J. Black: Empire Reviewed

Cover
Title
Empire Reviewed.


Author(s)
Black, Jeremy
Published
Extent
238 S.
Price
€ 13,17
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Jonas Kreienbaum, Universität Rostock

Seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts sind Imperien – als Teil eines neuen Interesses an globaler bzw. transnationaler Geschichte und befeuert durch die jüngsten Kriege in Afghanistan und Irak und die Frage nach dem imperialen Charakter der Vereinigten Staaten – zusehends in den Fokus politik- und geschichtswissenschaftlichen Interesses gelangt. Nun hat der britische Historiker Jeremy Black, Professor an der University of Exeter, mit „Empire Reviewed“ eine weitere Studie zur britischen Imperialgeschichte vorgelegt, die an seine früheren Forschungen zum amerikanischen und vor allem britischen Imperium anknüpft.1 Es handelt sich um eine Streitschrift, die sich dezidiert gegen die – laut Black – dominierende, kritische Darstellung des Empire in der Öffentlichkeit, aber auch in Teilen der Forschung wendet – eine Interpretation, die sich mit Blick auf die jüngeren ‚pro-imperialen’ Beiträge vor allem von Niall Ferguson und Herfried Münkler durchaus hinterfragen lässt.2 Black konstatiert: „There is almost a zeal to suggest that Britain was as bad as the most murderous regimes in history, as with reference to ‚Britain’s gulag’ when discussing the reference to the Mau Mau, or the slave trade, of imperial expansion, the treatment of detainees in the Boer War, and the Bengal Famine, with actions of the Nazis.“ (S. 233f) Solche Kritik, so Black, sei Resultat von Übertreibungen sowie emotionaler und ahistorischer Herangehensweisen (S. 234). Dem gegenüber will er mit „Empire Reviewed“ eine genuin historische Behandlung des britischen Weltreichs stellen, die die guten Seiten des Empire nicht verschweigt und als offensiver Debattenbeitrag zu verstehen ist (S. ix).

Black gliedert seine Abhandlung in neun Kapitel. Nach einem kurzen „Preface“ referiert er im ersten Abschnitt „Why Empire?“ zunächst die Gründe, die heute zu einer allgemeinen Kritik an der imperialen Vergangenheit beitragen. Er verweist auf den anti-imperialen Ursprung und das damit oft verbundene anti-imperiale Selbstverständnis zahlreicher Staaten der Welt, von den USA über Indien bis hin zu den Ländern, die mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ihre Unabhängigkeit erlangten. Er nennt die Wirkmächtigkeit eines bereits in der Antike entwickelten anti-imperialen Diskurses und beschreibt schließlich, wie die Durchsetzung des Nationalstaates als Regelfall der Staatenordnung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Imperien als „inappropriate“ und „undesirable ‚other’“ (S. 15) erscheinen ließ. Gleichzeitig skizziert er eine Reihe von Argumenten, die er im Laufe des Buches zur Verteidigung des Empires ins Feld führt. Besonders wichtig ist Black, dass Großbritannien einen Großteil seiner Kolonien im Zuge strategischer Wettkämpfe mit anderen Imperien erwarb und so Gebiete häufig einfach von den Konkurrenten übernahm. Großbritannien zwang damit nicht vormals selbstbestimmte Völker erstmals in ein Verhältnis der Fremdherrschaft, sondern ersetzte lediglich andere Herrscher, die – so Black – häufig weit weniger milde agiert hatten (S. 10ff). Auch hätte das Empire positive Seiten gehabt, etwa die Durchsetzung persönlicher Freiheiten gerade für vormals unterdrückte Minderheiten (S. 16, S. 230). Und schließlich hätten Imperien – und speziell Großbritannien – mehr auf Kooperation mit den Beherrschten als auf gewalttätige Konfrontation gesetzt (S. 20).

