49. Hochschulwoche der Südosteuropa-Gesellschaft „Politische Institutionen und Kultur in Südosteuropa“

49. Hochschulwoche der Südosteuropa-Gesellschaft „Politische Institutionen und Kultur in Südosteuropa“

Organizer(s)
Südosteuropa-Gesellschaft, München, gemeinsam mit der Akademie für Politische Bildung Tutzing
Location
Tutzing
Country
Germany
From - Until
04.10.2010 - 08.10.2010
Conf. Website
By
Adamantios Skordos, Universität Leipzig

Vom 4. bis zum 8. Oktober 2010 fand im oberbayrischen Tutzing bereits zum 49. Mal die internationale Hochschulwoche der Südosteuropa-Gesellschaft statt. Unter dem Oberthema „Politische Institutionen und Kultur in Südosteuropa“ diskutierten Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen in drei Sektionen (Politische Institutionen und Kultur, Institutionentransfer, Institutionenvergleich) über aktuelle Konzepte und Ansätze der Südosteuropaforschung. Die wissenschaftlichen Organisatoren, die Historiker DIETMAR MÜLLER (Leipzig) und WIM VAN MEURS (Nijmegen), formulierten zur Eröffnung das Ziel, die Methoden von Transfer und Vergleich in der Südosteuropaforschung zu stärken und „Verflechtungsgeschichte“ statt einer an einem scheinbar „westlichen“ Ideal orientierten „Defizitgeschichte“ zu schreiben. WIM VAN MEURS zeigte die Entwicklung des Institutionenbegriffs auf, dessen Grenzen durch eine Ausweitung auf informelle Normensetzungen unscharf geworden sind. Anschließend schlug der Historiker drei Ansätze vor, anhand derer man versuchen könnte, das in der südosteuropäischen Historiographie vorherrschende defizitgeschichtliche Paradigma zu durchbrechen, nämlich den komparativen Ansatz, den Institutionenansatz und den Transferansatz.

Die erste Sektion der Hochschulwoche widmete sich der Thematik „Politische Institutionen und Kultur“. WOLFGANG HÖPKEN (Leipzig) plädierte in seiner theoretischen Einführung für einen scharfen Institutionenbegriff in klarer Abgrenzung von anderen Begriffen, etwa dem der „Organisation“. Er unterschied zwei grundlegende Funktionen von Institutionen: eine ordnungspolitische Funktion, die allgemein verbindliche Entscheidungen vorgibt, und eine Funktion der Orientierungsleistung, also einer Ordnung von Weltbildern und Wahrnehmungen. In einer kurzen Begriffsgeschichte machte Höpken die Konjunkturen und die unterschiedliche normative Aufladung des Begriffs der „Institution“ deutlich – in den 1970er- und 1980er-Jahren wurden Institutionen als „disziplinierende Hindernisse individueller Entfaltung“ empfunden, wurden zum Objekt der Herrschaftskritik und außer-institutionelles Handeln geriet vermehrt in den Blick der Sozialwissenschaften. Diese Skepsis gegenüber Institutionen wurde in den 1990er Jahren partiell rückgängig gemacht. Für Südosteuropa im 19. und 20. Jahrhundert arbeitete Höpken sechs „Spezifika“ des institutionellen Wandels heraus: Die Diskontinuität institutionellen Wandels in der Moderne; der institutionelle Wandel als Institutionentransfer; die Schwäche der ordnungspolitischen Leistungsfähigkeit; die Institutionen als Machtinstrument von Eliten; die fehlende Geltungskraft von Institutionen; und die Dominanz persönlicher über institutionalisierte Beziehungen. Dennoch wandte sich der Leipziger Historiker gegen eine reine „Defizitgeschichte“ Südosteuropas, bei der die dortige Entwicklung nur als Geschichte der Mängel und der Rückständigkeit aus der Sicht eines zur Norm erhobenen „westeuropäischen“, „modernen“ Ideals geschrieben wird.

ARND BAUERKÄMPER (Berlin) stellte in seinem Vortrag zur Politische-Kultur-Forschung einige der traditionellen Grundannahmen derselben in Frage. Von dem Vorbild einer besonders partizipativen demokratischen Kultur in Großbritannien über den Begriff der „Europäisierung“ bis hin zu klaren Abgrenzungen von „Nationen“ und areas setzte Bauerkämper an allen Punkten Fragezeichen. Der Leiter des Berliner Kollegs für Vergleichende Geschichte Europas mahnte eine „Relationalisierung“ des Begriffs der Politischen Kultur an. Die Erweiterung von Vergleichen um Verflechtungsgeschichte(n) und das In-Frage-Stellen eines „westlichen“ Modells Politischer Kultur sowie eine Historisierung und Spezifizierung der Forschung sind für ihn Grundbedingungen einer produktiven Verwendung des Konzepts.

