St. G. Rabe: The Killing Zone

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Title
The Killing Zone. The United States Wages Cold War in Latin America


Author(s)
Rabe, Stephen G.
Published
Extent
247 S.
Price
€ 52,69
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Torsten Loschke, Universität Leipzig

Die Geschichtsschreibung zur Beziehung zwischen Lateinamerika und den USA während des Kalten Krieges war lange Zeit von Ansätzen geprägt, die die politische und ökonomische Übermacht der Vereinigten Staaten in den Vordergrund stellten und den „Colossus of the North“ für eine jahrzehntelange Politik der Intervention und Destabilisierung heftig kritisierten. Je nach Fokus wurden dabei anti-kommunistische Ängste, wirtschaftliche Begehrlichkeiten, strategische Erwägungen oder kulturell-rassistische Überlegenheitsgefühle als die entscheidenden Triebkräfte der US-amerikanischen Umtriebe benannt. Neuere Forschungen versuchen diese Engführung in mehrerer Hinsicht zu überwinden, etwa durch das verstärkte Heranziehen lateinamerikanischer Quellen, die Betonung der Eigenständigkeit lateinamerikanischer Akteure oder die Einbeziehung kultur-, sozial- und globalgeschichtlicher Perspektiven.1 Nicht zuletzt die in den letzten Jahren erschienenen Gesamtdarstellungen zeugen von dem lebhaften und keineswegs abgeschlossenen Bemühen, ein komplexeres und vielfältigeres Bild des Kalten Krieges in Lateinamerika zu zeichnen.2

Der an der University of Texas/Dallas lehrende Historiker Stephen Rabe zeigt sich in seinem neuen Überblickswerk zur Lateinamerikapolitik der USA im Zeitalter des Kalten Krieges weitgehend unbeeindruckt von diesen Anstößen. Anknüpfend an seine früheren diplomatiegeschichtlichen Fallstudien3 verfolgt er in seinem Buch eine dezidiert politikgeschichtliche und staatszentrierte Perspektive, die die Forschungsliteratur der vergangenen Jahrzehnte souverän zusammenfasst, aber neuere Zugangsweisen und Themen aus der Sozial- oder Kulturgeschichte fast vollständig ausblendet. Zwar nimmt Rabe Stellung zu den wichtigsten wissenschaftlichen Debatten und unterstreicht beispielsweise die Grenzen US-amerikanischer Macht und den Handlungsspielraum der lateinamerikanischen Akteure. Dennoch hält er den militärischen und politischen Einfluss der USA für den wesentlichen Faktor, um die Geschichte des Kalten Krieges in Lateinamerika zu verstehen. Drei Fragen leiten seine Darstellung: Erstens, wie nahmen die US-Außenpolitiker Lateinamerika im Kontext des Kalten Krieges wahr? Zweitens, welche Aktivitäten entfaltete Washington um die (reale oder eingebildete) Gefahr des Kommunismus in der Region einzudämmen? Drittens, welchen Stellenwert hatte die Lateinamerika-Politik der USA im Gesamtgefüge des Kalten Krieges?

Das Buch verzichtet auf eine steile These, stellt aber die Gewaltdimension des Kalten Krieges in Lateinamerika ins Zentrum der Betrachtung. Rabe fragt, inwiefern der in den Vereinigten Staaten aber auch in Osteuropa anzutreffende Enthusiasmus über den „Sieg“ der USA in der globalen Blockkonfrontation vor dem Hintergrund der lateinamerikanischen Erfahrung relativiert werden müsste. Denn in seiner Interpretation war Lateinamerika während des Kalten Krieges – wie schon der Buchtitel deutlich macht – in weiten Teilen eine „Todeszone“, in der die USA und ihre lokalen Verbündeten durch Destabilisierung, Terror und Massenmord das Leben für Millionen von Menschen zur Hölle machten. Angesichts der bis heute spürbaren, leidvollen Nachwirkungen des Kalten Krieges in Lateinamerika verbiete sich jede Selbstzufriedenheit, die die erfolgreiche Eindämmung des Kommunismus feiert und Kalte Krieger wie Kennedy und Reagan zu populären Helden erhebt.

