J. Auerbach u.a. (Hrsg.): Britain, the Empire, and the World

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Title
Britain, the Empire, and the World at the Great Exhibition of 1851.


Editor(s)
Auerbach, Jeffrey A.; Hoffenberg, Peter H.
Published
Aldershot 2008: Ashgate
Extent
219 S.
Price
£ 55.00
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Volker Barth, Historisches Seminar, Universität zu Köln

Gleich zu Beginn ihres Sammelbandes warten Jeffrey A. Auerbach und Peter H. Hoffenberg mit einem beinahe verblüffenden Befund auf. Denn in ihren Augen ist die Londoner Great Exhibition von 1851, die erste Weltausstellung, inzwischen zum „quintessential postmodernist event” (S. IX) avanciert. So zumindest ihre Lesart der inzwischen sehr zahlreichen Arbeiten zu einem Event, den nicht weniger als sechs Millionen Zeitgenossen persönlich in Augenschein nahmen. Mit Paul Youg, Louise Purbrick, John R. Davis und Peter Hoffenberg selbst finden sich dabei einige Autoren, die mit Monographien zum Thema hervorgetreten sind, auch als Beiträger im vorliegendem Sammelband wieder. Ohne das Eingangsstatement weiter aufzugreifen, wollen sich Auerbach und Hoffenberg von diesen Arbeiten abgrenzen, indem sie die Ausstellung dezidiert und ihrer Meinung nach zum ersten Mal in einem „global context” (S. X) verorten. Denn: „The Great Exhibition […] enabled Britons to locate themselves in the context of their empire and of the broader world, even as it also attempted to incorporate much of the rest of the world into Brtish-centered orbit.” (S. XI)

Die globale Reichweite des Ereignisses resultierte keineswegs allein aus der breiten internationalen Beteiligung. Vielmehr stellte die Great Exhibition einen entscheidenden Schritt auf dem Weg dar, der „the world in economies that were either dependent on or complementary to Britain’s” einteilte (S. XI). Schon allein deswegen kann die Ausstellung ohne den Rückbezug auf das britische Empire und insbesondere die sich beständig erweiternden informellen Einflussbereiche nicht verstanden werden. Im Gegensatz zu den nationalen Industrieausstellungen, die sich bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts großer Beliebtheit erfreuten, geht die Bedeutung der Weltausstellungen jedoch weit über die ökonomische Komponente hinaus. Was die Great Exhibition zum ersten Mal im großen Maßstab eröffnete, war ein Blick auf die gesamte Welt. Im gleichen Atemzug wurde die Metropole London zum Weltmittelpunkt stilisiert. Diese Perspektive wurde nun jedoch, und dies nicht nur auf der Great Exhibition wie neuere Untersuchungen belegen, von den Ausstellern und den Besuchern vielfach gebrochen und remodelliert. „Crystal Palace displays were the product not of the organizers’ totalizing vision, but of negotiation and compromise between British organizers and potential exhibitors around the globe.” (S. XIII) Die im Crystal Palace zur Schau gestellte Wunschwelt, war eine, die keineswegs ausschließlich die Visionen der britischen Imperialelite widerspiegelte. So nimmt die Einleitung der Herausgeber vorweg, was die folgenden neun Beiträge für größtenteils nationale Einzelbeispiele beweisen sollen: „In the final analysis, the Great Exhibition was a truly global and not just a British event.” (S. XVIII)

Folgerichtig widmet sich der erste Beitrag von Paul Young explizit dem Zusammenhang von Weltausstellung und der kurz darauf voll einsetzenden Globalisierungswelle. Young konstatiert gleich zu Beginn einen Grundkonflikt der Ausstellung: Die Repräsentation war kaum mit der sie umgebenden Realität in Einklang zu bringen. Viel zu harmonisch wurde hier eine Welt ausgebreitet, in der überall die europäisch-imperialistische Ausdehnung scheinbar unaufhaltsam voranschritt. Wie jedem Zeitungsleser bekannt sein musste, war das friedliche Fest der Völker eine im Hyde Park errichtete, temporäre Ausnahme und gerade nicht der Normalzustand. „This story of a pacific, cosmopolitan shape of things was at odds with a vision of a peculiarly English empire created by the ‘hard-knocking’ exploits of the Brown army.” (S. 4) Während von der britischen Kolonialarmee im Glaspalast kaum etwas zu sehen war, erblühte die zweite Wunderwaffe des Empire dagegen in vollem Glanz. Die Ausstellung behauptete offensichtlich, dass die letzten Hindernisse auf dem Weg zur dargebotenen Harmonievision in absehbarer Zeit mit Hilfe des weltweiten Freihandels beseitigt werden würden. Young liest den Ausstellungsplan als „cartographic validation of free trade’s new world order” (S. 5).

