A. Burton: A Primer for Teaching World History

Cover
Title
A Primer for Teaching World History. Ten Design Principles


Author(s)
Burton, Antoinette
Published
Extent
154 S.
Price
€ 18,53
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Robert Heinze, Universität Bern

Die Globalgeschichte als einer der wichtigsten Trends der letzten Jahrzehnte ist in der historischen Forschung längst etabliert. Auch in der Lehre werden globalgeschichtliche Themen von den Institutionen begrüsst und von Studenten interessiert angenommen. Dennoch stellen sich bei der Seminarorganisation weiterhin viele praktische Fragen: Zeithorizonte ebenso wie räumlich Einschränkungen sind ein wichtiges Element der Organisation von Lehrveranstaltungen überhaupt, für die Globalgeschichte werden sie jedoch absolut zentral, da beide entscheidend unsere Interpretation globaler Prozesse prägen. Das Thema darf nicht ausfransen, scheinbar separate historische Ereignisse und Prozesse müssen in einen kohärenten, sinnvollen Zusammenhang gebracht werden, und oft muss die Lehrperson Vorannahmen hinterfragen, durch die Schüler und Studierende globale Prozesse als a) Phänomene der letzten beiden Jahrhunderte und/oder b) als von einem globalen Zentrum ("Westen") ausgehende Verbindungen verstehen. Diese Problemstellung stellt Burton pragmatisch in den Vordergrund und verspricht konkrete Vorschläge dafür, Veranstaltungen entsprechend zu strukturieren.

Die im Titel erwähnten zehn Designprinzipien teilen sich in drei Bereiche: Basis, Instrumente und Technologien. Allerdings ist diese Aufteilung nicht immer ganz einleuchtend. So stehen die zwei einzigen thematischen Kapitel in unterschiedlichen Blöcken: Empire-Geschichte wird als thematisches "teaching tool" vorgestellt, Gendergeschichte als Basis - ohne dass diese Kapitel unterschiedlich angelegt wären. Im Kapitel "Teaching Tools" wiederum stehen organisatorische Strukturprinzipien wie Genealogie neben thematischen wie Empire.

Allgemein ist das Buch stark vom US-amerikanischen Lehrkontext geprägt. Insbesondere schliesst Burton an die Tradition der "World History" und "World Civilization"-Vorlesungen an, die bereits seit den 1970er Jahren an vielen US-Colleges zu den Einführungsveranstaltungen gehören. Trotz kritischer Reflexion hält sie beispielsweise an den Zeitfenstern fest, die dort bereits etabliert sind (1500-heute). Diese Epocheneinteilung, so Burton, sei flexibel auszulegen und nicht notwendigerweise durch Kolumbus' Reise festgelegt. So könne beispielsweise mit Zheng He begonnen werden, dessen Reisen bereits hundert Jahre früher stattfanden. Die zeitliche Koinzidenz mit den Reisen Marco Polos könne als Ausgangspunkt für einen global vernetzten Raum "Eurasien" genommen werden.

Leider gehen Burtons weitere Vorschläge ebenfalls nicht über längst etablierte (und recht stark von der westlichen Geschichte geprägten) Epocheneinteilungen hinaus: "Age of Revolutions" (1750-1820) oder "Global Cold Wars" sind nicht gerade Anregungen, für die Geschichtsdozenten in ein Buch schauen müssen. Auch dies ist, zugegebenermassen, ihrer Annahme geschuldet, dass sich die Leser in einem "already established curriculum" (S. 21) befinden, das ihnen kaum Freiräume bei der Gestaltung der Kurse lässt.

Leider bleiben auch die weiteren Kapitel auf diesem sehr niedrigen Einführungsniveau. So betont Burton zu Recht die Vorteile von Konnektivität als Organisationsprinzip, das es erlaube, "to address the reciprocity - and the slippage - between the local and the global." (S. 29) Als einziges mögliches tragendes Konzept dafür erwähnt sie jedoch nur (ohne Konkretisierung oder auch nur Hinweise auf Übersichtsliteratur) den "commodity chains"-Ansatz. Ihre weiteren Beispiele sind zwar interessant, werden aber letztendlich ohne wirklichen Zusammenhang nebeneinandergestellt. So leuchtet Burton zwar verschiedene Aspekte von Konnektivität als Strukturprinzip aus, zeigt aber nicht, wie diese in einen kohärenten Seminarplan überführt werden könnten.