Das Buch ist chronologisch aufgebaut, die einzelnen Kapitel folgen den „klassischen“ Brennpunkten der US-amerikanischen Aktivitäten in Lateinamerika. Zunächst beschreibt Rabe das imperiale Ausgreifen der USA nach Lateinamerika seit Ende des 19. Jahrhunderts. Die Selbststilisierung der USA als Polizei- und Zivilisierungsmacht in Lateinamerika samt regelmäßiger Interventionen lieferte das langfristige ideologische und praktische Muster für die Politik Washingtons, das sich letztlich auch während des Kalten Krieges nicht grundlegend änderte. Rabe betont dabei mehrfach, dass die Positionierung Lateinamerikas als „natürliche“ Einflusssphäre der USA auch von der Sowjetunion letztlich nie in Frage gestellt wurde und Lateinamerika damit deutlich von anderen Schauplätzen des bipolaren Konflikts unterschied. Ob der Einfluss der UdSSR und Kubas in Lateinamerika aber wirklich so gering zu veranschlagen war, wie vom Autor behauptet, dürfte für Diskussionsstoff sorgen.

Anschließend analysiert Rabe wie Lateinamerika vor dem Hintergrund der neuen Globalpolitik der USA und dem weltweiten Kampf gegen den Kommunismus nach 1945 rapide an politischer Bedeutung verlor, aber trotzdem in den Strudel des Kalten Krieges geriet. Das Argument des Autors lautet, dass die politischen Entscheidungsträger in Washington trotz besseren Wissens letztlich von ihrer Furcht vor dem Kommunismus übermannt wurden und Lateinamerika fortan durch ein anti-kommunistisches Prisma betrachteten, das nahezu jede Veränderung in der Region als Bedrohung erscheinen ließ, normale politische Standards außer Kraft setzte und eine fortgesetzte Einmischung im Sinne der „nationalen Sicherheit“ rechtfertigte.

Im Folgenden zeigt das Buch die daraus resultierende Politik der USA bis zum Ende des Kalten Krieges im Spannungsfeld von modernisierungstheoretischen Vorstellungen und Menschenrechtspolitik einerseits sowie von Interventionismus und der Unterstützung diktatorischer Regime andererseits. Insbesondere das Kapitel zur Intervention in Guatemala im Jahr 1954 ist exzellent. Es beschreibt Entstehung und Verlauf des Konflikts differenziert und anhand der aktuellen Forschungslage, analysiert die maßgeblichen Akteure und wendet sich beispielsweise ausdrücklich gegen die Ansicht, die US-amerikanischen Außenpolitik habe lediglich als verlängerter Arm wirtschaftlicher Interessen (United Fruit Company) agiert. Überzeugend hebt Rabe die historischen Lehren Guatemalas für ganz Lateinamerika hervor, sei es als Blaupause für alle zukünftigen Interventionen der USA, als Einschüchterung für alle moderaten, demokratisch gesinnten Reformer und als Freifahrtschein für die konservativen Eliten zur Unterdrückung jeglicher Opposition durch Terror und Mord. Auch die anschließenden Kapitel des Buches zeichnen diese Radikalisierung der politischen Landschaft Lateinamerikas eindrucksvoll nach, seien hier jedoch nur kurz genannt. Sie befassen sich mit der Kubanischen Revolution, der Lateinamerika-Politik Kennedys und Johnsons, Allendes Chile und den Militärdiktaturen in den 1970er-Jahren sowie den Bürgerkriegen und Massenmorden in Mittelamerika während der 1980er-Jahre. Das Schlusskapitel kritisiert noch einmal die fehlende öffentliche Debatte in den USA über deren Lateinamerikapolitik während des Kalten Krieges und setzt dagegen die schmerzhafte Aufarbeitung der Vergangenheit in Ländern wie Argentinien, Chile und Guatemala, die gleichwohl nicht repräsentativ für die gesamte Region ist.

