D. Gabaccia: Foreign Relations

Cover
Title
Foreign Relations. American Immigration in Global Perspective


Author(s)
Gabaccia, Donna R.
Series
America in the World
Published
Extent
288 S.
Price
$ 19.95
Reviewed for Connections. A Journal for Historians and Area Specialists by
Björn A. Schmidt, Anglo-Amerikanische Abteilung des Historischen Seminars, Universität zu Köln

Die Flüchtlingssituation in Europa macht aktuell und mehr denn je deutlich, dass Migration kein ausschließlich innenpolitisches Thema ist. Eine Perspektive, die Migration erst in dem Moment wahrnimmt, wenn Immigrantinnen und Immigranten die territorialen Grenzen ins jeweilige Land überschreiten, ist zwangsläufig verengt und verkürzt die transnationalen Prozesse und internationalen Wechselbeziehungen von Migration. In gewisser Weise hilft Donna R. Gabaccias Buch „Foreign Relations“ trotz seines zeitlich wie geopolitisch anderen Kontextes daher auch, aktuelle Sachverhalte anders zu bewerten.

Gabaccia widmet sich in ihrem kompakten, gut lesbaren Buch der Immigrationsgeschichte der USA und unternimmt dabei gezielt einen Perspektivwechsel auf die globalen Verflechtungen dieser Migrationsbewegungen. Hierzu verknüpft sie die Felder der Immigrationsgeschichte und der Geschichte der U.S.-Außenpolitik. Beide Disziplinen, so Gabbacia, verfolgen zwar transnationale bzw. internationale Ansätze, seien aber im Wesentlichen blind füreinander. Zum einen blende die Immigrationsgeschichte zu sehr die anhaltenden transnationalen Verbindungen von Migrantinnen und Migranten mit ihren Heimatländern aus. Zum anderen werde in der Forschung die globale Geopolitik der USA selten in Hinblick auf ihre Auswirkungen auf Migrationsbewegungen betrachtet. Für Gabbacia führt das fehlende Bewusstsein für die Verschränkung von Immigration, Außenpolitik und Welthandel zu der weit verbreiteten Annahme, Einwanderung sei ein rein innenpolitisches Thema, dessen politisches Instrumentarium allein die (meist restriktive) Einwanderungsgesetzgebung sei. Dem setzt die Autorin entgegen, dass „global perspectives on American immigration provide the foundation for pondering why efforts to control immigration through domestic legislation are likely to fail” (S. 4).

Die Autorin bietet daher eine neue Perspektive auf das breite Feld der U.S.-Immigrationsgeschichte. Hier hat die jüngere Forschung vor allem ‚race’ als wichtige Analysekategorie identifiziert und zahlreiche gewinnbringende Studien zum Verständnis von U.S.-Diskursen der Einwanderung (und deren Beschränkung) hervorgebracht.1 Diese Studien beschränken sich jedoch meist auf die Effekte von Migration innerhalb der USA. Hinsichtlich der Einbeziehung transnationaler und globaler Verbindungen von Immigration hat sich dahingegen ein Forschungsfeld etabliert, das sich diesen Prozessen mit dem Begriff der Diaspora widmet.2 Gabaccia wiederum ist es zu verdanken, dass sie vor diesem Hintergrund den Blick zusätzlich auf globale politische und ökonomische Aspekte öffnet.

In ihrer lose chronologisch angelegten Studie zeichnet Gabaccia eine Genealogie der oben erwähnten verkürzten Sicht auf Immigration und versucht gleichzeitig, dieses Bild zu revidieren. Um den von ihr angeregten Perspektivwechsel zu unterstreichen, zeigt sie, wie sehr die U.S.-Außenpolitik der vergangenen zwei Jahrhunderte – zwischen Isolationismus, „empire-building“ und Globalisierung – stets mit Immigrationsbewegungen und deren Bewertung verschränkt war. Zentrale Punkte dieser globalen Wechselbeziehungen sind für Gabaccia in erster Linie Handelsbeziehungen, politische Allianzen, aber auch die Kriege des 20. Jahrhunderts. Diese geopolitischen Entwicklungen „von oben“ hatten konkrete Effekte auf die Immigration in die USA. Gleichzeitig unterhielten Immigrantinnen und Immigranten globale Netzwerke und unterstützten politische Entwicklungen sowohl in ihren Heimatländern als auch in den USA. Gabaccia bezeichnet diese migrantischen Verbindungen „von unten“ als „immigrant foreign relations“ (S. 1).

