Geistige Eigentumsrechte

: International Copyright Law and Policy. . Oxford 2008 : Oxford University Press, ISBN 978-0-199-20720-6 680 S. $ 150.00

Ricketson, Sam; Ginsburg, Jane C. (Hrsg.): International Copyright and Neighbouring Rights. The Berne Convention and Beyond, Vol. I and II. Oxford 2006 : Oxford University Press, ISBN 978-0-198-25946-6 1640 S. 660 $

: The World Trade Organization Knowledge Agreements. . Cambridge 2008 : Cambridge University Press, ISBN 978-0-521-88123-4 528 S. £ 55.00

Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Isabella Löhr, Universität Heidelberg

Geistige Eigentumsrechte stehen mehr denn je exemplarisch für die gegenwärtigen Schwierigkeiten, einen fairen Ausgleich zwischen privaten und öffentlichen Interessen zu schaffen, der die Bedeutung kreativer Arbeit angemessen würdigt, sie entsprechend entlohnt und dabei vermeidet, dass die Partikularinteressen einzelner Wirtschaftsbranchen – beispielsweise Musik-, Verlags-, Software- oder Pharmaunternehmen – stärker gewichtet werden als das allgemeine Interesse an einem funktionierendem Sozialstaat. Diese grundlegenden Probleme, eine gerechte Verteilungspolitik zu entwerfen, betreffen nicht alleine das soziale und wirtschaftliche Gefüge auf nationaler Ebene. Längst sind die World Trade Organization (WTO) und die von ihr verwalteten internationalen Abkommen wie das TRIPS-Agreement (Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights) oder das General Agreement on Trade in Services (GATS-Abkommen) zu Chiffren avanciert, hinter denen sich der Vorwurf asymmetrischer Machtverhältnisse und einer mithilfe des internationalen Rechts zementierten politischen und wirtschaftlichen Dominanz der westlichen Welt verbirgt.1

Sobald man allerdings genauer wissen will, wie das Zusammenspiel von geistigem Eigentum, internationalem Handel, Entwicklungsagenden und der Aushandlung sowie Verstetigung internationaler Verträge funktioniert, findet man sich schnell in einem rechts- und politikwissenschaftlichem Dickicht wieder, das den Blick auf die Problematik eher versperrt als schärft. Denn die Anzahl internationaler Verträge zum geistigen Eigentum ist hoch, das Akteursfeld global, Agenden und Programme nicht immer kohärent und das Zusammenspiel von staatlichen, zwischenstaatlichen und privaten Akteure vielschichtig, bisweilen auch undurchsichtig.

Eine Orientierung in dieser Unübersichtlichkeit bieten die Studien von Silke von Lewinski, Christopher Arup und die Bände von Sam Ricketson und Jane C. Ginsburg. Die drei Studien zeichnen sich dadurch aus, dass sie rechtswissenschaftlich gesättigt sind und detailliert Auskunft über Entwicklung, Stand und Probleme des internationalen geistigen Eigentumsrechts geben. Aber, und das ist das große Verdienst, sie führen nicht nur in die komplizierte Rechtslage ein, sondern sie kontextualisieren ihren Gegenstand historisch und politisch soweit, dass Akteure, Interessenskonstellationen und historische Entwicklungspfade deutlich sichtbar werden.

