Ass.Prof. Mag. Dr. Thomas AngererInstitut für Geschichte, Universität Wien LebenslaufGeboren 1965 in Wien. 1984 Abitur in München. WS 1984/85 bis SS 1989 Studium der Fächer Geschichte und Französisch an der Universität Wien. 1986/87 Deutsch-Assistent am Lycée Jean-Baptiste Say, Paris, sowie Gasthörer am Institut d'Etudes Politiques de Paris und an der Universität Paris IV (Sorbonne). 1990 Forschungsstipendiat in Paris. 1989 Sponsion an der Universität Wien. Diplomarbeit: "Die französische Österreichpolitik 1936-1938". 1996 Promotion an der Universität Wien. Dissertation: "Frankreich und die Österreichfrage. Historische Grundlagen und Leitlinien 1945-1955". 1991/1992 Vertragsassistent, 1992 bis 2001 Universitätsassistent, seit 2001 Assistenzprofessor am Institut für Geschichte der Universität Wien. Seit WS 2000/2001 auch Lehrbeauftragter bei den postgradualen Europastudien der Universität Wien und an der Diplomatischen Akademie Wien. Zahlreiche Gastvorträge im In- und Ausland, u.a. 2000 einmonatige Gastprofessur am Institut d'Études Européennes der Universität Paris VIII. 2001 Vortragender im Rahmen der Chaire Glaverbel d'études européennes der Université catholique Louvain-la-Neuve. 2003: Annual Austrian History Lectures an den University Colleges Cork, Galway und Dublin. AuszeichnungenLudwig-Jedlicka-Gedächtnispreis 1989/90. MitgliedschaftenMitherausgeber der Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit (http://www.univie.ac.at/Geschichte/WZGN/wzgn.html). Mitglied des vom Institut Pierre Renouvin (Univ. Paris I) lancierten europäischen HistorikerInnen-Netzwerkes "Identités européennes". Beteiligung am Projekt "Internetgestützte Lehre (IGL)" (http://www.univie.ac.at/igl.geschichte). Verschiedene Gremialfunktionen an der Universität Wien. Forschungsschwerpunkte
Französische, österreichische und Internationale Geschichte seit dem 19. Jhd., insbesondere der französisch-österreichischen Beziehungen, der politischen Kultur Frankreichs, der Stellung Österreichs in Europa und der Europäischen Integration; Theorie und Geschichte der Zeitgeschichtsforschung.
Laufende Projekte (Monographien)- Geschichte der französischen Österreichpolitik 1918-2000.
- Geschichte der Vorstellungen von Frankreichs "Größe" (epochenübergreifend).
Wichtigste Veröffentlichungen- Hrsg.: Österreich in Europa (Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit 1, 2001/1). Hrsg. mit Jacques Le Rider: "Ein Frühling, dem kein Sommer folgte"? Französisch-österreichische Kulturtransfers seit 1945 (Grenzenloses Österreich, Wien - Köln - Weimar: Böhlau 1999).
- Hrsg. mit Birgitta Bader-Zaar und Margarete Grandner: Geschichte und Recht. Festschrift für Gerald Stourzh zum 70. Geburtstag (Wien - Köln - Graz: Böhlau 1999).
- Daneben über 30 Aufsätze, u.a.: Gegenwärtiges Zeitalter - gegenwärtiges Menschenalter. Neuzeit und Zeitgeschichte im begriffsgeschichtlichen Zusammenhang, in: Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit 1 (2001/2) 114-133.
Fragen zur historischen Forschungslandschaft und zu aktuellen Debatten2. a) Wie kamen Sie zur Geschichtswissenschaft? Was hat Sie motiviert, Geschichte zu Ihrem Beruf zu machen? Zur Geschichtswissenschaft kam ich erst über das Studium, zum Studium der Geschichte über den naiven Wunsch nach mehr Allgemeinbildung und die Faszination von der Zeitgebundenheit menschlichen Denkens und Handelns. An der Universität begeisterte ich mich rasch für die Wissenschaft, dachte aber die längste Zeit nicht daran, sie zum Beruf machen zu können. Den Anstoß dazu verdanke ich Universitätslehrern. 2. b) Die Geschichtswissenschaften haben in den zurückliegenden Jahrzehnten zahlreiche Erweiterungen und Neuorientierungen der Frageansätze und Forschungsperspektiven erfahren. Welche halten Sie für die interessanteste und folgenreichste? Die sogenannte „kulturelle Wende“. 2. c) Sehen Sie Forschungsfelder, denen man künftig mehr Aufmerksamkeit widmen sollte? Der Kulturgeschichte der internationalen Politik: Auch im deutschsprachigen Raum erneuert sich die Geschichte der internationalen Politik inzwischen stark. Von bemerksenswerten Ausnahmen abgesehen hat sie die „kulturelle Wende“ der Geschichtswissenschaft für sich aber noch zu wenig fruchtbar gemacht. Obwohl bzw. gerade weil sonst schon so viele wieder "jenseits der kulturellen Wende" Ausschau halten, sollte die Forschung zur Geschichte der internationalen Politik hier rascher nachziehen. 