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Fachforum zur Geschichte des kulturellen Transfers und der transnationalen Verflechtungen in Europa und der Welt

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Das Historische Buch 2003


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Prof. Dr. Norbert Finzsch

Universität Köln

Lebenslauf

1. März 1951: Geburt in Köln

Wintersemester 1970/71: Studium des Germanistik und Geschichte in Köln

Wintersemester 1973/74: Studium an der Universität Bordeaux III

Mai 1977: Erstes Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien mit den Fächern Deutsch und Geschichte

Ab Sommer 1977: Promotionsstudiengang

1977/78: Archivarbeiten am Public Record Office in London

1978/79: Promotionsstipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Berkeley, Kalifornien

9. November 1980: Promotion zum Dr. phil. Titel der Dissertation: Die Goldgräber Kaliforniens (quantifizierenden Untersuchung zur kalifornischen Sozialgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts).

Sommersemester 1981: Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Anglo-Amerikanische Geschichte an der Universität zu Köln

1.9.1983 bis 1.9.1984: Stipendiat des American Council for Learned Societies (ACLS) und Visiting Scholar an der University of California, Berkeley.

1.4.1985 bis 1.10.1985: Habilitationsstipendium des französischen Staates an den Archives Nationales in Paris

30.11.1988: Habilitation in Neuerer Geschichte. Titel der Habilitationsschrift: Obrigkeiten und Unterschichten (Sozialgeschichte des Rheinlandes im 18. und 19. Jahrhundert). Diese Arbeit wurde 1990 beim Steiner Verlag in Stuttgart publiziert und erhielt im gleichen Jahr den "Köln Preis" der Stadt Köln für die beste wissenschaftliche Arbeit.

Wintersemester 1989/90: Vertretung des Lehrstuhls für "Methodik und Didaktik der Geschichtswissenschaft" an der Ruhr Universität Bochum für Professor Dr. Jörn Rüsen

1. April 1990: Berufung zum Stellvertretenden Direktor des Deutschen Historischen Instituts (DHI) in Washington

1. Oktober 1992: Berufung auf den Lehrstuhl für Neuere Geschichte an der Universität Hamburg, Nachfolge von Günter Moltmann

1. April 1996 - Oktober 1996: Research Fellow des Center for German and European Studies an der University of California in Berkeley.

März 1997 - Oktober 1997: Research Fellow des Center for German and European Studies an der University of California in Berkeley.

1. Juli 1999 - 1. April 2000: Visiting Professor des Center for International Government Studies (IGS) an der University of California in Berkeley.

Oktober 2000 - Februar 2001: Gastprofessor an der Université Michel Montaigne (Bordeaux III)

1. Oktober 2001: Berufung zum Universitätsprofessor für Anglo-Amerikanische Geschichte an die Universität zu Köln

Gegenwärtige Forschungsinteressen

Geschlechtergeschichte, Geschichte des Rassismus, Geschichte der populären Kulturen, Geschichte des Kolonialismus

Veröffentlichungen

siehe http://www.uni-koeln.de/phil-fak/histsem/anglo/html_2001/Finzsch.htm

Fragen zur historischen Forschungslandschaft und zu aktuellen Debatten

2. a) Wie kamen Sie zur Geschichtswissenschaft? Was hat Sie motiviert, Geschichte zu Ihrem Beruf zu machen?

Der Widerspruch zwischen demokratischer Theorie und undemokatischer Praxis der Vereinigten Staaten in den Sechziger Jahren (Vietnamkrieg, Bürgerrechtsbewegung) war der wichtigste Faktor für die Entscheidung amerikanische Geschichte zu studieren.

2. b) Die Geschichtswissenschaften haben in den zurückliegenden Jahrzehnten zahlreiche Erweiterungen und Neuorientierungen der Frageansätze und Forschungsperspektiven erfahren. Welche halten Sie für die interessanteste und folgenreichste?

Die langsame und schwierige Umsetzung von Fragen und Methoden, die sich aus der Rezeption des „linguistic turn“, der französischen Philosophie nach Alexandre Kojève und den Postcolonial Studies ergeben.

2. c) Sehen Sie Forschungsfelder, denen man künftig mehr Aufmerksamkeit widmen sollte?

Umweltgeschichte, Geschlechtergeschichte, Intersektionalitäten, Geschichte des Körpers, Geschichte des Postkolonialismus

2. d) In den Medien werden seit längerem unterschiedliche Zukunftsdiskurse geführt, die Lösungen und Wege zur Bewältigung der gegenwärtigen Krisen- und Umbruchserfahrungen (Umbau des Sozial- und Leistungsstaates, Krise der europäischen Verfassungsentwicklung, Terrorismus und Terrorismusbekämpfung, Auflösung überkommener Lebensformen und Werte u.a.m.) aufzeigen sollen.Historiker sind an diesen Debatten kaum beteiligt. Lassen sich aus historischen Krisen- und Umbruchsphasen keine Lehren ziehen, Erfahrungen und Einsichten vermitteln? Müssen wir Historiker die öffentliche Diskussion Juristen und Verwaltungsexperten, Wirtschaftswissenschaftlern und Militärs überlassen?

