf kognitive Operationen, sondern thematisierten unter Verwendung eines weiten Kommunikationsbegriffs, der sowohl verbale als auch nonverbale Medien des Vergleichens einbeziehe, den Vergleich als ein kommunikatives Geschehen mit der Fähigkeit, soziale Ordnung herzustellen. Mit Blick auf die Moderne konstatierte Steinmetz eine Zunahme von Vergleichskommunikation, deren Ubiquität heute offensichtlich sei. Die Eigendynamik und die spezifischen Funktionsweisen von Vergleichen in der Weltgesellschaft seien Schwerpunkte der Forschungsinitiative; ein weiterer Fokus liege auf dem Übergang zur Moderne. Die Kategorien des Vergleichs in der Vormoderne, so Steinmetz weiter, lassen sich deutlich von modernen Vergleichskategorien unterscheiden. Mediale und soziale Entwicklungen und nicht zuletzt veränderte Zeitvorstellungen hätten zu einem qualitativen Wechsel des Vergleichs seit dem 16. Jahrhundert geführt.

Möglichkeiten und Bedingungen des Vergleichs in der Vormoderne arbeiteten THOMAS LENTES (Münster) und FRANK REXROTH (Göttingen) heraus. Lentes stellte visuelle Strategien vor, die die sprachlichen Grenzen eines Religionsvergleichs im 14. Jahrhundert überwanden. Lentes zufolge grenzte die zeitgenössische Sprache Glaube von Idolatrie ab, kannte aber keinen Begriff, der unterschiedliche Glaubensüberzeugungen kategorial vergleichbar machte. Am Beispiel von Buchillustrationen einer französischsprachigen Ausgabe des augustinischen Gottesstaates zeigte Lentes, dass hingegen im Medium des Bildes in der Darstellung ritueller Handlungen das Gemeinsame und Gleiche von Islam, Judentum und Christentum in den Vordergrund trat und die unterschiedlichen Religionen vergleichbar werden ließ. Die Illustratoren, die für den französischen König Karl V. arbeiteten, öffneten die Vergleichsperspektive, so Lentes, hin zu einem ethnographischen Blick auf das religiös Andere, ohne jedoch letztlich eine Selbstvergewisserung und Hierarchisierung aus der Perspektive der christlichen Denomination aufzugeben. Frank Rexroth veranschaulichte die gedanklichen Grundlagen, die die Wahrnehmung von Unterschieden zwischen mittelalterlichen Universitäten bestimmten und zugleich begrenzten. Autoren, die mit der universitären Landschaft eng verbunden waren, entwarfen eine Phänomenologie der akademischen Welt, in der genealogische Unterscheidungen festgeschrieben wurden. Zugleich wussten sie, wie der Anonymus der Koelhoffschen Chronik aus Köln, was man wo am besten studieren könne. Rexroth zeigte, wie Universitäten miteinander konkurrierten und mit ihrem Lehrangebot um Studenten warben. Allerdings fehlte es, so Rexroth, verglichen mit modernen Universitätsrankings, an einer kritischen Außenperspektive und der Etablierung von Standards des Vergleichs.

Im Übergang zur Moderne waren es gerade neugeschaffene Einheiten des Vergleichs, die diesen grundlegend veränderten. STEFAN BRAKENSIEK (Duisburg-Essen) legte am Beispiel von frühneuzeitlichen Apodemiken dar, wie vorgängige antike und christliche Vergleichskonzepte in einem sozialwissenschaftlichen System von Vergleich um 1700 abgelöst wurden, das einer rationalistischen Epistemologie folgte. Die Reisekünste klärten auf, wie der Gebildete zu reisen habe und wie er seinen Reisebericht verfassen müsse. Zugleich enthielten die Instruktionen ein festes Set an Fragen u.a. zur Geschichte, Geographie, Klima, Ökonomie, politischer Verfasstheit und Religion eines Landes, die die Reisebeobachtungen inhaltlich bestimmen sollten und sie zum Teil zeitgenössischer ‚Staatsvergleichung’ werden ließen. In diesem Kontext war nicht das grundlegend Andere Gegenstand von Selbst- und Fremdbeschreibung. Unterschiede relativierten sich; die Welt rückte näher zusammen, etwa wenn der Asienreisende Engelbert Kaempfer um 1700 orientalische Despoten mit europäischen Monarchen verglich. LARS BEHRISCH (Utrecht) legte die Auswirkung neuartiger Statistiken, die mit der politischen Arithmetik des Londoner Händlers John Graunt 1662 begannen, auf die soziale Praxis des Vergleichs dar. Die Listen und Tabellen offenbaren Behrisch zufolge eine zunehmende Quantifizierung in der Beschreibung von Gesellschaft. In ihnen bildeten sich neue, quantitative statt qualitative Einheiten des Vergleichs ab. Behrisch zeigte am Beispiel demographischer Statistiken des ausgehenden 17. und des 18. Jahrhunderts, dass Menschen nicht mehr nach ständischen Kategorien geordnet wurden, sondern als Produzenten oder Konsumenten erschienen. Es entstanden darüber hinaus neue Vergleichsobjekte; die Daten, die Objektivität reklamierten, dienten dem Vergleich, sowohl inner- als auch zwischenstaatlich. Den Statistiken, so Behrisch weiter, kam ordnungsbildende Wirkung zu, als sie im 18. Jahrhundert zu einem elementaren Teil des politischen Diskurses wurden und politisches Handeln mitbestimmten.