Das Buch von Silke von Lewinski spiegelt bereits im Inhaltsverzeichnis die sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts verschärfenden politischen Konflikte um das geistige Eigentum: Von den Anfängen eines primär auf gedruckte Werke konzentrierten Rechtsschutz führt Lewinski den Leser über die Ausweitung des Rechtekatalogs bis zur Verknüpfung des geistigen Eigentums mit internationalen Handelsabkommen. Beginnend im 19. Jahrhundert, zeichnet sie den Weg von bilateralen zu multilateralen Urheberrechtsabkommen nach, die seit den 1880er-Jahren den Zugang zu Kultur und Wissen für nationale und internationale Akteure regeln. Im Stil eines rechtswissenschaftlichen Kommentars gibt Lewinski systematisch Auskunft über Rechtsprinzipien, Inhalte, die organisatorische Ausgestaltung der internationalen Konventionen und über die sukzessive Ausweitung des internationalen Rechtekatalogs. Der zweite große Abschnitt widmet sich der Verknüpfung von geistigem Eigentum mit internationalen Handelsabkommen seit den späten 1980er-Jahren. Die Gründe für die Öffnung des geistigen Eigentums für wirtschaftliche Fragen sieht Lewinski vor allem in der rasant ansteigenden Zahl technischer Erfindungen, die die Vervielfältigung kultureller Güter in einer bis dahin unbekannten Größenordnung möglich machten. Wenngleich die Analyse der wirtschaftlichen und politischen Hintergründe an der einen oder anderen Stelle etwas knapp ausfällt, liegt die Stärke dieses Kapitels darin, dass Lewinski eine übersichtliche und für den Nicht-Juristen eingängige Einführung in die von der WTO verwalteten internationalen Abkommen gibt, was vor allem ihre Entstehung, Organisation und die zentralen Rechtsprinzipien beinhaltet. Hilfreich ist darüber hinaus ein Blick auf die Verknüpfung von TRIPS mit regionalen Abkommen wie zum Beispiel mit dem North American Free Trade Agreement (NAFTA), dem Mercado Común del Sur (MERCOSUR) oder mit der Europäischen Union. Das dritte Hauptkapitel widmet sich schließlich dem Programm der zweiten wichtigen internationalen Organisation in diesem Feld, der World Intellectual Property Organization (WIPO). Hier stellt Lewinski die zwei maßgeblichen internationalen Abkommen vor, die die WIPO unter anderem als Reaktion auf das TRIPS-Abkommen 1996 auf den Weg brachte (WIPO Copyright Treaty und WIPO Performances and Phonograms Treaty). Dabei setzt sie sich ausführlich mit der 2004 von Argentinien und Brasilien initiierten Entwicklungsagenda der WIPO auseinander. Diese bereits im Kapitel über die WTO behandelte Thematik umschließt den in der Öffentlichkeit gegenwärtig am stärksten wahrgenommenen Diskussionsstrang, nämlich die Abhängigkeit der Entwicklungsländer von urheberrechtlich geschützten Kultur- und Wissensgütern der Industrieländer und die daraus resultierende Forderung, die bisher starke Position der Inhaber von geistigen Eigentumsrechten zu lockern.

In ihrer zweibändigen, gute 1500 Seiten umfassenden Studie wählen Sam Ricketson und Jane C. Ginsburg einen ähnlichen Zugang zur Frage, wie sich geistige Eigentumsrechte im Verlauf des 20. Jahrhunderts international etablierten. Im Unterschied zu Lewinski konzentrieren sich Ricketson und Ginsburg allerdings primär auf den Werdegang eines internationalen Vertrags, nämlich der Berner Konvention zum Schutz des literarischen und künstlerischen Eigentums. Obwohl diese Konzentration die gegenwärtig so kontrovers diskutierte Verbindung von geistigem Eigentum und Liberalisierung nicht direkt in den Blick bekommt, ist sie trotzdem sinnvoll gewählt. Denn dieser 1886 abgeschlossene und heute von der WIPO verwaltete multilaterale Vertrag war der erste Vertrag seiner Art und vermaß damit das Feld, das bis heute an den Kategorien, Programm und Zielen orientiert ist, die die europäischen Gründungsstaaten mit der Berner Konvention Ende des 19. Jahrhunderts formulierten. Anders als Lewinski, deren inhaltsreiche Studie sich größtenteils auf die Erläuterung der internationalen Rechtslage beschränkt, unterziehen Ricketson und Ginsburg die Grundsätze der Berner Konvention daher einer ständigen Historisierung und stellen ihre Verwurzelung in der europäischen Kulturlandschaft des späten 19. Jahrhunderts kritisch zur Diskussion. Nach einer ausführlichen Erläuterung des Zustandekommens der Berner Konvention, analysieren sie die Konvention bis zu ihrer Integration in die WIPO im Jahr 1971. Ausgehend von der „ eurocentric doctrine of authors’ rights” (S. 133) und der in den 1970er-Jahren aufbrechenden Kritik der Entwicklungsländer an der Universalisierung einer genuin europäischen Rechtsvorstellung skizzieren Ricketson und Ginsburg den Weg von der Berner Konvention zum TRIPS-Abkommen, das, ausgestattet mit einem deutlich verstärkten Rechtsschutz und Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechtsansprüche, die westlichen Ländern ermächtigen sollte, ihre Rechtsansprüche außerhalb entwicklungspolitischer Diskussionen durchzusetzen. Die weiteren Kapitel des ersten Bandes beschäftigen sich ausführlich mit dem Recht der Berner Konvention. Ihre Stärke liegt darin, dass sie erstens wie ein Handbuch funktionieren und der Leser sich gezielt mit einzelnen Themenbereichen des internationalen Urheberschutzes beschäftigen kann. Zweitens argumentieren die Autoren in diesen Kapiteln nicht rechtsdogmatisch, sondern sie historisieren ihren Gegenstand. Das heißt, Kategorien wie Autorschaft, Werk oder moralische Rechte, deren Definition bis heute im Zentrum der politischen Auseinandersetzungen steht, werden rechtlich und historisch kritisch reflektiert. Auf diese Weise werden die nationalen Rechtstraditionen und die jeweiligen sozialen und kulturellen Interessenskonstellationen, die die Genese dieser Kategorien prägten, sichtbar.