Der Historiker DANIEL URSPRUNG (Zürich) kritisierte die Imagination „Südosteuropas“ als „Anderem“ anhand der Faschismusforschung. Bei der Ausarbeitung eines idealtypischen Begriffs von Faschismus beziehen sich die (westeuropäischen) Faschismusforscher beinahe ausschließlich auf den „Sonderfall Westeuropa“: den italienischen fascismo und den deutschen Nationalsozialismus. Die gewalttätig-nationalistischen Bewegungen im Südosteuropa der Zwischenkriegszeit dagegen werden von der Faschismusforschung durch die Heranziehung schriller Beispiele meist als Ausnahmen und Extremfälle beschrieben. Ursprung plädierte dafür, die südosteuropäischen Fallbeispiele auf der Suche nach einem „generischen Faschismusbegriff“ gleichberechtigt einzubringen. Indem Ursprung klar stellte, dass die faschistischen Bewegungen Südosteuropas aufgrund spezifischer lokaler Bedingungen entstanden sind, korrigierte er außerdem den falschen Eindruck, dass sie direkte Nachahmungen westlicher Vorbilder gewesen seien.

AUGUSTA DIMOU (Leipzig) stellte die Ergebnisse ihrer vergleichenden Untersuchung zum Transfer und zur Adoption von verschieden sozialistischen Paradigmen nach bzw. in Bulgarien, Serbien und Griechenland zwischen 1860 und 1930 vor. Dimou zeigte, dass die Institutionalisierung des Sozialismus in den drei Ländern Südosteuropas sehr unterschiedlich verlief: Während es in Serbien der agrarsozialistischen Radikalen Partei gelang, in den 1880er Jahren von einer schwachen Oppositionspartei zur dominierenden politischen Kraft des Landes zu werden, wurde in Bulgarien die Sozialdemokratische Partei aufgrund verschiedener Auslegungen über die bessere Anpassung des Marxismus an die bulgarischen Verhältnisse 1903 letztendlich in zwei Fraktionen gespalten. In Griechenland wiederum waren es zahlreiche Faktoren, wie zum Beispiel die Stabilität des politischen Systems, die bürgerliche Orientierung der griechischen Intellektuellen sowie die Stärke des hellenistischen Nationalismus, die die Einführung, geschweige davon die Durchsetzung sozialistischer Ideen erschwerten. In der Zwischenkriegszeit waren es vor allem der durch die sogenannte „Nationale Spaltung“ zwischen Demokraten und Royalisten (beziehungsweise Venezelisten und Anti-Venezelisten) dominierte politische Kontext und die Fähigkeit des liberalen Politikers Eleftherios Venizelos, die Rolle des Modernisierers völlig für seine Person zu vereinnahmen, wichtige Gründe dafür, dass der politische Einfluss der griechischen Kommunisten sehr begrenzt blieb.

Zu Beginn der Sektion zum „Institutionenvergleich“ wies TINA OLTEANU (Wien) in ihrem Vortrag „Der korrupte Staat? – Ein Vergleich“ dichotome Vorstellungen vom korrupten Staat in Osteuropa und seinem Counterpart, dem korruptionsbekämpfenden Staat in Westeuropa, zurück. Im von der Politikwissenschaftlerin angestellten Vergleich der Wahrnehmung von Korruption in Rumänien und Österreich wird deutlich, wie viel dabei von den Begrifflichkeiten abhängt: was in dem südosteuropäischen Land als „Korruption“ auftaucht, heißt in Österreich schlicht „Freunderlwirtschaft“ – ein in wesentlich geringem Maße negativer, kriminalisierender Begriff. Im scharfen Gegensatz zur Rhetorik der EU im Erweiterungsprozess in Bezug auf die Aufnahmeländer steht die tatsächliche Institutionalisierung der Korruptionsbekämpfung in den alten EU-Ländern. Während für die neuen Mitglieder die Unterzeichnung der Konvention des Europarats zur Korruptionsbekämpfung zur Beitrittsbedingung gemacht wurde, haben einige der Gründungsmitglieder, etwa die BRD oder Italien, diese niemals unterzeichnet.