Praktiken der Quantifizierung bilden noch heute wesentliche Medien des Vergleichens. Statistische Weltbeschreibungen und -konstruktionen wie sie z.B. von den Vereinten Nationen aber auch von Nichtregierungsorganisationen bis heute betrieben werden, reflektierte MARTIN GEYER (München). Anhand der von der UNO und Weltbank angestoßenen Erhebungen wie etwa den ‚Report on the World Social Situation’ zeige sich, wie sehr das ökonomische Paradigma westlicher Modernisierung bis heute trotz möglicher sozialer und politischer Indikatoren die statistischen Erhebungen dominiert. Die weiteren Beiträge zeigten die zunehmende Eigendynamik von Vergleichen in der Moderne und ihre Relevanz für soziale Ordnungsbildung. MICHAEL POWER (London) betonte die konstitutive Rolle von Bilanzierungen für die Finanzwirtschaft, die mehr sind als Hilfen für ökonomische Entscheidungen. Sie nehmen Einfluss auf die Identität von Unternehmen und ihren Akteuren, die ihr Verhalten an den statistisch festgehaltenen Distinktionen ausrichten. Nach LINDA WEDLIN (Uppsala), die aufgrund einer plötzlichen Erkrankung ihren Vortrag nicht persönlich halten konnte, sind moderne Rankings Mechanismen, die gesellschaftliche Teilbereiche erzeugen und ihren Akteuren helfen, sich darin zu positionieren.

Im Bielefelder ZiF fand in den zwei Tagen des 3. und 4. Februars 2011 eine facettenreiche Diskussion statt. Die Redebeiträge aus dem Plenum zu den einzelnen Vorträgen und den sich an die einzelnen Sektionen anschließenden Kommentare von FRANZ-JOSEPH ARLINGHAUS, Willibald Steinmetz (beide Bielefeld), NILS BRUNSSON (Uppsala) und JOHN MEYER (Stanford) brachten ebenso wie die Wortmeldungen während der von THOMAS WELSKOPP (Bielefeld) moderierten Abschlussdiskussion unterschiedlichste Nachfragen, Anregungen und Kritik zu den vorgestellten empirischen Befunden und theoretischen Überlegungen zum Vergleich als kommunikatives Geschehen vor. Mit Blick auf die unterschiedliche zeitliche Verortung der referierten Sachverhalte galt das Interesse der Diskutanten zum einen möglichen Unterschieden zwischen vormoderner und moderner Vergleichskommunikation. Zur Debatte stand, ob sich in der Zeit nicht nur die gesellschaftlichen Bedingungen des Vergleichens, sondern der Vergleich als kommunikative Operation selbst verändert habe. In besonderem Maß zielte die Diskussion andererseits auf das theoretische Konzept, das der Bielefelder Forschungsinitiative ‚Communicating Comparisons’ zu Grunde liegt. Wie verhält sich das Vergleichen zu anderen, als Gegenstand sozial- und kulturwissenschaftlicher Forschung thematisierten sozialen Phänomenen wie Konkurrenz und Wettbewerb oder – allgemeiner gefaßt – Konflikten? Zugleich zeigten die Vorträge und die Diskussionen das innovative Potential des Bielefelder Projektes, das mit seiner kommunikationstheoretischen Ausrichtung den Vergleich aus der bisherigen methodologischen Engführung herausführt und ihn als soziale Praxis begreift. Die Bielefelder Konferenz machte deutlich, dass Vergleichsoperationen sozial und kulturell bedingt waren und sind. Darüber hinaus zeigte sich ihre ordnungsbildende Kraft. Hier gilt es, weiter zu machen.

Konferenzübersicht:

Welcome Address
Ulrike Davy (Bielefeld)

Introduction
Willibald Steinmetz (Bielefeld)

Section I: Between Status and Ranking: Comparing Comparisons of Medieval and Modern Universities
Moderation: Veronika Tacke (Bielefeld)

Frank Rexroth (Göttingen): Jurassic Technologies of Ranking? Perceptions of Difference and the Medieval Academic Landscape, c. 1200-1500

Linda Wedlin (Uppsala): Ranking of Modern Universities: How Global Comparisons matter

Statement
Franz-Joseph Arlinghaus (Bielefeld)

Section II: Comparing Religions and Cultures in Premodern and Modern Times
Moderation: Peter Schuster (Bielefeld)

Thomas Lentes (Münster): Framing the Difference. Visual Strategies of Comparing Religion in the Middle Ages

Stefan Brakensiek (Duisburg-Essen): European Travel Reports on Persia around 1700

Statement
Willibald Steinmetz (Bielefeld)

Section III: Governance by Numbers: Making Comparisons quantitative
Moderation: Michael Huber (Bielefeld)

Lars Behrisch (Utrecht): Inventing Statistics in the 18th Century

Michael Power (London): Accounting and Finance

Statement
Nils Brunsson (Uppsala)

Section IV: Comparisons and Modernization
Moderation: Angelika Epple (Bielefeld)

Martin Geyer (Munich): Constructing the Modern World through Comparisons. Social Indicators and Modernization Paradigms of the Post War Period

Statement
John Meyer (Stanford)

Final discussion
Moderation: Thomas Welskopp (Bielefeld)


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Published on
04.08.2011
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Country Event
Conf. Language(s)
English
Language