Prof. Dr. Susanna BurghartzUniversität Basel LebenslaufGeb. 1956 in Essen (BRD), Abitur 1975 in Essen Studium der Geschichte, Philosophie, Wirtschaftstheorie und Historischen Hilfswissenschaften in Freiburg/Brsg, Bonn und Basel 1976-1983 Promotion 1988 zur Delinquenz im Spätmittelalter am Beispiel von Zürich, Habilitation 1997 zu Ehe, Sexualität und Moralpolitik im Basel der Frühen Neuzeit Lehraufträge und Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten Basel, Bern, Luzern und Bielefeld, seit 2000 SNF-Förderprofessur an der Universität Basel. Zurückliegende Forschungsschwerpunkte: Hexenforschung, historische Kriminalitätsforschung, Frauen- und Geschlechtergeschichte des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, Konfessionalisierung, städtische Gesellschaften. Aktueller Forschungsschwerpunkt: Europäische Mentalitäts- und Perzeptionsgeschichte im Kontext der frühen Kolonialgeschichte, Mediengeschichte Monographien: Leib, Ehre und Gut. Delinquenz in Zürich im 14. Jahrhundert, Zürich 1990; Zeiten der Reinheit - Orte der Unzucht. Ehe und Sexualität in Basel während der Frühen Neuzeit, Paderborn 1999 Mitgliedschaften: Vorstandmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte, Mitbegründerin und Organisatorin des Arbeitskreises Frauen- und Geschlechtergeschichte der Frühen Neuzeit (in Zusammenarbeit mit der Akademie der Diözese Stuttgart-Rottenburg), Mitherausgeberin von L'Homme. Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft Fragen zur historischen Forschungslandschaft und zu aktuellen Debatten2. a) Wie kamen Sie zur Geschichtswissenschaft? Was hat Sie motiviert, Geschichte zu Ihrem Beruf zu machen? Geschichten und vor allem "Geschichten aus dem Leben" haben mich schon sehr früh interessiert. Dabei faszinierten und faszinieren mich noch immer Kontinutiäten und Verbindungslinien ebenso wie Fremdheiten und Brüche und damit Geschichten, die auf Anhieb unzugänglich erscheinen. Die professionelle Geschichte erlaubt mir, ein fast schon kriminalistisches Interesse an Geschichten mit der Analyse von Strukturen, Mustern und Prozessen zu verbinden. Geschichte als Beruf gestattet mir darüber hinaus einen komplexen Umgang mit vielschichtigen Realitäten und (Be-)Deutungen. Die Entwicklungen in der Geschichtswissenschaft der letzten Jahre eröffnet schließlich in früher nicht gekanntem Maß Möglichkeiten, Chancen und Zwänge historischer Situationen und Prozesse gleichermaßen in den Blick zu nehmen und damit zugleich die Historisierung neuer Themenfelder voranzutreiben. Diese Öffnung innerhalb der Geschichtswissenschaft sehe ich als große Chance, auch für die Gegenwart Denkräume und Handlungsmöglichkeiten zu erweitern. 2. b) Die Geschichtswissenschaften haben in den zurückliegenden Jahrzehnten zahlreiche Erweiterungen und Neuorientierungen der Frageansätze und Forschungsperspektiven erfahren. Welche halten Sie für die interessanteste und folgenreichste? Der "linguistic turn" mit seinem Interesse an Sprache, Text und damit zugleich an Problemen der Wahrnehmung und Repräsentation erscheint mir zusammen mit der Entwicklung von "Geschlecht" als analytischer Kategorie als intellektuell besonders anregend und ertragreich. 2. c) Sehen Sie Forschungsfelder, denen man künftig mehr Aufmerksamkeit widmen sollte? Ein erneuter Versuch, die Bedeutung psychischer Dynamiken in historischen Prozessen besser zu konzeptualisieren, um sie angemessener berücksichtigen zu können, scheint mir ebenso dringend, wie eine stärker transnational ausgerichtete Geschichtsschreibung im Sinne des Schlagwortes "local stories, global history". 3. Stellen Sie bitte Ihren persönlichen Favoriten unter den historischen Büchern des Jahres 2002 kurz vor und erläutern Sie Ihre Wahl. (15-20 Zeilen.) Mason, Peter: The Lives of Images, London 2001
Peter Mason beginnt seine Untersuchung über das „Leben der Bilder" (The Lives of Images) mit der paradigmatischen Geschichte des Elefanten Annone, den Papst Leo X 1514 als Geschenk von König Manuel I. von Portugal erhielt. Annone wurde nicht nur von den Römern gefeiert, als Bild diente er vielmehr auch afrikanischen Schnitzern und gelangte so schliesslich als elfenbeinerner Stoßzahn ins Musée de l'Homme in Paris. Peter Mason untersucht Produktion, Verbreitung und Fehldeutungen von Bildern nicht-europäischer Völker im Austausch zwischen Kulturen und Jahrhunderten in einem weitgespannten Bogen von den Feuerländern des 16. Jahrhunderts, über mesoamerikanische Codices, die Darstellung von Bewohnern Formosas im 18. Jahrhundert, Photographien europäischer Völkerschauen am Ende des 19. Jahrhunderts bis hin zur zeitgenössischen Kunst eines Diego Riviera. In diesem Panorama von Bildern, Gegenständen und lebenden Objekten entfaltet Mason die spezifischen Möglichkeiten von visuellen Repräsentationen über Kontinente und Jahrhunderte hinweg zueinander in Beziehung zu treten. Angeregt von Wittikofer, Panofsky und vor allem Warburg geht er dem Eigenleben von Bildern und ihrer ungehinderten Bewegung zwischen verschiedenen Kontexten nach und kommt zum Schluss, dass Bilder – wenn auch unbewusst – durchaus Geschichte machen können.
Homepage: http://www.hist.net/debry/arbeiter.html |