Im ersten Kapitel widmet sich Gabaccia den Ursprüngen und Wechselbeziehungen zwischen zwei zentralen Mythen der U.S.-Geschichte. Einerseits wurde Einwanderung immer von der Warte der „Amerikanisierung“ betrachtet und damit unter dem Gesichtspunkt der Abkopplung vom Heimatland. Andererseits zeichnete der Mythos des amerikanischen Isolationismus stets das Bild der USA als einer vom Weltgeschehen unabhängigen Nation. Beide Mythen seien nicht nur falsch, sondern in ihrer Genese eng miteinander verbunden, wie Gabaccia argumentiert. Die vielfach vorhandenen kulturellen, politischen und familiären Verbindungen von Immigrantinnen und Immigranten ins Heimatland, widersprechen der Vorstellung von einer vollständigen Loslösung. Gabaccias Schlüssel zur Betrachtung der Migrationsnetzwerke ist der internationale Handel des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts und die damit einhergehenden diplomatischen Beziehungen. Entgegen des vermeintlichen Isolationismus sahen die USA den internationalen Handel als essentiell für ihre Unabhängigkeit. Migrationsbewegungen wiederum, so Gabaccia, spiegelten, zumindest grob, „the geographies of trade and commercial diplomacy“ (S. 48). Dies führte dazu, dass Immigration im 19. Jahrhundert über Zölle und Handelsverträge geregelt wurde.

Im zweiten Kapitel beschreibt Gabaccia, wie ab 1850 angesichts des amerikanischen „empire-building“ nicht nur der Diskurs des Isolationismus in den Hintergrund trat, sondern Immigrationsdebatten (und damit auch Ängste vor „undesirable immigrants“) sich gerade auf jene Länder konzentrierten, in denen die USA mittels Investoren, Händlern, Missionaren und Diplomaten ihren Einfluss vergrößern wollten, beispielsweise Mexiko und China. Das Kapitel beschreibt die Wechselwirkungen zwischen ökonomisch-territorialem Imperialismus und der Angst vor zunehmend „fremder“ (sprich: nicht-europäischer) Einwanderung. Wichtig ist für Gabaccia dabei auch die Mobilität von amerikanischen „emigrant empire-builders“ (S. 77), die sich in die verschiedenen Länder und Territorien begaben um Handel zu treiben. Damit widmet sich Gabaccia erneut einem wenig erforschten Feld und kann so beschreiben, wie die Präsenz von amerikanischen imperialen Emigrantinnen und Emigranten in anderen Ländern sowie daran anschließende Rechtsfragen und Machtverhältnisse die rassistischen Immigrationsdiskurse innerhalb der USA prägten.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem zunehmend einflussreichen Diskurs der Einwanderungsbeschränkung in den Jahren 1850 bis 1965. Hier zeichnet Gabaccia nach, wie sich der politische Umgang mit Migration von der Außen- und Zollpolitik zur Innenpolitik verschiebt. Spätestens nach dem ersten Weltkrieg wurde der Kongress zum zentralen Organ der Immigrationspolitik. Den Hintergrund dieser Entwicklung bildeten vor allem die militärischen und kriegerischen Interventionen der de facto nicht mehr isolationistischen USA im 20. Jahrhundert. In diesen Jahren wurde Immigration zunehmend nicht mehr als Nebeneffekt von Diplomatie und Handel angesehen.