Die Lehren, die aus historischen Krisen- und Umbruchsphasen gezogen werden können, sind sehr stark kontextabhängig und durch Konnotation bestimmt. Eine "Beratungstätigkeit" durch HistorikerInnen würde dem Charakter unseres Faches als einer interpretierenden Kulturwissenschaft der Vergangenheit nicht gerecht. Wir entwickeln keine probabilistischen Modelle und auf dem Gebiet der Prognose sind wir eher schwach. Unsere Ergebnisse werden erst in einem Prozeß zweiter Ordnung von anderen WissenschaftlerInnen umgesetzt. Das heißt nicht, daß wir nicht diskutieren sollen. Es heißt aber, daß wir mit Vorschlägen vorsichtig sein müssen.

2. e) Elite oder Eliten? Das Vertrauen in die Rolle und Prämierungsmodelle der Eliten moderner Gesellschaften scheint zu schwinden. Ist die Aufspaltung unsere Gesellschaft in funktional spezialisierte, oft aber unverbundene Hochleistungsbereiche (Wirtschaft, Politik-Verwaltung, Technik-Medizin-Wissenschaft) unvermeidlich? Oder bieten die gegenwärtigen Umbruchsszenarien die Chance zu einer Neudefinition auch dessen, was Bildung sein soll und wie Elitenrekrutierung und Bildung zusammenkommen?

Ich sehe diese Fragestellung als Etablierung einer falschen Alternative. Gerade GeneralistInnen wie die Historiker können die Funktion wahrnehmen, auseinanderstrebende Diskurse zu verbinden, weil sie keine eigenen Spezialkenntnisse im engeren Sinne haben, aber Gesellschaften und Kulturen interpretieren helfen. Krisenszenarien bieten immer eine Chance zum Neuanfang, das macht sie ja zu Krisensituationen. Man muß die gegenwärtige Diskussion um Bildung und Eliten ernst nehmen als die Chance, auf einer breiten Bildung auch hochspezialisierte Eliten zu bilden. Es ist ja nicht so, daß das gegenwärtige Bildungsmodell ein schützenswertes Gut darstellt, das verloren zu gehen droht. Vielmehr hat sich die Zeitgebundenheit und ideologische Fixierung gerade der dreigliedrigen Schulbildung deutlich gezeigt in der Benachteiligung der Kinder von MigrantInnen, der mangelhaften Vermittlung von Kulturtechniken und den langen Ausbildungszeiten.

2. f) Deutschland begibt sich auf die Suche nach Spitzen-Universitäten. Verträgt sich Geschichtswissenschaft über die bloße fachliche Professionalität hinaus überhaupt mit dem Elitegedanken?

Dies ist wieder eine Frage, die in ihrer Vereinfachung ein Moment der Verfälschung des Problems darstellt. Amerikanische Universitäten zeigen doch deutlich, daß auch die Geschichtswissenschaft nicht im Widerspruch zum Elitegedanken steht (man sehe sich nur einmal die Vorschlagsliste des Buchpreises H-Soz-u-Kult auf amerikanische Provenienzen hin an). Die Art und Weise jedoch, wie die Diskussion um "Spitzenuniversitäten" in Deutschland geführt wird, verheißt nichts Gutes. Um eine Spitzenuniversität oder einen Elitestudiengang Geschichte zu etablieren, braucht man nicht nur eine Vielzahl von Colleges und Universitäten (4000 sind es in den USA), unter denen sich dann zwangsläufig auch weniger gute Institutionen befinden, man braucht auch sehr viel Geld und Zeit, u.a. für ein studium generale im B.A.-Studiengang, in dem auch grundlegende Kenntnisse in Mathematik oder Rechtswissenschaften vermittelt werden. Wo sind die milliardenschweren Stiftungsfonds, die konsistent über dreißig oder vierzig Jahre zur Verfügung stehen müssen, damit Spritzenforschung zustande kommt? Wo ist das deutsche Stiftungsrecht, das diese Stiftungen überhaupt erst möglich macht? Wo sind ACT und andere Zugangstests, die die Zulassung zum Studiengang zu steuern? Man braucht auch im amerikanischen Kontext in der Regel zehn bis zwöf Semester, um einen zur Promotion berechtigenden Abschluß zu schaffen. danach kommen sechs Jahre für die Dissertation (einschließlich graduate school und comprehensives). Nach Abschluß ihrer Dissertation sind auch junge HistorikerInnen in der Regel Ende Zwanzig/Anfang Dreißig! Sind wir bereit, diese Kosten aufzubringen? Der Verweis auf das Vorbild der USA kann nur dann ernst genommen werden, wenn man bereit ist, nicht nur einzelne Elemente des amerikanischen Systems aufzugreifen, sondern wenn man dieses System in seiner Ganzheit sieht und versteht. Ob dann ein Transfer noch möglich ist, kann durchaus bezweifelt werden.

Homepage: http://www.uni-koeln.de/phil-fak/histsem/anglo/html_2001/Finzsch.htm


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