Die folgenden fünf Kapitel, die den eigentlichen Hauptteil des Buches ausmachen, bieten einen chronologischen Abriss britischer Imperialgeschichte. Kapitel zwei widmet sich dem Empire vor 1700. Kapitel drei und vier referieren die Entwicklungen des britischen Weltreichs im 18. respektive 19. Jahrhundert. Im fünften Kapitel stehen die Jahre 1900 bis 1945 im Vordergrund und Kapitel sechs behandelt schließlich die Zeit vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis heute. Erstaunlich ist in diesen Hauptkapiteln des Buches einerseits die recht starre Periodisierung nach Jahrhunderten – schließlich bedeutete etwa 1914 eine viel signifikantere Zäsur als 1900. Andererseits verwundert der sehr deskriptive Charakter der Ausführungen gerade für einen Beitrag, „in which debate is intentionally pushed to the fore“, wie es Black im Vorwort angekündigt hat.

Im siebten Kapitel geht Black auf das Vergleichspotenzial zwischen britischem und amerikanischem Imperium ein, die er trotz gewisser Unterschiede für weit ähnlicher hält als etwa das nationalsozialistische Deutschland oder die Sowjetunion. Die Frage nach Gemeinsamkeiten der angelsächsischen Weltreiche mit dem deutschen Kaiserreich oder Frankreich, wäre hier sicherlich fruchtbarer gewesen. In Kapitel acht steht dann die Erinnerung an das Empire in den post-kolonialen Gesellschaften – sowohl auf den britischen Inseln wie in Übersee – im Vordergrund. Black betont dabei, dass der Prozess der nationalen Befreiung – in Indien wie in Irland – durch die Überbetonung des Negativen an der britischen Herrschaft mit Bedeutung aufgeladen wurde und sieht darin einen Grund für die heutige Ablehnung des Empire. In England selbst wiederum habe sich unter anderem durch die bedeutende Migration aus den ehemaligen Kolonien eine spannungsgeladene, multi-kulturelle Gesellschaft gebildet, in der die positive Bewertung des Empire schwierig ist. Im Fazit, Kapitel neun, fasst Black schließlich seine zentralen Argumente für eine positivere Bewertung des Empire zusammen.

Insgesamt kann Blacks Buch, das sich in Anbetracht des schmalen Anmerkungsapparates und der Kürze der Darstellung wohl eher an interessierte Laien oder Studierende richtet, nur bedingt überzeugen. Vor allem Blacks Argumentation krankt an zentraler Stelle. Im wichtigsten Punkt geht Black der Debatte aus dem Weg, indem er die wirklich negativen Episoden der britischen Imperialgeschichte schlicht übergeht. So kommen etwa die schätzungsweise 50.000 – burischen wie afrikanischen – Toten in den Konzentrationslagern des Südafrikanischen Krieges (1899-1902) nicht vor. Und – ein zweites Beispiel – die ausgesprochen blutige Niederschlagung des Mau-Mau-Krieges in Kenia wird zwar in einem Satz erwähnt, aber in keiner Weise diskutiert. Eine ausgewogene Darstellung des Empire, die der Klappentext verspricht, darf über diese „dark episodes“ nicht hinweggehen, sollte sie aber gleichzeitig – da ist Black Recht zu geben – nicht verabsolutieren. Etwas mehr Ausgewogenheit hätte nicht nur die Argumentation von „Empire Reviewed“ gestärkt, sondern wäre gerade für einen einführenden Text wünschenswert gewesen.

Anmerkungen:
1 Jeremy Black, The British Seaborne Empire, New Haven 2004; ders., Crisis of Empire. Britain and America in the Eighteenth Century, London 2008.
2 Niall Ferguson, Empire. How Britain Made the Modern World, London 2003; Herfried Münkler, Imperien. Die Logik der Weltherrschaft. Vom alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten, Berlin 2005.

Editors Information
Published on
17.05.2013
Edited by
Cooperation
Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
Classification
Regional Classification
Book Services
Contents and Reviews
Availability
Additional Informations
Language of publication
Language of review