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Fachforum zur Geschichte des kulturellen Transfers und der transnationalen Verflechtungen in Europa und der Welt

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Das Historische Buch 2007

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Michael Zeuske
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Dr. Dr. Guido Braun

Universität Bonn

Ausbildung

geboren 1970

1989 Studium der Geschichte, Französischen und Italienischen Philologie in Bonn und Paris

1998 Diplôme d'études approfondies, Histoire moderne et contemporaine an der Universität Paris IV - Sorbonne bei Prof. Jean Bérenger

2000 Promotion zum Dr. phil. an der Universität Bonn bei Prof. Dr. Dr. h.c. Konrad Repgen zum Thema "Die französischen Korrespondenzen 1646-1647", im Rahmen der wissenschaftlichen Mitarbeit am Editionsprojekt "Acta Pacis Westphalicae" bei der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e.V. (Bonn)

2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut in Rom

2004-2007 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut Paris, zugleich Lehrbeauftragter der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

2007 Promotion an der Universität Paris IV-Sorbonne bei Prof. Jean Bérenger mit einer Studie zum französischen Reichsbild im Jahrhundert nach dem Westfälischen Frieden

Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des Centre de recherches sur l'histoire de l'Europe centrale (Institut de recherches sur les civilisations de l'Occident moderne, Universität Paris IV-Sorbonne).

2007 Lehrbeauftragter am Institut für Geschichtswissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Arbeitsschwerpunkte

Das deutsch-französische Verhältnis von 1648-1806: politische Beziehungen, Kulturtransfer und das Bild des anderen, insbesondere die französischen Imagines imperii vom Westfälischen Frieden bis zum Ende des Alten Reiches

Deutsche Verfassungsgeschichte der Frühen Neuzeit

Geschichte der internationalen Beziehungen in der Frühen Neuzeit

Die römische Kurie und ihr Verhältnis zum Reich im 16. und frühen 17. Jh.

Homepage: www.uni-bonn.de/www/IGW.html

Fragen zur historischen Forschungslandschaft und zu aktuellen Debatten

2. a) Wie kamen Sie zur Geschichtswissenschaft? Was hat Sie motiviert, Geschichte zu Ihrem Beruf zu machen?

Meine Entscheidung, Historiker zu werden, fiel sehr früh: im Alter von 11 Jahren, durch den vorbildlichen Schulunterricht, den ich in diesem Fach von der gymnasialen Unterstufe an genoß. Damals interessierte ich mich jedoch vornehmlich für das klassische Griechenland und die römische Kaiserzeit. Den Weg zu meinem heutigen Arbeitsgebiet, der Frühen Neuzeit, fand ich erst im Laufe meines Universitätsstudiums. Ebensowenig hatte ich ursprünglich ausschließlich eine wissenschaftliche oder universitäre Laufbahn im Blick. Daß es dazu kam, hing von vielen Zufällen ab. Die Geschichte war mir aber Berufung. Das Bedürfnis menschlicher Gesellschaften, sich mit ihrer Vergangenheit zu beschäftigen, ist eine anthropologische Grundkonstante. Die individuelle Ausprägung dieser Neigung läßt sich nur bis zu einem gewissen Grade psychologisch erklären. Das historische Argument spielt im heutigen gesellschaftlichen Diskurs eine wichtige Rolle. Die Funktion des Historikers wird dabei umso wichtiger, je mehr sich die historische Erinnerung der Allgemeinheit in unserer zukunfts- und innovationsorientierten Welt auf die jüngste Vergangenheit reduziert. Diese Tendenz scheint mir trotz gewisser gegenläufiger Entwicklungen unzweifelhaft. Der Reiz des Historikerberufs liegt für mich persönlich in seiner Vielfalt, die heute alle Lebensbereiche menschlicher Vergangenheit umfaßt und in besonderer Weise für die Frühe Neuzeit als der Epoche zwischen Mittelalter und Moderne mit prägenden Einflüssen der Antike auf Weltbild und Kultur charakteristisch ist.

2. b) Die Geschichtswissenschaften haben in den zurückliegenden Jahrzehnten zahlreiche Erweiterungen und Neuorientierungen der Frageansätze und Forschungsperspektiven erfahren. Welche halten Sie für die interessanteste und folgenreichste?

Die Beantwortung dieser Frage ist schwierig, weil die sachlichen und methodischen Erweiterungen und Neuorientierungen zum einen die Komplexität der Geschichtswissenschaft ungemein gesteigert haben und dem heutigen Betrachter, der sich in seinem Urteil vor allem auf die Relevanz dieser Entwicklungen für die eigenen Forschungsprobleme stützen muß, zum anderen die erforderliche Distanz fehlt, die Konsequenzen für das gesamte Fach und die Gesellschaft abzuschätzen. Unter Berücksichtigung meiner Interessen wären der Cultural turn (ein unschöner Anglizismus) und die Kulturgeschichte des Politischen zu nennen.

