First European Congress of World and Global History - Panel 1: Writing World History in Western and Central Europe

First European Congress of World and Global History - Panel 1: Writing World History in Western and Central Europe

Organizer(s)
European Network in Universal and Global History; Organisationskomitee Leipzig: Frank Hadler, Matthias Middell, Hannes Siegrist, Katja Naumann
Location
Leipzig
Country
Germany
From - Until
22.09.2005 - 25.09.2005
By
Katja Naumann, Zentrum für Höhere Studien, Universität Leipzig

Eine der wesentlichen Fragen des Kongresses war jene nach den intellektuellen Traditionen welt- und globalgeschichtlichen Interesses in Europa verbunden mit der vergleichenden Suche nach länderübergreifenden Gemeinsamkeiten sowie lokalen, regionalen und nationalen Spezifika. Schließlich ist auch die Beschreibung von Globalität, wie jede andere historische Perspektive, von dem Standpunkt geprägt, von dem aus sie verfasst wird. Auch das Panel, über das hier zu berichten ist, war gleichzeitig Workshop einer Forschungsgruppe über „National Histories and its Interrelation with Regional, European and World Histories“ im Rahmen eines Projektverbundes der European Science Foundation.

Moderiert von Andreas Eckert und Matthias Middell setzten sich die Teilnehmer mit deutscher, französischer und britischer Weltgeschichtsschreibung im Verlaufe des 20. Jahrhundert auseinander und diskutierten methodische Zugänge, Formen der Institutionalisierung sowie prägende innerfachliche und politische Erwartungshaltungen bzw. Barrieren. Ein Spannungsfeld, dem sich globalhistorische Bemühungen in allen drei Ländern, wenngleich in unterschiedlichem Grade, gegenübergestellt sahen, war jenes zwischen der Eingebundenheit in globale Zusammenhänge als ehemalige Kolonial- und/ oder Imperialmächte sowie einem starken internen Regionalismus, der eine besondere Betonung des Nationalen herausforderte.

Zu Beginn des Panels führte Stefan Berger (Manchester) in die britische Weltgeschichtsschreibung ein, die es genau genommen nicht gegeben habe. Denn überblicke man das 20. Jahrhundert, so seien weltgeschichtliche Betrachtungen bis in die 1980er Jahre die Ausnahme geblieben und Einzelinitiativen entsprungen (so u.a. die Arbeiten von James Lord Bryce, John Bowle oder Geoffrey Barraclough), wenngleich sie wie im Falle Arnold Toynbees große Prominenz erlangen konnte. Erst eine jüngeren Historikergeneration, so u.a. John M. Roberts und Patrick O’Brien, vermochte mit globalen Fragestellungen eine dauerhaft innerfachliche Anerkennung zu erringen, zu der nicht zuletzt die Öffnung der britischen Historiographie gegenüber imperialen Aspekten der eigenen Geschichte seit den 1980er Jahren beitrug. Ebene jene frühere Ignoranz gegenüber dem ‚British Empire’ in seiner Gänze sei es auch, verbunden mit der Dominanz eines auf geradlinigen Fortschritt orientierten Metanarrativs, welches wenig Raum für andere Entwicklungswege und Kulturen ließ. Daneben spielten fehlende Traditionen einer geschichtsphilosophisch untermauerten Universalhistorie bei der Erklärung der auffälligen Schwäche von Globalgeschichte in Großbritannien eine wichtige Rolle. Schließlich, so Berger, sei für die Historiographie Großbritannien auch im 20. Jahrhundert prägend gewesen, dass verschiedenste Raumbezüge (‚British Isles’, ‚Ireland’, ‚United Kingdom’ oder aber das ‚British Commonwealth’) untereinander um Dominanz rangen, so dass hinter den Anstrengungen ihrer Homogenierung die Welt in Vergessenheit geriert.