JOVICA LUKOVIĆ (Berlin) besprach die Institutionalisierung der staatlichen Sozialpolitik in Jugoslawien von 1918 bis 1945. Die Einführung einer Sozialversicherung für die 1918 neu gegründeten Staaten in Südost- und Ostmitteleuropa war durch den Versailler Friedensvertrag vorgesehen und gehörte zu den Pflichten, die die neuen Staaten zu erfüllen hatten, um international anerkannt zu werden. Die Einführung der Sozialversicherung im Jugoslawien der Zwischenkriegszeit stellte den Versuch dar, die Probleme der Moderne (Arbeitslosigkeit, Armut) mit modernen Lösungen zu beantworten. Somit wurde der jugoslawische Staat über den Transmissionsriemen der International Labor Organisation zu einem „Nachahmer“ eines „westlichen“ Vorbildes. Dass der Transfer, unter anderem auch weil der entsprechende politische Willen von Seiten des Staates fehlte, nicht in eine umfassende Absicherung der Lohnabhängigen führte und große Teile der Bevölkerung sich weiterhin auf die traditionale Absicherung in der Institution „Familie“ zurückgeworfen sahen, war aus staatlicher Sicht nicht unbedingt eine schlechte Lösung. Auf dem Papier waren die Vorgaben des Völkerbundes erfüllt und die soziale Stabilität garantierte die traditionelle Institution der Familie. Luković zeigte somit, dass das Scheitern von Institutionen nicht notgedrungen aus der Sicht aller Akteure negative Folgen hat und dass die Bewertungen je nach Perspektive sehr unterschiedlich ausfallen können.

CONSTANTIN IORDACHI (Budapest), ging in seinem Vortrag der spannenden Frage nach, ob eine West-Ost-Trennlinie in der Konzeption von europäischer Staatsbürgerschaft existiert. Er verneinte die Existenz einer klaren Trennlinie zwischen einem „westlichen“ und einem „östlichen“ Typus von Staatsbürgerschaften in Europa. Dem rumänischen Historiker zufolge ist Staatsbürgerschaft insgesamt kein statisches, sondern ein dynamisches Konzept, dessen Inhalt immer wieder neu bestimmt wird, so dass man nicht von einem homogenen nationalen oder gar regionalen Konzept von Staatsbürgerschaft ausgehen kann. In der akademischen Debatte vorgebrachte Argumente, die osteuropäischen Staaten unterschieden sich von westeuropäischen bezüglich besonderer Gesetze für Diasporaangehörige und einer Verleihung von Staatsangehörigkeit primär auf einer „ethnischen“ Basis, halten Iordachi zufolge einer empirischen Untersuchung zwischen West- und Osteuropa nicht stand. Statt einer scharfen Trennung zwischen west- und osteuropäischen Staatsbürgerschaftskonzeptionen plädierte der Budapester Historiker für eine integrative europäische Perspektive, die die Untersuchung von Fallstudien zu Staatsbürgerschaft in Europa in einem nicht-normativen und nicht-teleologisch geprägten methodologischen Rahmen ermöglichen würde.

Die Historikerin HEIKE KARGE (Regensburg) kritisierte in ihrem Vortrag zu der Entwicklung der Psychiatrie in Kroatien und Serbien bis zum 2. Weltkrieg die westliche Perspektive der Forschung. Südosteuropa sei aus der Geschichte der Psychiatrie in Europa „einfach herausgeschrieben“ worden. Mit der Erwartung eines Transfers ihnen bekannter Institutionen schlossen die Historiker andere Formen der Institutionalisierung der Behandlung oder Verwahrung von „Geisteskranken“ von vorneherein aus Ihrer Betrachtung aus. Karge beschrieb in einem historischen Überblick den Umgang mit „Geisteskrankheit“ in Kroatien und Serbien vom 19. Jahrhundert als Provinzen des habsburgischen bzw. osmanischen Reiches bis hin zum Aufbau moderner psychiatrischer Kliniken in Zagreb und Belgrad im Jugoslawien der Zwischenkriegszeit. Keineswegs sind die Entwicklungen mit einem einfachen Ost-West-Transfer adäquat beschrieben – aus ganz Europa kamen Studierende Anfang des 20. Jahrhunderts nach Wien um dort die Psychoanalyse zu erlernen, und trugen die Erkenntnisse von dort genauso wie nach Kroatien auch nach England.