2. c) Sehen Sie Forschungsfelder, denen man künftig mehr Aufmerksamkeit widmen sollte?

Ich möchte vor allem dafür plädieren, Bewährtes zu bewahren: Die Frühneuzeitforschung kann ohne die von wissenschaftlichen Langzeitunternehmungen gewährleistete Grundlagenforschung (namentlich Quelleneditionen und Lexika) nicht sinnvoll arbeiten. Dieser Arbeitsbereich ist vielleicht im Zeitalter des Positivismus zu sehr in den Vordergrund gerückt worden und hat im Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln nicht immer herausragende Ergebnisse produziert. In den letzten Jahren ist diese unentbehrliche Grundlagenarbeit jedoch zu Unrecht in einer ihre Existenz bedrohenden Weise in Frage gestellt worden. Die demgegenüber wachsende Einsicht, daß Kurzlebigkeit nicht den Gang unserer Disziplin bestimmen darf, scheint mir die wichtigste aktuelle Tendenz. Im übrigen zählen die Grundlagenforschung und insbesondere die in Deutschland noch entstehenden vorbildlichen Quelleneditionen zu den international anerkannten Aushängeschildern der deutschen Geschichtswissenschaft – eine Tatsache, die in Deutschland selbst erstaunlich wenig Beachtung findet.

3. Stellen Sie bitte Ihren persnlichen Favoriten fr das Historische Buch 2007 kurz vor und erläutern Sie Ihre Wahl. (15-20 Zeilen.)

Leseempfehlung für Olivier Chaline, Le règne de Louis XIV, Paris 2005

Historische Biographien haben beim gebildeten Publikum Konjunktur. In der Fachwissenschaft sehen sie sich jedoch nicht selten mit Vorbehalten konfrontiert. Tatsächlich läuft der Biograph Gefahr, durch eine methodisch unzureichend reflektierte Geschichte "großer Männer" (oder Frauen) hinter den Erkenntnisstand der Geschichtswissenschaft zurückzufallen. Dennoch gelingt bisweilen selbst bei bereits vielfach biographisch behandelten Persönlichkeiten ein "großer Wurf" – vielleicht nicht immer eine Biographie des Jahrhunderts, so doch etwas von bleibendem Wert, ein Meilenstein der Forschung und zugleich ein Lesegenuß für das breitere Publikum: ein Buch, das Person und Zeitalter stilistisch brillant und dabei die großen Forschungskontroversen aufnehmend und weiterführend in möglichst allgemein verständlichen Worten beschreibt. Vor wenigen Jahren gelang dem Neapolitaner Luigi Mascilli Migliorini eine solcherart herausragende Biographie Napoleons, deren Verfasser darin das nur auf den ersten Blick paradox anmutende Plädoyer für eine "Entnapoleonisierung" der Napoleon-Biographien einlöste. Nunmehr legt Olivier Chaline, der junge Professor für das 17. Jahrhundert an der Pariser Sorbonne, ein exzellentes Buch über die Herrschaft Ludwigs XIV. vor, das seinem Titel entsprechend nicht die Person, sondern seine Epoche in den Vordergrund stellt und damit eine behutsame "Entludovizianisierung" der Biographie Ludwigs zugunsten eines besseren Verständnisses seines Zeitalters leistet, dabei jedoch die Frage nach der Persönlichkeit Ludwigs keineswegs aus dem Blick verliert. Das Ergebnis besticht nicht nur durch die souveränen Beiträge zu aktuell diskutierten Forschungsfragen (z. B. dem Absolutismus-Paradigma), die dezidierten und überzeugenden Antworten, die der Autor darauf zu geben versteht, sondern ebenso durch die stilistische Leichtigkeit, die auch dem Laien die Lektüre dieses 808 Seiten starken Opus zu einem kurzweiligen Vergnügen macht. Der Wissenschaftlichkeit dient die Durchbrechung der Chronologie zugunsten einer systematischen Darstellung, die selbst traditionelle historiographische Randbereiche wie die Kolonialgeschichte thematisiert; der leichteren Lesbarkeit halber wurde auf Fußnoten zugunsten eines umfänglichen Quellen- und Literaturverzeichnisses verzichtet. Das Ziel, den gebildeten Laien anzusprechen, ging auf: Drei Monate nach der Veröffentlichung machte das französische politische Wochenmagazin "Le Point" (22. Dezember 2005) das "Siècle de Louis XIV" zur Titelgeschichte mit einer 66-seitigen Sonderbeilage, darin ein ausführliches Interview mit Chaline und sein Beitrag zur Kontroverse um den Anteil des Königs an der aktuellen Krise des "modèle français" – zur Bedeutung Ludwigs XIV. für seine und für unsere Zeit ist offensichtlich noch nicht das letzte Wort gesprochen, aber die gewichtige Stimme Chalines wird man von nun an nicht überhören dürfen.


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