Der zweite Band zollt der Verschiebung der Mitgliederstruktur der Berner Konvention seit den 1970er-Jahren Rechnung und widmet sich ausschließlich der Position der Entwicklungsländer. Ausgehend von der Feststellung, dass angesichts der Konzentration von Urheberrechten in der westlichen Welt Konflikte zwischen diesen und den Entwicklungsländern vorprogrammiert sind, analysieren die Autoren, wie die Verträge zum internationalen Urheberrecht jeweils die anders gelagerten sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Entwicklungsländer berücksichtigten. Auch dieser Teilband erlaubt es dem Leser, sich präzise und vor allem gezielt zu informieren. Denn alle seit den 1970er-Jahren abgeschlossenen internationalen Verträge werden von den Beitragszahlungen bis hin zur Frage von Zwangslizenzen einer Exegese unterzogen. Wenn dieses Vorgehen auch an der ein oder anderen Stelle zu Wiederholungen führt, unterstreicht es doch den großen Wert dieser Studie, die sowohl dem Experten als auch dem interessierten Laien ein problemorientiertes, kritisch und historisch reflektiertes Handbuch zum geistigen Eigentum im 20. Jahrhundert bietet.

Christopher Arups Studie (die in einer zweiten, um die gegenwärtigen rechtspolitischen Entwicklungen aktualisierten Auflage vorliegt) konzentriert sich schließlich auf die WTO. Verglichen mit den beiden anderen ist dieses Buch weniger an der genauen Darstellung von Rechtsinhalten als vielmehr an der Funktionsweise und den politischen sowie wirtschaftlichen Implikationen der WTO interessiert. Arup bettet seine Analyse der WTO in eine großräumige Perspektive ein, indem er fragt, welche Konsequenzen die WTO für die Globalisierung von Recht hat, womit er die Angleichung nationaler Rechts-, Sozial- und Wirtschaftspolitiken durch den Druck der internationalen Standards meint. Dieses Programm setzt Arup in vier großen thematischen Abschnitten um. Der erste beschäftigt sich mit der Rolle von Recht in Globalisierungsprozessen. Argumentiert Arup hier in einem ersten Schritt, dass internationale Rechtsnormen nicht zwangsläufig zu einem Weltrecht, sondern vielmehr zu Rechtspluralismus führen, weil sie mit regionalen Rechtstraditionen vermittelt werden müssen, zeigt er im zweiten Schritt, dass die WTO eine solche Vermittlungsinstanz werden könnte, sollte sie bereit sein, sich stärker mit den politischen Konsequenzen von Wirtschaftsliberalisierung zu beschäftigen. Die folgenden drei Abschnitte geben einen Einblick in das TRIPS- und das GATS-Abkommen. Anhand von mehreren Beispielen spürt Arup in diesen Kapiteln dem von ihm eingangs diagnostizierten Wechselspiel zwischen internationaler Standardisierung und der Beibehaltung sozialer und kultureller Differenzen auf nationaler Ebene nach. Für den Dienstleistungsbereich zeigt er anhand von grenzüberschreitend tätigen Anwälten, dass wirtschaftliche De-Regulierung auf nationaler Ebene immer auf ein komplexes institutionelles Feld stößt, das regulierend in De-Regulierung eingreift, indem es diese mit bereits vorhandenen sozialen und kulturellen Normen vermittelt. Anhand der heftigen internationalen Diskussion über die Patentierbarkeit von Pflanzen argumentiert Arup, dass gerade der Versuch, biologisches Material als gemeinsames Erbe der Menschheit und damit als für jeden patentierbar zu deklarieren, die starken Gegenreaktionen hervorgerufen habe, die auf kulturelle Differenz pochend die Eigentumsrechte indigener Gemeinschaften an Pflanzen und traditionellem Wissen auf die internationale Agenda setzten und damit die Einführung eines sozial und kulturell indifferenten Patentstandards unmöglich gemacht hätten.

Zusammengenommen bieten die drei vorgestellten Studien einen sehr guten Einstieg in die thematische Spannbreite, die rechtswissenschaftlichen Details und in die politischen Implikationen geistiger Eigentumsrechte auf internationaler Ebene. Während die Bücher von Lewinski und Ricketson/ Ginsburg Handbuchcharakter haben und sich primär auf die Diskussion der Rechtsinhalte verlegen, bietet das Buch von Arup eine ausgewogene Analyse der rechtlichen, politischen und sozialen Konsequenzen der WTO, indem er der These von der Standardisierung der Welt nach westlichen Maßstäben durch Liberalisierung des internationalen Handels eine vorsichtig abwägende Analyse der Grenzen und unintendierten Folgen der WTO entgegenhält.

Anmerkung:
1 Shalini Randeria, Andreas Eckert (Hg.), Vom Imperialismus zum Empire, Frankfurt am Main 2009.

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18.02.2011
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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