J. Soluri: Banana Cultures

Title
Banana Cultures. Agriculture, Consumption, and Environmental Change in Honduras and the United States


Author(s)
Soluri, John
Published
Extent
337 S.
Price
$ 21.95
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Christiane Berth, Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg

Die „Bananenrepublik“ ist eine der bekanntesten Wortschöpfungen rund um die Banane. Dieser, um 1900 in den USA geprägte Ausdruck, machte die Bananen-Anbauländer zu einem Symbol für tropische Rückständigkeit, Instabilität, Korruption und Armut. Paradoxerweise wurden Bananen durch diese Wortschöpfung zu einem Symbol der Abgrenzung, obwohl der Handel mit Bananen Zentralamerika und die USA in Verbindung brachte. In Honduras hatte die Banane einen vollständig anderen, viel breiteren Bedeutungsgehalt. Bananen galten als „Grünes Gold“ und als wichtiges Nahrungsmittel. Stand „Grünes Gold“ für den durch den Export erreichten Wohlstand, prägte der Autor Román Amaya Amador mit dem Titel seines Romans „Grünes Gefängnis“ eine Metapher für die Ausbeutung auf den Bananenplantagen. In diesem Zusammenhang galten die Arbeiter auf den Bananenplantagen als Träger eines antiimperialistischen Widerstandes.

In seinem Buch „Banana Cultures“ untersucht der Historiker John Soluri die Beziehungen, die sich durch den Bananenexport zwischen der Nordküste Honduras‘ und den USA entspannen. Für den Zeitraum von 1870 bis 1975 geht er der Frage nach, wie sich die Entstehung eines Massenmarktes für Bananen in den USA, die Aktivitäten der großen US-amerikanischen Bananenkonzerne, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Honduraner und ökologische Transformationsprozesse wechselseitig beeinflussten. Soluri definiert Bananen gleichermaßen als biologische Organismen und kulturelle Artefakte (S. 5) und bezieht deshalb die Perspektiven agrarwissenschaftlicher und geographischer Forschungen in seine Studie ein. Insbesondere geht es ihm darum, die Bedeutung der Landwirtschaft und ökologischer Veränderungen hervorzuheben. Sein Ziel ist es, eine „commodity history from below“ zu schreiben und die Menschen ins Zentrum zu rücken, die durch ihre gemeinsamen Aktivitäten die Strukturen des Massenmarktes geformt haben. (S. 13) Als Quellen zieht er staatliche Dokumente aus den USA und Honduras, die Archive US-amerikanischer Konzerne sowie Werbematerialien und Oral History-Interviews heran.

Wurden Bananen bis 1850 weitgehend in den Tropen konsumiert, entstand seit den 1870er-Jahren in den USA ein stetig wachsender Markt. Faktoren, die die Durchsetzung der Banane auf dem US-Markt begünstigten, waren ihr relativ niedriger Preis sowie die Tatsache, dass es Bananen nicht nur zu einer bestimmten Erntesaison gibt. Honduras entwickelte sich und blieb bis 1970 eines der führenden Bananenexportländer in Zentralamerika. Dies hatte eine massive ökologische und soziale Transformation vor allem an der Nordküste des Landes zur Folge.

Soluris Ansatz, die ökologischen Veränderungen als eigenständigen Einflussfaktor zu bewerten, überzeugt besonders in seinen beiden Fallstudien über die Auswirkungen der Pilzkrankheiten. Als eine Folge der Monokultur brach zwischen 1910 und 1915 die Panama-Krankheit aus. Trotz intensiver Versuche, eine resistente Sorte zu züchten, wurde gegen diese Krankheit kein Gegenmittel gefunden. Die wesentlich kleinere, aber resistentere Lacatan-Banane konnte sich auf dem Markt nicht durchsetzen. Der Grund? Die ästhetischen Vorstellungen der US-Konsumenten, die große Bananen bevorzugten. In den folgenden Jahren gingen die Konzerne dazu über, die betroffenen Plantagen zu verlassen. Das Phänomen der „shifting agriculture“ führte zur Verödung ganzer Landstriche, die mit den ökologischen Folgen der Monokultur (zum Beispiel Überschwemmungen) allein gelassen wurden (S. 53-57).