Anschließend setzte sich Jean-Clément Martin (Paris) mit der Geschichtsschreibung über die französische Revolution als Prüfstein für nationale Traditionsbildungen innerhalb der Historiographie zu globalen Ereignisse und Prozessen auseinander; wobei er Globalität an einem radikalen Bruch zum Vorher, dem Entstehen eines neues Regimes der Historizität sowie an einer national übergreifende Bedeutung und Prägekraft festmachte. Anhand der Forschungen, die im Rahmen des 200-jährigen Jahrestages der Französischen Revolution weltweit unternommen wurden, und deren Ergebnisse zum großen Teil im Institut d’Histoire de la Revolution Française in Paris zugänglich sind, legte Martin überzeugend dar, wie stark nationale Denktraditionen und Bewertungsmuster die Darstellung der Französischen Revolution beeinflussen. Die Vielfalt nationaler gleichermaßen wie regionaler Lesarten habe zu einem globalen interpretatorischen Minimalkonsens geführt, von dem diese zusammengehalten werden, zugleich allerdings den Tatsachengehalt des historischen Ereignisses selbst soweit entleert, dass dessen Sinn undeutlich geworden sei. Dies werfe, so Martin, die allgemeine Frage auf, wie eine Geschichte globaler Ereignisse jenseits der partikularen Interessen und Traditionen zu schreiben möglich sein. Kann eine Ideen- und Rezeptionsgeschichte globaler Ereignisse, die an sich schon eine Forschungsaufgabe darstellen würde, in einem weiteren Schritt zu einer historischen Rekonstruktion führen, die über einen umfassenderen Tatsachengehalt verfüge als derzeit verfügbare Narrative spezifischer Gedächtnisgemeinschaften?

Die folgenden beiden Referate legten Entwicklungen und Herausforderung dar, denen sich Welt- und Globalgeschichte in Deutschland gegenübersah und wandten sich damit zugleich gegen die verbreitete Ansicht, dass frühere welthistorische Betrachtungen im 20. Jahrhundert keine Fortsetzung fanden. Matthias Middell (Leipzig) führte mit seinem Vortrag in die erste Hälfte des Jahrhunderts und legte die vielfältigen globalgeschichtlichen Aktivitäten dar, die zu einer reichen Publikationstätigkeit (als Beispiele nannte er u.a. Hans Helmolts und Alexander Tilles “Weltgeschichte”, Walter Goetz’ Propyläen-Weltgeschichte, Oswald Spenglers “Untergang des Abendlandes”, Kurt Breysig “Geschichte der Menschheit” oder auch Hans Freyer’s “Weltgeschichte Europas”) führten, mit Institutionalisierung im universitären System einhergingen und eine Pluralität von methodischen Ansätzen hervorbrachten: neben einer Beschreibung europäischer Dominanz mit der Betonung protestantischer Werte und der erfolgreichen Transformation moderner Staaten zu Demokratien, fand sich die pessimistische Lesart des unabwendbaren Endes eben jener Vorherrschaft, aber auch eine Weltgeschichte, die einem starren Zentrum weltgeschichtlichen Geschehens eine Pluralität von Zentren entgegensetzte. Erst in den 1930er Jahren, nicht jedoch wie oft angenommen mit dem Tod Lamprechts 1915, habe die die Weltgeschichtsschreibung ihre etablierte akademische Stellung in Deutschland verloren. Dies geschah, so zeigte Middell, nicht zuletzt auch durch die damals endgültig zerbrechende Koalition zwischen Regionalwissenschaftlern und Globalhistorikern. Jenen bot sich angesichts des Bedarfs an Regionalexpertise seitens des deutschen Staates, Heeres und der deutschen Wirtschaft im Zuge der Eroberungen in Übersee eine effizientere Möglichkeit sich aus der akademischen Isolation und Marginalisierung zu befreien. Bis zu diesem Moment jedoch, der durch die erzwungene Flucht vieler deutscher Intellektueller verstärkt wurde, konnte sich die Weltgeschichtsschreibung jedoch durchaus erfolgreich und in vielfältigen Formen etablieren.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges, so führte Katja Naumann (Leipzig) in dem abschließenden Vortrag aus, wurde an frühere globalgeschichtliche Perspektiven in Deutschland angeknüpft und neue Ansätze erprobt, wenngleich die Entwicklungen in beiden deutschen Staaten verschiedene Wege genommen hatten. Suchte man in der DDR in den 1940er und frühen 1950er Jahren sowohl die Traditionen Lamprechts und Pirennes weiterzuführen bzw. weltgeschichtliche Betrachtungen mit der sich etablierenden marxistischen Historiographie zu verbinden, fand eine transnationale Sichtweise in der BRD in zwei Kontexten statt: zum einen in dem katholischen Entwurf des ‚Abendlandes’, welcher sich gegen eine preußisch–protestantische Nationalgeschichte wandte sowie in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust. Mit der Neugestaltung des Hochschulwesens in der DDR seit 1951 wurde Weltgeschichte neben einer Nationalgeschichte zwar dauerhaft in Lehrplänen und Forschungsbereichen institutionalisiert und konnte an einzelnen Standorte wie beispielsweise am Leipziger Interdisziplinären Zentrum für vergleichende Revolutionsforschung intensiv betrieben werden, allerdings blieben internationale Wahrnehmung und Wirkung begrenzt. In der Bundesrepublik setzte dagegen erst Mitte der 1970er Jahren eine pragmatische Wende und empirisch ausgerichtete Forschung zu globalen Aspekten ein, nachdem die Debatten vorher primär geschichtsphilosophischer Art waren. In Absetzung von der seitens der Bielefelder Schule propagierten Modernisierungstheorie wurde die Dependenztheorie in der lateinamerikanischen Geschichte diskutierte und in den 1980er Jahren u.a. auch die Systemtheorie Wallersteins rezipiert, so dass sich spätestens Ende der 1980er Jahren eine breitere Expertise und Pluralität innerhalb der außereuropäischen Geschichte herausgebildet hatte. Diese unterschiedlichen Entwicklungen en detail nachzuvollziehen und zu erklären, müssen, so Naumann, zukünftige historiographiegeschichtliche Studien leisten.