Dieser Freihandel wurde zu so etwas wie der Pflugschar der Globalisierung stilisiert. Denn er sollte mittelfristig nicht nur die kulturellen, sondern, weit mehr als das, die „physiognomic” (S. 8) Unterschiede zwischen Völker relativieren, um sie schließlich aufzuheben. Auch dies war letzten Endes nicht vereinbar mit einem die Ausstellung auf ebenso fundamentale Art und Weise charakterisierendem hierarchischen Verständnis kultureller Vielfalt (S. 11). Die Beschreibung und Vorstellung angeblich barbarischer und rückständigen Gebiete bereitet die sich in vielen Regionen schon kurz darauf anschließende imperiale Ausdehnung auf ideologischer Ebene erst vor. Die Great Exhibition war somit auch eine eindrucksvolle Legitimierung des Empires. Die unzähligen Exponate luden die Besucher dazu ein „to question not the products but the peoples with which market society could operate“ (S. 23). Die Ausstellung wurde zur Blaupause für die künftige Gestaltung der Welt.

Aber nicht nur der Blick auf die britische Peripherie änderte sich fundamental. Auch in Hinblick auf die Selbstsicht Englands markiert das Jahr 1851 einen Wendepunkt wie Kylie Message und Ewan Johnston in ihrem Beitrag argumentieren. Denn koloniale Ordnungsvorstellungen, wie sie sich britische Entscheidungsträger auch mit Hilfe der Great Exhibition ausmalten, strahlten im Laufe der Jahre und Jahrzehnte auch zusehends auf die eigene Bevölkerung zurück. So wie Rassenhierarchien auf globaler Ebene und aus einer dezidiert weißen Perspektive heraus festgeschrieben wurden, wurden auch neue Klassenhierarchien etabliert, die ebenso zur Festschreibung und Legitimation von Herrschaft dienten. Message und Johnston konstatieren nicht nur eine „intersection between discourses of imperialism and class reform” (S. 28), sondern auch einen „fundamental influence over the creation, legitimation and normalization of the class-based colonial world order that existed beyond the space of the fair” (S. 27).

Ähnlich wie im Beitrag von Young wird auch hier die von der Ausstellung ausgehende ständige Aufforderung zum Beobachten als Argument angeführt. Denn der Unterhaltungscharakter des Crystal Palace bestand eben nicht nur im Bestaunen der Exponate, sondern auch im ständigen Beobachten der anderen Besucher, ihrer Kleidung, ihres Aussehens, ihres Habitus. Und ähnlich wie in Bezug auf die Exponate wurden auch hier die Besucher implizit dazu aufgefordert die anderen Besucher in vorgeformte, hierarchische Ordnungsmuster einzuschreiben, sie dadurch zu klassifizieren und letzten Endes zu bewerten. Allerdings bleibt die Argumentationskette dabei teilweise etwas dünn. Zwar wurde das Londoner East End in den 1880er Jahren für die Bourgeoisie der westlichen Stadtteile durchaus zur fremden Welt, ob diese Entwicklung aber vom Kristallpalast ihren Ausgang nahm, wie die Autoren vermuten, erscheint weniger sicher. “It was from this and in relation to this event that we can identify the emerging racialization of class discourses within Britain.” (S. 31)

Auch wenn an dieser Stelle immer noch nicht klar ist, wo genau nun der Zusammenhang zwischen Londoner Weltausstellung und Postmoderne liegen soll, beschreiten beide erwähnten Beiträge durchaus auf gekonnte Art thematisches Neuland. Die verbleibenden sieben Beiträge kommen im Vergleich dazu wesentlich konventioneller daher. Denn hier werden einige Teilnehmerstaaten als Einzelbeispiele herausgegriffen. Dies geschieht mit mehr oder weniger interessanten Ergebnissen, jedoch kaum in systematischem Rückbezug auf die Stichwörter Globalität und Empire. Insbesondere David C. Fishers Beitrag über die russische Beteiligung bleibt auf einer rein deskriptiven Stufe stehen. Allerdings garantiert allein die Größe der Veranstaltung, dass in den Artikeln zu Irland (Purbrick), Neuseeland (Johnston), Australien (Hoffenberg), den deutschen Staaten (Davis) und Griechenland (Challis) viele neue Details ans Licht kommen.

Wie ein Ändern der Perspektive auch hinsichtlich eines inzwischen ausgiebig untersuchten Gegenstandes neue Einblicke ermöglichen kann, zeigt abschließend Francesca Vanke. Sie vergleicht die osmanische und die chinesische Ausstellungsbeteiligung. Damit geraten auch Brennpunkte des sich ausdehnenden informellen Empires in den Mittelpunkt. Auch wenn ihre Kritik des Said’schen Orientalismuskonzepts nicht dem aktuellen Stand der Forschung entspricht, kann sie doch zeigen, wie der angebliche Rest der Welt in den europäischen Köpfen zunehmend ausdifferenziert und weiter hierarchisch untergliedert wurde.

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Published on
23.04.2010
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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