Dr. Claudia TierschTechnische Universität Dresden Lebenslaufgeb. 1967 in Steinach, Kreis Sonneberg, aufgewachsen in Potsdam und Weimar, Abitur 1986 in Apolda Studium der Alten Gesichte in Leipzig (1987-1991), der Alten Geschichte, der Mittelalterlichen Geschichte und der Philosophie in München (1993-1993) Magister 1993 in München, Thema der Arbeit "Asketinnen des Oströmischen Reiches im 4.-6. Jahrhundert n.Chr." Promotion 1998 in Dresden, Thema der Arbeit "Johannes Chrysostomus in Konstantinopel (398-404) - Weltbild und Wirken eines Bischofs in der Hauptstadt des Oströmischen Reiches" seit 1993 Tätigkeit an der TU Dresden (1993-1996 als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Alte Geschichte bei Prof. Dr. M. Jehne, seit 1997 wissenschaftliche Mitarbeiterin am SFB 537 "Institutionalität und Geschichtlichkeit" Teilprojekt A2 "Mos maiorum") Seit 1.1 2003 von der DFG gefördertes Habilitationsprojekt zum Thema: "Zur Rolle und Bedeutung der politischen Elite in der athenischen Demokratie in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts v.Chr." Auszeichnungen: Fakultätspreis für Dissertation zurückliegende Forschungsschwerpunkte: Beziehungen zwischen Kirche und Staat in der Spätantike, weibliche Rollenmuster im Christentum aktuelle Forschungsschwerpunkte: Rolle der Volksversammlung in der römischen Republik, Repräsentation römischer Magistrate, Symbolik politischer Reden in der römischen Republik Veröffentlichungen- Johannes Chrysostomus - Bischof von Konstantinopel (398-404). Weltbild und Wirken eines Bischofs in der Hauptstadt des oströmischen Reiches, Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2002 (im Druck)
- Wie christlich darf ein Bischof sein? Johannes Chrysostomus im Spiegel zweier Biographien, in: A. Schüle (Hg.), Biographie als religiöser und kultureller Text, Lit-Verlag, Münster 2002 (im Druck)
- Dauer durch die Nichtanerkennung von Wandel? Ciceros Rede für Sestius - ein Dokument aus der Krise der römischen Republik, in: S. Müller/G. Schaal/C. Tiersch (Hgg.), Dauer durch Wandel. Untersuchungen zur Verstetigung kultureller Prozesse, Böhlau-Verlag, Köln/Weimar/Wien 2002 (im Druck)
- Johannes Chrysostomus in Konstantinopel (398-404). Weltbild und Wirken eines Bischofs in der Hauptstadt des oströmischen Reiches, Tübingen 2002
- S. Müller/G. S. Schaal/C. Tiersch (Hgg.), Dauer durch Wandel. Institutionelle Ordnungen zwischen Verstetigung und Transformation, Köln/Weimar/Wien 2002
Fragen zur historischen Forschungslandschaft und zu aktuellen Debatten2. a) Wie kamen Sie zur Geschichtswissenschaft? Was hat Sie motiviert, Geschichte zu Ihrem Beruf zu machen? Mein Berufswunsch entstand bereits in der Schulzeit, da mein Interesse schon damals der Alten Geschichte galt. 2. b) Die Geschichtswissenschaften haben in den zurückliegenden Jahrzehnten zahlreiche Erweiterungen und Neuorientierungen der Frageansätze und Forschungsperspektiven erfahren. Welche halten Sie für die interessanteste und folgenreichste? Einen der für mich spannendsten und prägendsten Forschungsansätze bilden die Methoden der Institutionentheorie (nach A. Gehlen, K.-S. Rehberg), da diese unter der Frage nach den komplexen Ursachen für die Stabilität politischer und sozialer Mechanismen eine Verbindung der Analyse von Struktur und Prozessualität innerhalb der Geschichte ermöglicht. 2. c) Sehen Sie Forschungsfelder, denen man künftig mehr Aufmerksamkeit widmen sollte? Z.B. der Analyse von gesellschaftlichen Krisen und Transformationsprozessen sowie deren Bewältigungsstrategien 2. d) Sollten sich Fachhistoriker mit historischen Argumenten in aktuellen politischen Debatten zu Wort melden, wie es jüngst wieder häufiger zu beobachten ist? Braucht unsere Gesellschaft mehr historische 'Politikberatung'? Ich halte eine verstärkte Politikberatung durch Historiker für unabdingbar, gerade auch für die Bewältigung der tiefgreifenden Wandlungsprozesse, die die notwendigen Reformen in den nächsten Jahren für Deutschland bringen werden. 