P. Pretsch u.a. (Hrsg.): Eine Afrikareise im Auftrag des Stadtgründers

Title
Eine Afrikareise im Auftrag des Stadtgründers. Das Tagebuch des Karlsruher Hofgärtners Chrsitian Thran 1731 bis 1733


Editor(s)
Pretsch, Peter; Steck, Volker
Series
Veröffentlichungen des Stadtarchivs Karlsruhe 30
Published
Karlsruhe 2008: Info Verlag
Extent
257 S.
Price
€ 25,00
Reviewed for Connections. A Journal for Historians and Area Specialists by
Uwe Pfullmann, Gornsdorf

Im Geleitwort des Oberbürgermeisters von Karlsruhe, Heinz Fenrich, betont dieser, dass die Publikation des Stadtarchivs das auf 175 Doppelseiten geschriebene Tagebuch des aus Dänemark (Insel Alsen) stammenden Hofgärtners Christan Thran erschließt und in einer wissenschaftlichen Edition "die Reise Thrans aus der Perspektive unterschiedlicher Fachdisziplinen erläutert, sei es der Botanik, der Archäologie, der Orientalistik oder der Regional- und Landesgeschichte" (S. 9). Die Herausgeber Peter Pretsch und Volker Steck merken in ihrer Einleitung (S. 9-12) an, dass die Reise Thrans vor allem zustande kam, um den Bestand des Markgrafen Wilhelm von Baden-Durlach "an verschiedenen Pflanzen und wohl auch Tieren im Schlossgarten seiner Residenz zu ergänzen." (S. 9) Thran schloss sich einer vom Kurfürsten August I. von Sachsen finanzierten Expedition des Leipziger Gelehrten Johann Ernst Hebenstreit (1702-1767) nach Afrika an. "Thran führte ein Tagebuch, dass erst 1914 auf einer Straßburger Auktion für den Großherzoglichen Hausfideikommiss erworben wurde." (ebd.)

Richtigerweise beschlossen die Herausgeber, Thrans Tagebuch nicht buchstabengetreu wiederzugeben, sondern wollten dem jetzigen Leser eine gut lesbare Lektüre an die Hand geben. "Diktion und Schreibweise des 18. Jahrhunderts wurden aber beibehalten, sehr lange Sätze allerdings in kleinere Sinneinheiten unterteilt." (ebd.) Nach diesen ausführlichen und notwendigen editorischen Anmerkungen kann man sagen, dass es den Herausgebern gelungen ist, der heutigen Öffentlichkeit eine gut und verständlich aufbereitete Quelle zur Verfügung zu stellen. Doch diese Feststellung bedarf einer Einschränkung. Dazu später mehr.

In dem Beitrag "Vom Karlsruher Schlossgarten des 18. Jahrhunderts bis zum Botanischen Garten der Gegenwart“ (S. 13-27) schildern Helmut Carolus und Thomas Huber, Geschichte, Bedeutung, Entwicklung und Bestand des Karlsruher Gartens, in dem der Autor des Tagebuches gewirkt hat. P. Pretsch skizziert in seinem Beitrag "Christan Thran - Hofgärtner, Entdecker, Unternehmer" (S. 29-41) Leben und Wirken des Autoren der Nordafrika-Handschrift. Wie trivial die Gründe der Finanzierung dieser im wesentlichen kursächsischen Expedition waren, schildert P. in dem biographischen Abriss Thrans: "So wollte sich der sächsische König von Polen mit seinen vier Löwen, zwei Leoparden, zehn Tigern und mehreren Affenarten, die er in seinen Menagerien in Dresden und beim Jagdschloss Moritzburg hielt, noch nicht zufrieden geben und genehmigte die Mittel für eine naturwissenschaftliche Entdeckungsreise... nach Afrika." S. (32) Nach einer Reisezeit von einem Vierteljahr betrat man am 16. Februar 1732 afrikanischen Boden. P. schildert dann bildhaft den Empfang der Expedition durch den algerischen Dey und die Aktivitäten der Reisegruppe vor Ort. In Tunis erreichte die Expedition die Nachricht vom Tode König August des Starken (1. Februar 1733) und die Aufforderung, nach Sachsen zurückzukehren.