Zum Auftakt der Sektion „Institutionentransfer“ untersuchte FLORIAN BIEBER (Graz) die Transfers im Zuge der Regulierung der postjugoslawischen Konflikte mit dem Dayton-Abkommen in Bosnien, dem Abkommen von Ohrid in Mazedonien und der Athisaari-Verfassung des Kosovo. Die gängige Sicht einer tabula rasa, auf der westliche Akteure westliche Institutionen aufgebaut hätten, stellte er fundamental in Frage. So war der jugoslawische Staat einer der Hauptakteure, die in den 1970er Jahren, Normen zum Schutz von „Minderheiten“ auf der Ebene von UN und KSZE forcierten – Normen, die später scheinbar von der „internationalen Gemeinschaft“ in die neuen postjugoslawischen Staaten transferiert wurden. Auch in den komplexen neuen Institutionen von Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Mazedonien spiegelten sich lokale Vorläufer, wie die komplexe Struktur der Arbeiterselbstverwaltung, wieder.

DIETMAR MÜLLER (Leipzig) portraitierte die Entwicklung des Eigentumsrechts an Grund und Boden in Jugoslawien, Rumänien und Polen von der Zeit der Staatsgründung bis zur Zwischenkriegszeit. Der Historiker kritisierte die in der Rechtsgeschichte dominierende historische Meistererzählung von einer in Osteuropa angeblich homogenen Implementierung „westlicher“ Rechtsinstitute nach 1918 und 1989 und sowjetischer Rechtsformen nach 1945, welche der Komplexität der Transferprozesse nicht gerecht werde. Die Zwischenkriegszeit war, was die Inklusion der ländlichen Bevölkerung in eine liberale Eigentumsgesellschaft betrifft, mitnichten eine „Goldene Epoche“ – im Gegensatz zu dem von den Nationalhistoriographien vermitteltem Bild. Den Agrarreformen der Zwischenkriegszeit in den drei Vergleichsfällen lag ein protektionistisch-etatistischer sowie kollektivistisch-ethnischer Eigentumsbegriff zugrunde, was dazu führte, dass einerseits die Landzuteilungen zugunsten der drei Titularnationen und zuungunsten der Minderheiten stattfanden und somit zum Instrument des Nationsbildungsprozesses wurden. Andererseits unterlagen die Eigentums- und Nutzungsrechte der neuen Eigentümer erheblichen Einschränkungen. Es gab außerdem große Probleme in Bezug auf die Registrierung von Eigentum im Grundbuch, wobei allerdings diese mangelnde Rechtssicherheit nicht für alle Akteure von Nachteil war – starke Interessengruppen, vor allem die Juristen, die bis dato über ein Monopol bei der Administration von Bodeneigentum verfügten, profitierten von der „ineffektiven Bodenevidenz“, also der schwachen Ausprägung von Institutionen, die das Grundeigentum rechtssicher fixierten. Schließlich zog Müller einen interessanten Vergleich zwischen den Agrarreformen der Zwischenkriegszeit und diesen unter kommunistischer Herrschaft nach Ende des Zweiten Weltkriegs und machte deutlich, dass diese sich viel ähnlicher waren als auf den ersten Blick angenommen.

Das abschließende Panel bot Raum für die Reflektion der Vorträge und Diskussionen der vergangenen Tage. SABINE RUTAR (Regensburg) besprach den Platz, den Südosteuropa in der europäischen Geschichtsschreibung einnimmt. Die Historikerin konstatierte eine „periphere Wahrnehmung“ der Region außerhalb der Südosteuropaforschung. Sie schlug die Entwicklung nützlicher Kategorien vor, die den Weg zu einer gleichberechtigten Stellung in der europäischen Historiographie bahnen sollen. Zugleicht warnte sie aber davor, die südosteuropäische Geschichte als eine „Defizitgeschichte“, also als eine Geschichte der erfolglosen oder bestenfalls unvollkommenen Transferierung und Implementierung „westlicher“ Vorbilder, zu schreiben. Die vorangegangenen Vorträge hatten laut Rutar positive Signale gesetzt für den Versuch, die „Rückständigkeitsfalle“ zu umgehen. WIM VAN MEURS (Nijmegen) zeigte wiederum am Beispiel der Protestkundgebung von Martin Luther King und seiner Anhänger in Washington D. C. im August 1963 die Wichtigkeit, aber auch die Gefahren von Transfergeschichte auf. Indem er Fälle aus der Vergangenheit nannte, die den March on Washington for Jobs and Freedom möglicherweise inspirierten, machte er einerseits deutlich, dass es wichtig ist, erst das „richtige“ Vorbild zu lokalisieren und dann die aufschlussreichen Prozesse der kreativen Adaption zu untersuchen. Aus der Sicht van Meurs ist das Ergebnis des Transfers in der Regel ein Zusammenspiel von eigenen Traditionen und der Anleihe von „Außen“. Andererseits konnte er am gleichen Beispiel die Gefahr exemplifizieren, dort Transfers zu erfinden, wo es eigentlich keine gegeben hat, beziehungsweise das „falsche“ Modell zum Vorbild zu ernennen. DIETMAR MÜLLER (Leipzig) schließlich konzentrierte sich auf die Vorteile der vergleichenden Forschung, wie diese immer wieder in den Vorträgen und Diskussion der vergangenen Tage ersichtlich wurden. Als Experte der vergleichenden Geschichtswissenschaft Südost- und Ostmitteleuropas gab er Antworten auf zwei grundsätzliche Fragen, nämlich warum man vergleichen und worauf der Vergleich angelegt sein sollte.