2. e) Die Universitäten kämpfen mit überfüllten Hörsälen und leeren Kassen, ringen um neue, kürzere Formen des Studierens (BA, MA). Welche Folgen würden Ihrer Meinung nach Studiengebühren und die Möglichkeit der Auswahl der Studenten durch die Universität für Lehre und Forschung in den Geschichtswissenschaften haben? Ich bin gegen die Einführung umfassender Studiengebühren zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Die Erschließung zusätzlicher Finanzquellen für den Erhalt der Hochschulen ist zweifellos eine dringende Notwendigkeit. Ein Problem sehe ich aber darin, daß zur Zeit noch keine ausgereiften Konzepte darüber existierten, in welchem Umfang diese Gelder den Universitäten zugute kommen oder wer überhaupt über die Verwendung der Mittel befindet. Vor allem aber fehlt ein Stipendiensystem, mit dessen Hilfe leisstungstarken Abiturienten auch bei mangeln-den eigenen Mitteln ein Studium möglich wird. Eine Einführung ist derzeit auch nicht absehbar. Deshalb ist durch die Einführung von Gebühren neben der Verlängerung von Studienzeiten auch eine Abschreckung potentieller Studenten (besonders aus weniger bemittelten sozialen Schichten) zu befürchten. Damit fehlen zukünftig wahrscheinlich genau die Akademiker, die für den wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands dringend benötigt werden. 3. Stellen Sie bitte Ihren persönlichen Favoriten unter den historischen Büchern des Jahres 2002 kurz vor und erläutern Sie Ihre Wahl. (15-20 Zeilen.) Bleckmann, Bruno: Die römische Nobilität im Ersten Punischen Krieg. Untersuchungen zur aristokratischen Konkurrenz in der römischen Republik. Berlin: Akademie 2002.
Bleckmanns Buch nähert sich der Geschichte des Ersten Punischen Krieges unter dem Fokus des militärischen und politischen Handelns der Obermagistrate jener Jahre. Die Ergebnisse, zu denen es durch eine ebenso sorgfältige wie scharfsinnigen Quellenanalyse gelangt, vermögen das Bild von der römischen Republik in der Mitte des 3. Jahrhunderts in entscheidenden Punkten neu zu bestimmen. So weist der Autor nach, daß die immense militärische Leistungsfähigkeit der Römer in jenem Krieg weniger auf einen einheitlichen Willen bei der Durchsetzung eines großen gemeinsamen Zieles oder auf die konsequente strategische Steuerung durch den Senat zurückzuführen ist als vielmehr auf den unbändigen Ehrgeiz jedes Heerführers, die militärischen Leistungen seines Vorgängers nach Möglichkeit zu übertreffen und so durch oft ebenso ambitionierte wie hoch riskante Unternehmungen zur Steigerung seines eigenen Ruhmes beizutragen.
Zwar verdeutlicht die Analyse einiger Fälle, daß manche Feldherren durchaus zu abgestimmten Aktionen und damit zu einem kooperativen Handeln gemäß den Regeln der Standesloyalität bereit waren. Der Verfasser führt jedoch auch andere Beispiele an, in denen Magistrate isoliert oder in Konkurrenz zueinander operierten und sich zuweilen nicht einmal an Absprachen oder gebietsmäßige Zuweisungen für ihr Amtsjahr hielten. Dies beweist, daß es auch eine starke Tradition unsolidarischen Verhaltens gab, die durch einen gesellschaftserhaltenden Komment nur sehr begrenzt aufzufangen war. Der spätere Konflikt zwischen C. Flaminius und dem Senat verliert damit seinen singulären Status. Letztendlich wird gezeigt, daß sich die römische Aristokratie keineswegs, wie durch die idealisierenden Rückprojektionen von Polybios oder Cato d.Ä. deklariert, in der Mitte des 3. Jahrhunderts unter der Kontrolle eines starken Senats in einem stabilen Zustand befand, der ab dem 2. Jahrhundert durch einen zunehmenden Desintegrationsprozeß abgelöst wurde. Bleckmann bietet plausible Argumente dafür, daß dieser prozessuale Verlauf genau umgekehrt zu bewerten ist: Während die relativ schwache Senatsautorität im Ersten Punischen Krieg nur ein ungenügendes Korrektiv für magistratisches Machtgebaren bot, führte erst die extreme Notsituation des Zweiten Punischen Krieges zu einer wachsenden Reglementierung und Verfestigung nobilitären Handelns sowie zu einer erhöhten Steuerungskompetenz des Senats. Sein Buch bietet deshalb einen unschätzbaren Beitrag zur aktuellen Debatte über die Struktur der römischen Republik. |