2. d) Sollten sich Fachhistoriker mit historischen Argumenten in aktuellen politischen Debatten zu Wort melden, wie es jüngst wieder häufiger zu beobachten ist? Braucht unsere Gesellschaft mehr historische 'Politikberatung'? Auf beide Fragen: „Ja“. Neben der Kritik käme es dabei allerdings auch auf Selbstkritik an: Kritik an mißbräuchlicher Verwendung historischer Argumente in der Politik – hier können und sollen HistorikerInnen ihre Expertisen auch in die öffentliche Debatte einbringen, denn sonst reden nur die anderen. Selbstkritik: Wie alle ExpertInnen streiten sich auch HistorikerInnen – dies sollten sie anständiger Weise auch dann zugeben, wenn sie ihre wissenschaftlichen Ansichten in eine breitere Öffentlichkeit tragen. HistorikerInnen sollten sich also nicht nur stärker zu Wort meldeten, wo einschlägige Expertisen fehlen oder zu kurz kommen, sondern nötigenfalls auch die intellektuelle Redlichkeit aufbringen, den ExpertInnenhut abzulegen, wenn sie nur auf der medialen Intellektuellenszene mitspielen wollen. 2. e) Die Universitäten kämpfen mit überfüllten Hörsälen und leeren Kassen, ringen um neue, kürzere Formen des Studierens (BA, MA). Welche Folgen würden Ihrer Meinung nach Studiengebühren und die Möglichkeit der Auswahl der Studenten durch die Universität für Lehre und Forschung in den Geschichtswissenschaften haben? Studierendenauswahl steht in Österreich noch nicht so sehr zur Diskussion. Mit Studiengebühren haben österreichische Universitäten jedoch seit Herbst 2001 wieder Erfahrung. Ihre Wirkung hat sich als ambivalent und großteils kontraproduktiv erwiesen. Zusammen mit einer ganzen Reihe weiterer Sparmaßnahmen und verschlimmbessernder Reformen, bedeutete die Einführung von Studiengebühren zunächst einmal, daß die Studierenden für die Verschlechterung ihrer Studienbedingungen seither auch noch zahlen dürfen. Auch wenn die 377 Euro pro Semester auf den ersten Blick nicht übertrieben scheinen, erweisen sich die Folgen in der Praxis als gravierend: Wer neben dem Studium schon bisher arbeiten mußte und nun auch das Geld für die Studiengebühren verdienen muß, kommt nicht nur rasch über die Steuer- bzw. Versicherungsgrenzen, sondern fällt damit auch noch um die Studienbeihilfe um, sodaß er/sie mehr denn je jobt und dabei nicht nur weniger denn je verdient, sondern auch weniger denn je studiert. Die Studiengebühren haben somit nichts daran geändert, sondern selbst maßgeblich dazu beigetragen, daß das Universitätsstudium zumindest in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern noch stärker zur Teilzeitbeschäftigung geworden ist. Geschwindigkeit geht vor Gründlichkeit. Die Studienqualität leidet. Die finanzielle Bestrafung von StudienbummlerInnen beschleunigt die Studienabschlüsse nur zum Teil, weil die schon zuvor überlasteten Universitäten dem dadurch erhöhten Aufwand in Lehre und Verwaltung weder finanziell noch personell ausreichend gewachsen sind. Aber darauf kam es möglicherweise gar nicht an. In der Öffentlichkeit war die Maßnahme ziemlich populär. 3. Stellen Sie bitte Ihren persönlichen Favoriten unter den historischen Büchern des Jahres 2002 kurz vor und erläutern Sie Ihre Wahl. (15-20 Zeilen.) Ausnahmsweise ein Sammelband: Mikael af Malmborg (†), Bo Stråth (Hrsg.), The Meaning of Europe: Variety and Contention within and among Nations. Oxford - New York: Berg, 2002.
Was bedeutete Europa im Nations- bzw. Staatsbildungsprozess der verschiedenen Mitgliedsländer der erweiterten Europäischen Union? Wie bezog und bezieht man sich in den einzelnen Ländern historisch gesehen auf Europa, und wie Europa auf das eigene Land? Mit ausnehmender Systematik und Stringenz haben der früh verstorbene schwedische Nachwuchshistoriker Mikael af Malmborg und sein z.Z. am Europäischen Hochschulinstitut Florenz lehrender renommierter Kollege Bo Stråth diese Fragen aufgefächert, an repräsentativen Fallbeispielen nations- bzw. staatenweise untersuchen lassen - u.a. von Miroslav Hroch, Robert Frank und Piers Ludlow - und in ihrer gewichtigen Einleitung auch gleich erstmals in einem größeren Vergleichsrahmen beantwortet. Die Spannweite der dreizehn Beiträge reicht von Großbritannien bis Griechenland, von den baltischen Staaten bis Spanien, von Finnland bis Italien. (Der Betrag über Rußland fällt aus verschiedenen Gründen aus der Reihe.) Die angenehm zielstrebigen, z.T. brillanten Längsschnittanalysen verfolgen fast alle das Thema vom 18. oder 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Auf wenig mehr als 300 Seiten entsteht damit ein Panorama von seltener Breite und Dichte zugleich. Im Spiegelkabinett der nationalen Selbst- und Europabilder zeigen sich dabei verblüffende historische Ähnlichkeiten und Unterschiede. Ein Band, der die politische und intellektuelle Herausforderung der Debatten über europäische Identität und EU-Erweiterung geschichtswissenschaftlich ernst nimmt und wichtige Denkanstöße gibt.
Homepage: http://www.univie.ac.at/Geschichte/_angerer.html |