Detlef Döring zeichnet in seinem Beitrag "Die sächsische Afrikaexpedition von 1713 bis 1733, Ihre Planung, ihre Teilnehmer, ihre Ergebnisse" (S. 43-55) ein vielschichtiges Bild der Beweggründe für diese Nordafrika-Reise, die natürlich in ihren Ansprüchen und Zielsetzungen über die königliche Prachtentfaltung und das Gepränge zweier deutscher Fürsten hinausging. Insbesondere die Türkengefahr wurde als eine der Antriebskräfte für die kursächsische Expedition von D. Döring beschrieben: "Gerade Sachsen als ein relativ östlich gelegenes Land sah sich durch die immer weiter vordringenden Heerscharen des Sultans bedroht." (S. 43) Vor diesem Hintergrund wird auch das Engagement Sachsens beim Abwehrkampf gegen die Osmanen seit dem 16. Jahrhundert bis zur Belagerung Wiens und der Schlacht am Kahlen Berge 1683 plausibel.

Peter Knötzele befasst sich in seinem Aufsatz "Die von Thran besuchten archäologischen Stätten in Europa, Malta und Nordafrika" (S. 57-73) mit den vorwiegend römischen Altertümern der von Thrans Reisegruppe besuchten Orte. Detailliert wird auf die Altertümer eingegangen und werden Irrtümer Thrans richtiggestellt.

Nicht unerwähnt bleiben soll der Beitrag von Roland Dauber "Die Reise Thrans durch das barocke Westeuropa nach Marseille und seine Rückreise von dort nach Karlsruhe" (S. 75-94), schildert doch Thran die sozialen Widersprüche und religiösen Zerwürfnisse einer vor allem in Frankreich in Aufruhr geratenen Gesellschaft. Auch wenn dieser Beitrag nicht im Zentrum des Interesses eines Arabisten steht, weist doch der Autor nach, welch scharfer Beobachter der gesellschaftlichen Verhältnisse Thran war. Raoul Motika benennt in seinem Artikel "Osmanen, Piraten, Renegaten - Nordafrika im 18. Jahrhundert" (S. 95-105) die gesellschaftliche Realität der damals als Barbareskenküste bezeichneten nordafrikanischen Gebiete: weitgehende Gesetzlosigkeit; Piraterie, die noch weit bis ins 19. Jahrhundert in den in Archiven verwahrten Reiseberichten auftaucht; Niedergang.