Während sie zutreffend herausstellt, dass über diese Strukturierung ein Ausweg aus der Dichotomie von Westen/Zentrum - Rest/Peripherie gefunden werden könne, bleibt unscharf, wie genau dies passieren soll, wenn wie in diesem Kapitel einzelne Beispiele, wie Weltregionen an globale Märkte angeschlossen werden (oder auch nicht), immer wieder Knotenpunkten globaler Verbindungen in Europa gegenüberstehen. Auch die "World History from Below", der sie ein eigenes Kapitel widmet, bleibt in bei dieser Sichtweise, indem sie sich vor allem auf Reaktionen aussereuropäischer Gesellschaften auf Prozesse der Kolonisierung konzentriert. (S. 50f.) Dabei lässt sich Burton auch Gelegenheiten entgehen: so erwähnt sie einen möglichen Vergleich zwischen der Relevanz von Pferden in den Imperien der Mongolen sowie der Comanche, versäumt jedoch einen Hinweis auf Ansätze der Animal Studies, die mit einer Untersuchung der globalen Ausbreitung des Pferdes gerade die Verbindung herzustellen erlaubten. (S. 34)

Dem Paradigma von Zentrum und Peripherie entkommen auch die Kapitel des zweiten Teils nicht. Die von ihr vorgeschlagenen "Strategien" oder "Instrumente" (bei ihr austauschbare Begriffe) sind Ereignis, Genealogie und Empire. Auch hier bleiben viele ihrer Vorschläge bestenfalls nicht originell, schlimmstenfalls unklar. Das Ereigniskapitel dreht sich um ein Beispiel - die Versailler Verträge und den "Wilsonian Moment" als Ausgangspunkt für eine Geschichte antikolonialen Widerstands und seiner Intellektuellen im frühen 20. Jahrhundert. Mit Genealogie bezieht sie sich keineswegs auf Foucault, sondern scheint vielmehr auf historische Prozesse zu zielen, letztlich aber einfach möglichst kohärente Narrative konstruieren zu wollen. Der Begriff wird nur als "backstory" definiert und verschieden eingesetzt - an einer Stelle (S. 79) zur Beschreibung der (synchronen) Warenkette der Baumwolle, an anderer Stelle zur Beschreibung der Kolonialkriege als "Vorgeschichte" der Weltkriege. Das Empire-Kapitel zieht wiederum kaum Verbindungen ausserhalb der fest etablierten innerhalb des britischen Empire und schlägt darüber hinaus nur einen Vergleich verschiedener Imperien vor.

Im dritten und letzten Teil stellt Burton schliesslich Technologien vor, die im Unterricht genutzt werden können. Während die Vorschläge zum Aufsetzen von Tests wiederum stark auf das amerikanische College-System Bezug nehmen, sind in den beiden Kapiteln zum Internet und zu globalen Archiven neben allzu Banalem wie dem nur oberflächlich angerissenen Umgang mit Wikipedia durchaus interessante Hinweise zu finden. Hier fehlt allerdings eine kommentierte Liste von digitalen und materiellen Archiven - oder zumindest bibliographische Hinweise auf entsprechende Handreichungen.

Insgesamt verbleibt diese Einführung, die sich offensichtlich an vollkommen ausserhalb jeglicher Welt- oder Globalgeschichte stehende Leser richtet, bei längst nicht nur in der Forschung etablierten Modellen und Strukturprinzipien. Zu sehr auf das Lehrsystem US-amerikanischer Colleges ausgerichtet, sehr kurz und oberflächlich, nicht nachvollziehbar strukturiert und nicht immer klar in der Begrifflichkeit, kann dieser Band kaum empfohlen werden. Burtons Buch geht kaum über Patrick Mannings zehn Jahre alte und wesentlich ausführlichere Einführung in Modelle und Themen der Weltgeschichte (selbst nicht ohne Schwächen) hinaus. Ein Blick in ihre Bibliographie zeigt übrigens, dass sie auch nur wenig Literatur aus der Zeit nach Manning rezipiert.

Editors Information
Published on
31.10.2014
Contributor
Edited by
Cooperation
Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
Classification
Temporal Classification
Regional Classification
Book Services
Contents and Reviews
Availability
Additional Informations
Language of publication
Language of review