Damit leitete der letzte Vortrag in die Diskussion über, die sich vor allem dem Vergleich der skizzierten nationalen Entwicklungen zuwandte. Dabei war es weniger Ziel, zu abschließenden Einsichten in eine europäische Gegenüberstellung zu gelangen; vielmehr bündelte die Moderation von Andreas Eckert gekonnt die wiederkehrenden allgemeinen Fragen, die demnächst mit empirischen Studien verfolgt werden müssen, wobei die folgenden drei sich als die wesentlichen herauskristallisierten:
1) Wie kann sich Globalgeschichte von ihren regionalen und nationalen Prägung distanzieren ohne ihre Vermittelbarkeit und Funktionsfähigkeit in oftmals noch nationalen Kontexten zu verlieren und ohne der Idee eines Universalismus zu verfallen, der glaube, zu weltweit überzeugenden Interpretationen zu gelangen?
2) Wie gestaltete sich in den europäischen Historiographien das Wechselspiel und die Konkurrenz zwischen den verschiedenen räumlichen Bezugsebenen und unter welchen Bedingungen erwiesen sich globalhistorische Betrachtungen als besonders durchsetzungsfähig?
3) In welchem Verhältnis stehen die Konjunkturen von Weltgeschichte zu den weltpolitischen Ambitionen und Positionierungen der einzelnen Länder und inwiefern lässt sich im weiteren Zusammenhang eine europäische Geschichte von Weltgeschichtsschreibung rekonstruieren, die über die nationalen Besonderheiten hinausreicht?

Oft ist die Einsicht in weiterführende Fragen ein hinreichend großer Gewinn nach einer gemeinsamen Debatte, und in dieser Hinsicht war das Panel erfolgreich. Es war dies jedoch noch in einer weiteren Hinsicht: Deutlich wurde nämlich, dass eine zukünftige Stärke europäischer Globalgeschichte u.a. in der Historisierung ihrer eigenen Traditionen durch eine professionalisierte Historiographiegeschichte bestehen könnte und daraus zugleich die Grundlage für das informierte und reflektierte Erproben neuer Ansätze erwachsen würde, das sich nicht durch etablierte Meistererzählungen über die eigene Herkunft in seiner Kreativität lähmt, wie es derzeit bisweilen jenseits des Atlantik den Anschein hat.

Contact (announcement)

Katja Naumann
Universität Leipzig
Zentrum für Höhere Studien
Emil-Fuchs-Str. 1
04105 Leipzig
knaumann@uni-leipzig.de

www.uni-leipzig.de/zhs/ekwg
Editors Information
Published on
24.03.2006
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English, French, German
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