Aus den Debatten der Hochschulwoche lassen sich – ohne bestehende Meinungsverschiedenheiten wegreden zu wollen – einige (forschungs-) programmatische Punkte mitnehmen und aktuelle Tendenzen der Regionalwissenschaft zu Südosteuropa erkennen. Die Südosteuropaforschung ist gewillt Konzepte der Nationalgeschichtsschreibung zu überwinden, die implizite Übernahme einer Norm „Westen“ oder „Westeuropa“ zu hinterfragen und essentialisierende Denkweisen einer Kritik zu unterziehen. Institutionen sind nicht per se mit Demokratie und Demokratisierung verknüpft und die Forschungskonzepte enden nicht an einer imaginären Grenze zwischen Demokratie und Diktatur. Scheitern oder Effizienz von Institutionen ist schwer zu messen und muss von unterschiedlichen Akteursperspektiven betrachtet werden – was sich für die Einen als Scheitern darstellt, kann für andere Akteure das optimale Arrangement sein. Institutionentransfer geht nicht einfach von West nach Ost und kann nicht einfach als Tatsache aus Verfassungen abgelesen werden, sondern ist als jeweils komplexer Prozess wechselseitiger Wirkungen zu untersuchen. Für diese Vorhaben fehlt jedoch an einigen Stellen die passende alternative Sprache und die entsprechenden Fragen und Forschungsdesigns. Der Begriff der „Institution“ wird weiter eine große Rolle in der Südosteuropaforschung spielen – auch wenn seine genaue Bedeutung umstritten bleibt.

Bericht von: Adamantios Skordos und Jan Zofka (Global and European Studies Institute, Universität Leipzig)

Programm
Wim van Meurs: Einführung in das Tagesthema

Panel: Politische Institutionen und Kultur
Wolfgang Höpken: Südosteuropa und die Theoriebildung zu politischen Institutionen
Arnd Bauerkämper: Politische Kultur. Erneuerung eines Konzepts in der transnationalen Geschichtsschreibung?
Daniel Ursprung: Faschismus in Südosteuropa: vom Sonderfall zum Fallbeispiel eines gesamteuropäischen Phänomens
Augusta Dimou: Südosteuropäische Wurzeln des Sozialismus. Radikale und linke Parteien in Griechenland, Serbien und Bulgarien

Panel: Institutionenvergleich
Constantin Iordachi: Is there a East-West divide in conceptions of citizenship in Europe?
Jovica Luković: „Gebt uns die Reformen!“ Die Arbeiter- und Bauernversicherung als Institutionalisierung der staatlichen Sozialpolitik in Jugoslawien, 1918-1945
Tina Olteanu: Der korrupte Staat? - ein Vergleich
Heike Karge: Geisteskrankheit als Diskurs und Praxis. Russland und Kroatien im europäischen Vergleich

Panel: Institutionentransfer
Florian Bieber: Kontinuitäten und Brüche in der Entwicklung von Institutionen
Dietmar Müller: Die Institutionalisierung von Eigentumsformen im Südosteuropa des 20. Jahrhunderts

Abschlusspanel
Sabine Rutar: Südosteuropäische Geschichte in der europäischen Geschichte
Dietmar Müller: Institutionenvergleich
Wim van Meurs: Institutionentransfer

Contact (announcement)

Adamantios Skordos
E-Mail: skordos@rz.uni-leipzig.de

Jan Zofka
E-Mail: sidzoff@yahoo.com


Editors Information
Published on
28.01.2011
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German
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