Christian Thrans mit Fußnoten versehener Reisebericht (S. 107-218) zeigt einen aufmerksamen Beobachter, dessen Interessen über Kräuter, Sträucher und römische Denkmäler hinausgehen. Wie mühselig und strapaziös die Überfahrt durch die Inkompetenz der englischen Schiffsmannschaft war, beweist folgender Tagebucheintrag Thrans vom 15. Februar 1732: "Hatten wir wider eine Meerstille und weilen sehr wenig Brodt mehr vorhanden war, wurden unß die letsten Zweyback außgetheilet. Die Matrosen hatten schon bey 3 Tag kein Brodt mehr bekommen, sondern musten bloß Mehl in wasser kochen und ins Öhl tuncken, das Wasser fieng an, stinckend zu werden und das Brennholtz auf dem Schiff ging zu Ende." (S. 128f.) Den Empfang beim algerischen Dey am folgenden Tag beschreibt Thran wie folgt: "Endlich rufft man unß vor den Die in sein Schlafzimmer, nachdem wir noch durch etliche Stiegen, welche aber sehr enge, gegangen waren. Als wir in das Vorzimmer kamen, standen an der Thür Christenmenschen, welche unß die Schuh außziehen musten, ehe wir in das mit Tapeten bedeckte Zimmer traten. ... An beyden Enden stunden Bette, welche mit Damastpolstern beleget waren, in dem mittelsten, welches der Thür gegenüber war, saß der Dai auf einem Teppiche etwas von der Enden erhöhet. Er war eben nocht kostbar gekleidet, doch hatte er wegen seines Alters ein ziemlich gutes Ansehen, wir küsten ihm einer nach dem anderen die Hand, nachdem wir auf das eine Knie niederfielen." (S. 130) Die Reisegesellschaft erlangte die Gunst des Dey und konnte sich fortan frei bewegen, ja selbst den Sklavenmarkt besuchen. Thran gehörte zu den Auserwählten, die am 26. November 1732 an der libyschen Küste landeten, um die römische Ruinenstadt Leptis Magna zu besuchen: "Man siehet noch vieles von der ehemahligen Magnificienz, man findet hier noch eine große Menge von Colonnen auß Marmor, derer schon viel nach Franckreich transportiret worden, wie dann auch die Statue in Versaille, so die Dianam presentieret, von hier seyn solle. Wir traffen am Meer Colonnen an in der Länge von 24 Schuh, in der Breite aber 4 Schu, wir funden auch einen Stein 9 Schu lang und 4 Schu breit mit dieser Inscription: ..." (S. 179) Über Malta, Marseille, Arles, Toulouse, Bordeaux, Saintes, Orléans und Paris erfolgte Thrans Rückreise nach Karlsruhe.

Nach der anstrengenden Lektüre von Thrans Reisebericht darf die Frage gestellt werden, ob nicht in einem radikalen Schritt die Angleichung von Thrans Orthographie an die heute gültige mehr für den Leser gebracht hätte als die Bewahrung der Authentizität der Thran'schen Originalquelle. Ob man das reflexive Personalpronomen "unß" oder "uns" schreibt, ist für den Inhalt und den Wert der Quelle sekundär. Die ausführlichen und verständlichen Fußnoten zu Thrans Bericht verdienen eine besondere Würdigung, selbst wenn einige Verben - derer sich der Autor wie selbstverständlich bediente - aus dem Französischen nicht jedem Leser geläufig sein dürften. Hier sei in Erinnerung gerufen, dass deutsche Potentaten wie der preußische König Friedrich II. wohl besser Französisch als Deutsch beherrscht haben.

In einer Übersicht schließen sich die Lebensdaten von Christian Thran an (S. 210-220). Clemens Alexander Wimmer erfasst in einer Konkordanzliste alle von Thran erwähnten Pflanzennamen und ordnet diesen die heute gültige wissenschaftliche Bezeichnung und die deutsche Bezeichnung zu (221-227). Es schließen sich die Anmerkungen zu den Beiträgen der verschiedenen Autoren an. Ortsregister, Bildnachweis und Autorenverzeichnis ergänzen die Edition der Reisenotizen Thrans.

Das Buch zeichnet ein pralles barocles Leben und Prachtentfaltung deutscher Fürsten, die Anlass zu dieser Reise gaben. Den besten Eindruck vermitteln Ausstattung, Illustration und Gestaltung des Buches. Selbst an solche Kleinigkeiten wie eine andere Papierqualität für Thrans Reisebericht, die den Eindruck von ehrwürdigem Alter vermittelt und sich vom weißen Glanzpapier des übrigen Buches abhebt, hat man gedacht. Es bleibt nur zu hoffen, dass auch andere Reiseberichte dieser ersten wissenschaftlichen Expedition in den Nahen Osten wie derjenige des Leipziger Botanikers Christian Gottlieb Ludwig in den nächsten Jahren publiziert werden. Leider verstrich die Gelegenheit hierfür zum 600. Jahrestag der Gründung der Leipziger Universität ungenutzt.

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11.09.2009
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