Das Buch überzeugt durch eine sorgfältige und abwägende Argumentation, die auf einer soliden Kenntnis der wesentlichen Quellen und der aktuellen, englischsprachigen Sekundärliteratur gründet und den Leser auch mit wichtigen Forschungsdebatten vertraut macht. Rabe schreibt flüssig und spannend, analytische Passagen lockert er mit anschaulichen Beispielen und dem Blick auf einzelne Akteure auf. Nur die gelegentlichen Dramatisierungen anhand tragischer Einzelschicksale wirken mit all ihren blutigen Details etwas übertrieben. Zur Studentenfreundlichkeit tragen eine Zeittafel mit den wichtigsten Ereignissen sowie ein kommentiertes, wiederum nur englischsprachiges Literaturverzeichnis bei.

Dennoch wird die recht konventionelle politikgeschichtliche Perspektive des Buches viele Leser enttäuschen. Rabe betrachtet ausschließlich die Lateinamerikapolitik der USA und liefert keine weitere Gesamtdarstellung Lateinamerikas während des Kalten Krieges. Aus diesem Blickwinkel bleiben lateinamerikanische Akteure und Stimmen häufig unterbelichtet. Zudem konzentriert sich Rabe weitgehend auf die „Hotspots“ des US-amerikanischen Engagements (Guatemala, Kuba, Chile etc.) und macht nicht deutlich, wie sich die Politik der USA jenseits dieser Brandherde gestaltete. So spielt etwa das Verhältnis der USA zum Nachbarn Mexiko überhaupt keine Rolle im vorliegenden Werk. Inwiefern würde sich Rabes Interpretation verändern, würde man kulturelle Einflüsse oder die Diplomatie und Wirtschaftspolitik gegenüber anderen Staaten einbeziehen und dabei auch nicht- oder halbstaatliche Akteure wie Stiftungen, Universitäten oder Unternehmen betrachten? Gehörte zum Kalten Krieg nicht mehr als die Lieferung von Waffen, das Verhängen von Embargos oder das Verteilen von Entwicklungshilfegeldern?

Zudem gelingt es Rabe nicht überzeugend, die historischen Ereignisse in einen größeren Zusammenhang einzuordnen und Stellung zu ganz grundlegenden Fragen zu beziehen. War der Kalte Krieg nur eine Fortsetzung des historisch gewachsenen, asymmetrischen Machtverhältnisses zwischen den USA und Lateinamerika unter anti-kommunistischen Vorzeichen? Oder veränderte er die Region substantiell, beispielsweise indem er das alltägliche Leben dramatisch politisierte und internationalisierte oder indem er die wirtschaftliche und kulturelle Verflechtung zwischen den USA und ihren südlichen Nachbarn immer stärker intensivierte?4 Darüber hinaus ist in der neueren Forschung noch weitgehend ungeklärt, wie man die Rolle Lateinamerikas nach 1945 im globalen Maßstab bewertet und welche Konsequenzen daraus für eine Gesamtinterpretation des Kalten Krieges zu ziehen wären. Trotz vereinzelter Hinweise hätte Rabe zu diesen Fragen im vorliegenden Werk viel deutlicher Position beziehen und Anstöße für die zukünftige Forschung geben können.

Anmerkungen:
1 Drei Beispiele zeigen das Spektrum der neueren Arbeiten: Piero Gleijeses, Conflicting missions. Havana, Washington, and Africa, 1959–1976, Chapel Hill 2002; Gilbert Joseph/Daniela Spenser (Hrsg.), In from the Cold. Latin America’s new encounter with the Cold War, Durham/NC 2008; Jana Lipman, Guantánamo. A working-class history between empire and revolution, Berkeley 2009.
2 Vgl. Alan McPherson, Intimate ties, bitter struggles. The United States and Latin America since 1945, Washington, D.C. 2006; Hal Brands, Latin America’s Cold War, Cambridge/MA 2010.
3 Stephen Rabe, U.S. intervention in British Guiana. A Cold War story, Chapel Hill 2005; ders., The most dangerous area in the world. John F. Kennedy confronts Communist revolution in Latin America, Chapel Hill 1999; ders., Eisenhower and Latin America. The foreign policy of anticommunism, Chapel Hill 1988.
4 So die Thesen von Greg Grandin bzw. Alan McPherson, vgl. Greg Grandin, The last colonial massacre. Latin America in the Cold War, Chicago 2004; McPherson, 2006.

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24.05.2013
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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