Zur Bekämpfung der ab Mitte der 1930er-Jahre grassierenden Sigatoka-Krankheit setzten die Konzerne dagegen vor allem auf chemische Mittel. Dies bewirkte einen enormen Anstieg der Produktionskosten. Durch die Anwendung von Fungiziden gelang es nach fünf Jahren den Stand der Exporte von vor 1935 wieder zu erreichen – allerdings auf Kosten der kleinen und mittelgroßen Produzenten. Diese konnten sich die hohen Investitionen für die Fungizid-Einsätze nicht leisten und verschwanden bis 1940 fast vollständig von der Bildfläche (S. 105-119). Soluris These: Die Reaktion der Konzerne auf die Pilzkrankheiten glich keineswegs einem globalen „power play“, sondern beruhte vor allem auf Improvisation (S. 217). Damit argumentiert er gegen den Mainstream der Forschung, der die überragende Macht der Bananenkonzerne betont. Stattdessen müssen seiner Ansicht nach die Rückwirkungen von lokalen Prozessen auf die großen Konzerne ebenfalls in den Blick genommen werden. Dies heiße nicht, die globalen Machtasymmetrien zu ignorieren, wohl aber die Allmacht der Konzerne in Frage zu stellen (S. 216f.). Parallel zur Ausweitung der Monokultur fand die Banane ab den 1920er-Jahren einen immer stärkeren Eingang in die Populärkultur der USA, sei es in Form von Liedern, in der Literatur oder der Werbung. Dabei erweiterte sich der Bedeutungsgehalt des Produkts insbesondere durch die Werbung, die die Bananenplantagen als Orte der Modernisierung anpries. Dennoch knüpften die Assoziationen in der Populärkultur häufig an eine abwertende Sichtweise auf die Tropen an, wie im Falle des Begriffs „Bananenrepublik“ (S. 57-62).

1950 erschien der eingangs erwähnte Roman „Grünes Gefängnis“. Der Autor, Román Amaya Amador, hatte selbst zeitweise auf einer Bananenplantage gearbeitet und war Mitglied der Kommunistischen Partei. Soluri sieht in dem Roman ein politisches und literarisches Projekt, um die ungerechten sozialen Bedingungen auf den Bananenplantagen anzugreifen. Die Beschreibung der Bananenplantagen als Orte der Ausbeutung und Misere stellte eine ideologische Herausforderung der honduranischen Regierung dar. Diese sah die Plantagen als Orte der Moderne in einem ansonsten rückständigen Land. In dem Kapitel „Revisiting the Green Prison“ thematisiert Soluri die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter auf den Plantagen. Für sein Buch interviewte er 24 Personen, die zwischen 1930 und 1950 auf den Plantagen beschäftigt waren. Sein Ergebnis: Entgegen der bipolaren Vision von Amaya Amador, nach der man sich nur inner- oder außerhalb des „Grünen Gefängnisses“ befinden konnte, entwickelten die Arbeiter eigene Strategien, um das Leben auf den Plantagen erträglicher zu machen oder sich diesem zu entziehen. In der Hierarchie der Plantagen standen sie jedoch ganz unten und lebten in prekären hygienischen und sozialen Verhältnissen.

Für alle, die sich mit der Geschichte globaler Waren beschäftigen, ist das letzte Kapitel von besonderem Interesse. Dort widmet sich Soluri den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu anderen tropischen Exportprodukten wie Zucker oder Kaffee. Dabei geht er insbesondere auf die Rolle von Massenwerbung, Markenbildung und Qualitätsstandards ein. Seine These: Werbefiguren wie Miss Chiquita oder Juan Valdez (Werbefigur für kolumbianischen Kaffee) schufen eine romantisierende Vorstellung von den Produktionswelten tropischer Produkte. Den Massenkonsum beflügelten sie nicht, begründeten aber eine neue Ästhetik des Konsums.

Besondere Bedeutung misst Soluri den Vermittlern, wie zum Beispiel Großhändlern, Spediteuren oder Weiterverarbeitern der tropischen Produkte bei. An diesen von ihm als „‘in-between’ spaces“ (S. 27) bezeichneten Orten konzentriere sich Macht und Kapital. Außerdem haben diese Vermittler seiner Ansicht nach einen großen Einfluss auf die Definition von Qualitätsstandards (S. 225-230). Statt des in der Forschung zu globalen Waren häufig verwendeten Konzepts der „commodity chains“ schlägt Soluri den weiter gefassten Begriff eines „commodity webs“ vor, um auch soziale und ökologische Prozesse auf horizontaler Ebene zu integrieren (S. 240). John Soluri gelingt es in seiner lesenswerten Studie, diesen Anspruch einzulösen und die vielfältigen Verflechtungen rund um die Banane gleichberechtigt nebeneinander deutlich werden zu lassen. Durch den Ansatz, ökologische Prozesse als einen eigenständigen Faktor ins Zentrum zu stellen, kommt es zu einer interessanten Perspektivverschiebung. Vorzuwerfen wäre ihm höchstens, dass manchmal die politischen Rahmenbedingungen zu sehr in den Hintergrund geraten. Gleichzeitig liegt darin aber auch ein Reiz begründet, denn es rücken neue Themen und Periodisierungen in den Vordergrund.

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19.02.2010
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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