Stattdessen waren Restriktionsdebatten von Vorstellungen des bedrohlichen „Fremden“ geprägt. Gleichzeitig führte die Restriktion zu einer stärkeren Politisierung der migrantischen Communities in den USA, die nun die Verlagerung der Immigrationspolitik hin zur Legislative nutzten, um ihre Anliegen ebenfalls an den Kongress zu tragen.

Im letzten Kapitel schlägt die Autorin den Bogen von 1965 bis zur Gegenwart und befasst sich damit mit den nach wie vor aktuellen Debatten der „New Restrictionists“. Diese Debatten liest Gabaccia vor dem Hintergrund der Diskurse um Globalisierung, die, wie bereits deutlich wurde, die historischen Kontinuitäten der internationalen Verflechtungen ausblenden. Während also letztlich bereits vorhandene Phänomene mit neuen Begriffen gefasst wurden, änderte sich auch die Wahrnehmung von Immigration, die nun vor allem an Illegalität, Quoten und vermeintlich fehlende Qualifizierung der Einwandernden geknüpft wurde. In den letzten Jahrzehnten, so Gabaccia, sei Immigration vollends zu einem Thema der Innenpolitik geworden – zu einer Gefahr für die Nation, vor der nur der Kongress zu schützen vermochte. Kritiker sähen aktuelle Problematiken als Fehler der gewählten Regierung, anstatt sie als globale Probleme zu begreifen, die internationaler Lösungen bedürfen.

Gabaccia reichert einen großen Teil der einzelnen Kapitel mit Lebensgeschichten von Migrantinnen und Migranten an. Diese geben seltene Einblicke in die individuellen Lebenswege, die hinter den Zahlen und Analysen stehen. Da „Foreign Relations“ ohnehin einen eher essayistischen Stil verfolgt, der ohne einen großen wissenschaftlichen Apparat auskommt, verstärken diese Biographien die gute Lesbarkeit. Leider wird der Zusammenhang der Biografien zum jeweiligen Kapitel nicht immer unmittelbar deutlich.

Gabaccia hat ein informatives und wichtiges Buch geschrieben. An manchen Stellen ergeben sich leider argumentative Redundanzen. Auch wünscht man sich bisweilen mehr theoretische Schärfe, beispielsweise wenn sich Gabaccia auf Ansätze bezieht, die den Fokus auf Rassismus legen. Zwar erkennt sie die Wichtigkeit von ‚race’ und des zeitgenössischen wissenschaftlichen Rassismus, doch ihr eigenes Konzept von Xenophobie bleibt schwammig. Hier wäre ein stärkerer Anschluss an die entsprechende Forschung sicherlich fruchtbar gewesen.

Dennoch bleibt nach der Lektüre die wichtige Erkenntnis, dass Migration niemals an den jeweiligen Grenzen beginnt oder endet, sondern der Blick auf die transnationalen Prozesse und auch auf die Agency von Migrantinnen und Migranten gestärkt werden muss, wozu Gabaccias Buch einen wichtigen Beitrag leistet.

Anmerkungen:
1 Siehe beispielsweise Gary Gerstle, American Crucible. Race and Nation in the Twentieth Century, Princeton, New Jersey 2002; Matthew Frye Jacobson, Whiteness of a Different Color. European Immigrants and the Alchemy of Race, Cambridge, Massachusetts 1998; Desmond King, Making Americans. Immigration, Race and the Origins of the Diverse Democracy, Cambridge, Massachusetts 2000; David R. Roediger, Working Toward Whiteness. How America’s Immigrants Became White, New York 2005; Roger Daniels, Coming To America. A History of Immigration and Ethnicity in American Life, New York, New York 1990.
2 Zum Diaspora-Begriff siehe Ruth Mayer, Diaspora. Eine kritische Begriffsbestimmung, Bielefeld 2005; Robin Cohen, Global Diasporas. An Introduction, Second Edition, London/New York 2008.

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19.11.2015
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